Shopping-Riese

Amazon ist nicht Walmarts einziges Problem

18.08.2016
Walmart will mit einer Milliarden-Übernahme seine Online-Schwäche überwinden. Doch auch im klassischen Geschäft - wo unter anderem Aldi angreift - ist der Druck hoch. Zudem gibt es Vorwürfe, der Konzern lasse seine Filialen zulasten der Steuerzahler verwahrlosen.
Walmart ist der weltgrößte Einzelhändler, aber beim Online-Shopping läuft der US-Konzern der Konkurrenz schon länger hinterher.
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Walmart will mit dem milliardenschweren Zukauf eines boomenden Start-ups an Amazons Vormachtstellung rütteln. Ein ambitionierter Plan, der zunächst viel Geld verschlingen wird. Experten bewerten den Deal trotzdem überwiegend positiv. Doch der Trend zum Online-Einkauf ist bei weitem nicht die einzige Herausforderung, die das US-Branchenschwergewicht zu meistern hat.

Diese Zahlen machen Walmarts Online-Dilemma deutlich: Das Unternehmen verbuchte 2015 einen Umsatz von 14 Milliarden Dollar mit Verkäufen im Internet - Amazon brachte es auf rund 99 Milliarden. Obwohl Walmart in den letzten zwei Jahren etwa zwei Milliarden Dollar in sein Online-Geschäft investiert hat, ist der Abstand riesig. Aus eigener Kraft auf Augenhöhe zu kommen, scheint aussichtslos - deshalb greift der Konzern tief in die Tasche, um einen Wachstumsmotor einzukaufen.

Für 3,3 Milliarden Dollar (derzeit etwa 2,9 Mrd Euro) schluckt Walmart das rasant wachsende Start-up Jet.com. Durch die Übernahme erhält Walmart die begehrte E-Commerce-Software des 2014 gegründeten Unternehmens, das seit Juli 2015 mit seinem Online-Shopping-Portal den US-Markt aufmischt. Das Wachstum von Jet.com ist beeindruckend - die Firma gewinnt pro Monat etwa 400 000 neue Kunden hinzu. Besonders beliebt ist die Plattform bei jüngeren und trendbewussten Kunden.

Bereits in diesem Geschäftsjahr will Jet.com Verkäufe im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar abwickeln. Damit könnte der Zukauf für das Online-Geschäft des 1962 gegründeten und mit seinen etwa 4500 US-Einkaufszentren mittlerweile als verschnarcht geltenden Branchenriesen Walmart genau der richtige Kickstarter sein. "Jet.com bringt Walmart im Wettkampf um E-Commerce eine starke Online-Präsenz, eine frische Perspektive und Expertise sowie eine attraktive Marke", sagt Analystin Jessica Schoen von der Investmentbank Nomura.

Die Hoffnungen liegen zudem auf Jet.com-Mitgründer und Chef Marc Lore, der künftig auch das Online-Geschäft von Walmart leiten soll. Lore gilt als eines der größten Talente der Branche, er baute bereits den erfolgreichen Online-Händler Quidsi auf, den Amazon 2010 für 540 Millionen Dollar kaufte. Dank kreativer Preismodelle gelingt es Jet.com teilweise, Produkte günstiger als Amazon anzubieten. So haben Käufer etwa die Wahl, im Gegenzug für einen niedrigeren Preis das Rückgaberecht abzutreten oder ohne Kreditkarte und die entsprechenden Gebühren zu zahlen.

Für diesen Innovationsschub zahlt Walmart aber auch einen hohen Preis. Jet.com schreibt rote Zahlen und geht laut Nomura-Analystin Schoen nicht vor 2020 davon aus, profitabel zu werden. Die Übernahme sei "nicht billig, aber strategisch gesehen überzeugend", meint Experte Daniel Binder vom Investmenthaus Jefferies. Fest steht, dass Walmart einen Wachstumstreiber gut gebrauchen könnte - denn die Schwäche im Online-Handel ist nicht das einzige Problem.

Auch der verschärfte Wettbewerb im klassischen US-Einzelhandel - macht Walmart zu schaffen- nicht zuletzt durch den Angriff des deutschen Discounters Aldi, der aggressiv expandiert und bis 2018 mit 2000 Filialen in den USA vertreten sein will. Die Erwartungen an die Quartalszahlen, die an diesem Donnerstag vorgelegt werden sollen, sind entsprechend verhalten. Analysten rechnen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit weniger Gewinn und einem leichten Rückgang der Erlöse auf rund 120 Milliarden Dollar. Walmart hatte Investoren bereits Anfang des Jahres auf schlechtere Zeiten eingestellt.

Massive Sichterheitsmängel nach massiven Einsparungen

Darüber hinaus muss sich der Konzern nun auch noch heftige Vorwürfe gefallen lassen, seine US-Filialen auf Kosten der Steuerzahler zu einem Hort der sozialen Verwahrlosung verkommen zu lassen. In seiner neuesten Ausgabe berichtet das US-Wirtschaftsmagazin "Bloomberg Businessweek", dass die hohe Kriminalität in und um Walmart-Filialen inzwischen zu einer starken Zumutung für die Polizei geworden sei.

Massive Einsparungen hätten zwar die Gewinnspannen erhöht, aber zu einem verheerenden Mangel an Mitarbeitern und Sicherheitspersonal geführt, heißt es in dem Bericht. Das Blatt zitiert einen Polizeichef, der meint, er müsse wegen der vielen Vorfälle bei Walmart mitunter seine halbe Truppe stundenlang dort abstellen: "Es ist irrwitzig - wir sprechen über den größten Einzelhändler der Welt". Das Unternehmen betont indes, die Probleme ernst zu nehmen: "Wir verstehen, wie wichtig das ist", sagt eine Sprecherin. (dpa/rs)