IT-ARBEITSMARKT

Anwender profitieren von der Branchenkrise

05.11.2001 von Gerd Schmid
Die vergangenen Jahre waren hart für die IT-Professionals in den Unternehmen: Mit den Umstellungen auf das Jahr 2000 und den Euro hatten sie zwei Riesenprojekte zu betreuen, für die es zu wenige Experten gab. Jetzt entspannt sich die Lage wieder.

QUALIFIZIERTE MITARBEITER werden immer gesucht.Daran wird sich, wenn man den Arbeitsmarktexpertenglauben darf, auch in Zukunft nichts ändern. Vor allem inden Anwenderbetrieben wird mit einem weiter steigendenPersonalbedarf gerechnet. Dort sind Hard- und Softwarenicht Selbstzweck, sondern Arbeitsmittel für das eigentlicheGeschäft; und solange das läuft, werden Leute gebraucht,die sich kompetent um die Systeme kümmern und hierdas Maximum herausholen. Darüber hinaus sollen sie dieUnternehmen fit machen für das Internet-Zeitalter.

Große Investitionen allerdings sind bei den Anwendernderzeit kaum drin, auch nicht in die Personalausstattung.Matthias Tödter von der Hamburger Geco IT-Consultingversteht das gut: „Die hatten gerade zwei sehr teureGroßprojekte zu bewältigen – den Jahrtausendwechselund die Euro-Umstellung. Jetzt muss die IT erst einmalmit dem leben, was sie hat.“

„Ein paar neue Leute werden die meisten trotzdemeinstellen müssen“, vermutet hingegen Ottmar Seiler, SeniorConsultant bei der Personalberatung MRI Deutschland inMünchen. „Gerade bei diesen beiden Projektenhaben zahlreiche Unternehmen ihre Systeme, statt sie nurzu flicken, gleich auf den aktuellen Stand gebracht. Fürdie brauchen sie jetzt Mitarbeiter, die ebenfalls auf demneuesten Stand sind, obwohl die Budgets allgemein leichtzurückgefahren werden.“

Gelegenheit zur Verstärkung der Teams

Für die Anwenderunternehmen ist die derzeitige Krise derIT-Branche so etwas wie ein Geschenk des Himmels. NachJahren, in denen sie kaum eine Chance hatten, Spitzenkräftegegen die Konkurrenz internationaler IT-Konzerne zugewinnen, ist nun plötzlich Schlussverkauf. Viele großeAnwender, die sich zuletzt zum Outsourcing wesentlicherIT-Operationen gezwungen sahen, weil sie die nötigenSpezialisten nicht oder nur zu enormen Kosten bekommenkonnten, nutzen jetzt die Chance, sich zu verstärken.

Wie groß der Bedarf von Anwenderunternehmen an IT- Personalist, lässt sich kaum abschätzen. Zu unterschiedlich sinddie Rahmenbedingungen, die über Umfang und Richtung desComputereinsatzes entscheiden. „Gegen- wärtig reichtdie Nachfrage offenbar aus, die Entlassungen bei denIT-Anbietern zu kompensieren“, stellt Werner Dostal von derNürnberger Bundesanstalt für Arbeit fest. Die hätten –bisher jedenfalls – kaum auf den Arbeitsmarktdurchgeschlagen.

Kein Nachfrage-Boom wie vor 2000

Einen erneuten Nachfrage-Boom werden die Schnäppchenjägerindes kaum auslösen. „Das sind sehr selektiveEinstellungen, die dem einzelnen Bewerber und der einzelnenPosition gelten“, so Dostal, „nicht vergleichbar mitden Einstellungswellen der vergangenen Jahre.“

In den Spitzenzeiten schien der Bedarf grenzenlos. VonMitte 1996 bis Mitte 2000 wurden allein im Bereich Softwareund IT-Dienstleistungen 140000 zusätzliche Profiseingestellt – ein Plus von 42 Prozent auf knapp 500000. Fastdie Hälfte, etwa 66000, ging zu Anwenderunternehmen, rund58000 heuerten bei IT-Anbietern an, und um mindestens 16000,schätzt man, wuchs das Heer der Selbstständigen. DieNachfrage befriedigten sie nicht. Branchenverbände klagten,es fehlten bis zu 440000 qualifizierte Mitarbeiter. Gehälterund Honorare zogen an.

Seit März jedoch hat sich der überhitzte Arbeitsmarktmerklich abgekühlt, und die Branche macht vor allemdurch Massenentlassungen Schlagzeilen. Zugleich ist dieZahl der beim Arbeitsamt gemeldeten offenen IT-Stellenvon über 14000 auf weniger als die Hälfte geschrumpft.

Dass ausgerechnet die Verstoßenen der Internet- undsonstigen IT-Wirtschaft in nennenswerter Zahl beiAnwenderunternehmen unterkommen, ist deshalbunwahrscheinlich. Viele von ihnen scheitern an einer hohenHürde: Sie müssen das Brot- und Butter-Geschäft der ITbeherrschen – SAP-Systeme, Client-Server-Netze, PCs,CAD-Workstations und Schnittstellen. Martin W., der beieinem hessischen Maschinenbauer die Oracle-Datenbankbetreut, befürchtet Probleme mit Start-up-Überläufern:„Wenn die nichts anderes können alsInternet-Technologie, hat das wenig Sinn. Wir nehmen gernmal einen guten Absolventen, aber für Projekte haben wirlieber erfahrene Praktiker.“

Es sieht so aus, als nähere sich die berufliche Biografieeines Computerspezialisten wieder dem vertrauten Schema:Studium, ein paar Jahre bei einem Hardware- oderSoftware-Anbieter, dann bei einer Unternehmensberatung,schließlich der sichere Job in einem Anwenderunternehmen –eventuell sogar mit halbwegs kalkulierbarem Feierabend.