Vorstoß für einheitliche Software

AOK will IT-Standard durchsetzen

19.10.2011 von Hartmut  Wiehr
Gegen das Durcheinander bei Verträgen zwischen Ärzten und Krankenkassen forciert die AOK IT-Standards. Das könnte Signalwirkung für die Healthcare-IT haben.

Kaum eine Branche ist so wie das deutsche Gesundheitswesen von einem permanenten Widerstreit der Interessen aller Beteiligten gekennzeichnet. Das konnte man zuletzt mal wieder an der Ausgabe der neuen elektronischen Gesundheitskarte beobachten, die auch jetzt nur schleppend und in abgespeckter Form vonstatten geht. Umso interessanter ist es, wenn sich jetzt die AOK für Software-Standards beim Abschluss so genannter Selektivverträge einsetzt.

Mit einer neuen Initiative zur Standardisierung von Software für Selektiv-Verträge will die AOK eine Perspektive für die gesamte Branche vorgeben.
Foto: AOK

Die AOK und die Kassenärztlichen Vereinigungen, die regional organisierten Standesvertretungen der deutschen Ärzteschaft, wollen jetzt insbesondere bei der technischen Umsetzung solcher Verträge zusammenarbeiten. Der IT-Standard soll demnach "eine einfache, wirtschaftliche und flexible Umsetzung von Selektivverträgen ermöglichen“. Zusätzliches Gewicht erhalte die Kooperation durch die Beteiligung von Ersatzkassen.

Bei Selektivverträgen handelt es sich im Gegensatz zu so genannten Kollektivverträgen um eine Vereinbarung zwischen einer Teilmenge der möglichen Beteiligten. Sie betreffen damit explizit nicht die Gesamtheit aller Kassen oder Vertragsärzte. Von daher waren sie in der Vergangenheit immer sehr umstritten. Besonders die Kassenärztlichen Vereinigungen sahen es nicht gerne, wenn die Krankenkassen nur Verträge mit einzelnen Ärzten und nicht mit deren Interessenvereinigungen abschlossen.

Bei dem Vorstoß der AOK und seiner technischen Umsetzung spielen die Telematik-Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KV-Telematik-ARGE) und der Geschäftsbereich "Gesundheit/Versorgung/Kommunikation“ (gevko) der AOK Systems eine herausgehobene Rolle. Sie sollen "künftig gemeinsam einen technischen Standard definieren“, teilt die AOK mit. Er solle dann allen Herstellern von Software für Ärzte und Krankenhäuser zur Verfügung stehen. Anfang November will man "auf der Basis des gemeinsamen Standards erste Projekte auf den Weg bringen“.

Man kann das auch so interpretieren, dass die diversen Software-Anbieter, die sich in der Gesundheitswirtschaft tummeln und alle an ihren exklusiven, schön von einander abgetrennten Beziehungen mit Ärzten und Krankenhäusern interessiert sind, eine Vorgabe für die Entwicklung und Anpassung ihrer Individualprogramme bekommen sollen. Damit könnte ein Signal für die gesamte Branche der Healthcare-IT gesetzt werden.

Software für Healthcare-IT ist kaum standardisiert

Die beabsichtigte Vorgabe wird deutlich in einer gemeinsamen Erklärung von Robert Bauerdick, Geschäftsführer der KV-Telematik-ARGE, und von Karsten Knöppler, gevko-Geschäftsbereichsleiter: "Wir stellen dem Markt eine IT-Lösung zur Verfügung, die Transparenz, Flexibilität und ein Höchstmaß an Datensicherheit bietet. Auf der Grundlage unseres offenen EDV-Standards können Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen oder Managementgesellschaften ihre Verträge professionell, sicher und effizient managen.“

Die geplante Zusammenarbeit soll neben der Umsetzung und Weiterentwicklung des IT-Standards eine gemeinsame Abstimmung bei der Zertifizierung von Produkten der Software-Häuser enthalten. Für die Anbindung von Arztpraxen und Kliniken stehe zudem das sichere Datennetz der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung.

Der KV-Telematik-ARGE und der gevko obliegt die Umsetzung der AOK-Initiative zur IT-Standardisierung.
Foto: KV-Telematik-ARGE

Die gevko und KV-Telematik-ARGE sind sich sicher, dass ihre Initiative "auch den Forderungen aus der Wirtschaft, technische Parallelentwicklungen zu vermeiden“, entspreche. Allen sei daran gelegen, einen einheitlichen IT-Standard wie im Bereich der Kollektivverträge zu etablieren. Viele Software-Hersteller sähen sich angesichts unterschiedlichster IT-Lösungen für potenziell mehrere tausend Selektivverträge gar nicht in der Lage, Vertragsinhalte adäquat in ihren IT-Lösungen für die Ärzte abzubilden.

Die genannten Verbände und Unternehmen müssen dann nur noch mitmachen.