Thesen zu Open Data

Apps-Wettbewerbe sollen den Staat umgestalten

05.09.2011 von Johannes Klostermeier
Mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung in der Verwaltung fordert im Interview Alexander Schmid von Bearingpoint vor dem Ministerialkongress des Beratungshauses.

Am 8. und 9. September findet in Berlin zum 16. Mal der Ministerialkongress von Bearingpoint zur Verwaltungsmodernisierung statt. Die Unternehmensberatung ruft im Vorfeld zu einer Open-Government-Offensive auf und ermutigt Verwaltungsmitarbeiter zur Umsetzung eigener Maßnahmen und Projekte.

Die Begriffe Open Data und Open Government seien zwar in aller Munde, die Entwicklung zu einem gemeinsamen Verständnis und zur praktischen Umsetzung ließe jedoch noch auf sich warten, heißt es in dem Papier, in dem die Berater ihre Thesen veröffentlicht haben. Mit vier Vorschlägen wolle man der Verwaltung dabei helfen, die ersten Schritte in Richtung Open Government und Open Data auch auf Bundes- und Landesebene zu wagen. Ein wesentliches Ziel sei die Öffnung von Politik und Verwaltung gegenüber Bürgern und Wirtschaft, was mehr Transparenz, Kooperation und direkte Partizipation ermögliche.

Die Freigabe von Datenbeständen der öffentlichen Verwaltung für die Öffentlichkeit könne die Arbeit der Verwaltung unterstützen, das Vertrauen von Bürgern in die Politik verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und des Standortes Deutschland stärken. Auch international werden zurzeit viele Initiativen zur Öffnung der Verwaltung für Open Data gestartet. Wir sprachen mit Bearingpoint-Partner Alexander Schmid über Open Government.

CIO.de: Ist das Thema Open Data jetzt bei den Unternehmensberatungen angekommen?

Alexander Schmid, Partner bei Bearingpoint in Berlin, fordert eine Open-Government-Offensive in Deutschland.

Alexander Schmid: Wir haben das Thema in unseren laufenden Projekten zur Verwaltungsmodernisierung wachsen sehen. Dort werden die technischen und organisatorischen Grundlagen dafür gelegt.

CIO.de: Welche sind das?

Schmid: Etwa die Möglichkeit der elektronischen Online-Authentifizierung für den Zugriff auf die Datenbestände, die Reorganisation der Register und die Standardisierung, ohne die die Daten nicht verfügbar gemacht werden können, sichere Zustellmechanismen wie De-Mail, über die die Daten sicher an die Anfragenden übermittelt werden können, und medienbruchfreie Prozessketten, über die Anwendungen verknüpft werden. Das sind alles Projekte, die wir gerade mit der öffentlichen Verwaltung durchführen: der neue Personalausweis, De-Mail, der Prozessdatenbeschleuniger, die Reorganisation des Registerwesens, das Deutschland-Online-Vorhaben zur Standardisierung. All diese Projekte stehen auch in einem Kontext zu Open Government.

CIO.de: War das Thema nicht zuerst eher eine Sache von unten, von politischen Aktivisten?

Schmid: Der Drive, den die Community dort entwickelt, ist sehr wichtig. Zum einen wird wirksam das Interesse artikuliert, stärker an den politischen Willensbildungsprozessen der öffentlichen Verwaltung teilzuhaben. Zum zweiten sind sehr viele technische Ideen aus der Community Türöffner in der Diskussion: Die Beratung sieht da einen Flankenschluss zu den in der Verwaltung intern laufenden Modernisierungsprojekten. Da kommen Interessen zusammen.

CIO.de: Sie üben in Ihrem Whitepaper auch Kritik an den bisherigen Reaktionen der Verwaltung im Bereich Open Data.

Schmid: So muss sich gute Beratung auch verstehen. Da muss es Rückgrat dafür geben, Aspekte anzusprechen, warum wir uns etwas ansehen wollen. Im Vergleich zur internationalen Entwicklung in diesem Bereich ist festzuhalten, dass die Entwicklung in anderen Industrienationen unter dem Label Open Data schon vor drei Jahren begonnen haben. Ich will nicht sagen, dass die Ergebnisse dort besser sind. Einige Gedanken müssen in Deutschland sich aber erst noch entwickeln, wo andere Länder schon ihre Erfahrungen gesammelt haben. Open Government ist kein erweitertes Bar Camp Projekt (offene Tagungsform, in deren Verlauf die Teilnehmer erst die zu diskutierenden Themen festlegen, Anm. d. Red.), sondern braucht eine strategische Verankerung in der Verwaltung. Open Government ist nur zum Teil ein Technikprojekt, vielmehr geht es um eine Neugestaltung der Verwaltung. Durch die Technik ergeben sich Möglichkeiten, Verwaltungshandeln transparenter zu machen, die vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen sind.

Ängste von Mitarbeitern müssen berücksichtigt werden

CIO.de: Wird diese Transparenz nicht von vielen Handelnden gefürchtet?

Open-Government braucht die Einbindung des Datenschutzes und der Personalvertretung, meint Alexander Schmid von Bearingpoint.
Foto: MEV Verlag

Schmid: Genau das ist der zentrale Punkt, der hier gesehen werden muss. Es handelt sich um eine Veränderung, eine Neuausrichtung des Verwaltungshandelns. Hinter jedem Prozess steckt in der Verwaltung menschliches Handeln. Was in den letzten hundert Jahren nicht sichtbar war, wird da womöglich durch Open-Government-Anwendungen transparent. Das heißt, es gibt hier Ängste von Mitarbeitern, die berücksichtigt werden müssen. Ein Open-Government-Projekt braucht deswegen von Anfang an die Einbindung des Datenschutzes und der Personalvertretung.

CIO.de: Bedeutet das auch ein anderes Verständnis zwischen Staat und Bürgern?

Schmid: Das kommt darauf an. Open Government steht als Begriff über der Diskussion. Darunter muss man sich ansehen, um welche Daten es sich handelt. Sind es Wetter- oder Geodaten, oder geht es um die Erteilung von Baugenehmigungen oder die Verteilung von Lehrern auf Grundschulen in einem bestimmten Wohnbezirk? Da muss man differenzieren.

CIO.de: Welche Städte in Deutschland sind denn besonders fortschrittlich, was den öffentlichen Umgang mit Daten angeht?

Schmid: Auf kommunaler Ebene gibt es viele Angebote. Die Stadt Köln ist hier zu nennen mit ihrem Bürgerhaushalt, die Stadt Hamburg mit ihren Diskussionsforen. Ein Erfolgsfaktor bei der Partizipation ist die Verankerung in der Verwaltung. Dass ich als Bürger oder Unternehmen sehe, dass mit meiner Anfrage etwas in der Verwaltung passiert. Das ist nicht nur ein Prozess, sondern meine Beteiligung verändert das Verwaltungshandeln. Im Bereich Open Data stoßen Städte auf Hürden wie etwa das Urheberrecht, die Datensicherheit oder die Bereitstellung der Daten. Das erfordert eine grundsätzliche Aufstellung der Verwaltung.

CIO.de: Was würden Sie als Open-Data-Manager Deutschlands tun?

Schmid: Ich glaube, dass Open Government die übergreifende Kooperation verschiedener Verwaltungen erfordert. Die Koordination mit dem Nationalen IT-Rat und dem IT-Planungsrat ist ganz wichtig, um den Bürgern und den Unternehmen eine breite Nutzung zu ermöglichen. Wenn es Open Government gibt, wird der Bürger in Berlin nicht verstehen wollen, warum er auf die Daten in Stuttgart nicht zugreifen können soll. Man sollte zudem strategische Zielmarken vorgeben, was erreicht werden soll. Die Initiative Bund Online ist hier ein gutes Vorbild. Dann geht es darum, die Verwaltungsmitarbeiter zu aktivieren. Hier brauchen wir Change Agents als Mitwirkende, die die Veränderungen tragen. Einzelne Aktivisten sind dafür zu wenig.

Wir brauchen Bojen, an denen sich Ideen festmachen können

CIO.de: Sie stellen auch die Aktivitäten in anderen Ländern Europas vor. Dort gab es „Apps-Wettbewerbe“. Was ist das genau?

Ideen- und Apps-Wettbewerbe sollen Aufmerksamkeit erzeugen.
Foto: Vjom - Fotolia.com

Schmid: Diese Ideen- oder Innovationwettbewerbe haben sich in anderen Ländern durchgängig als probates Mittel erwiesen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das sind Bojen, an denen sich Ideen festmachen können und sich die Verwaltungsmitarbeiter identifizieren können. Deshalb sollte man so etwas auch in Deutschland als Startpunkt durchführen, von der Verwaltung und der IT-Wirtschaft gemeinsam getragen. Die Ideen sollten danach aber auch umgesetzt werden.

CIO.de: Kann Deutschland aus den Fehlern der anderen lernen?

Schmid: Ja, wenn man jetzt weiß, wie es läuft, dann man kann es ja gleich besser machen. Bei der Bereitstellung durch die amerikanischen Behörden etwa ist auch viel Seichtes ins Netz gestellt worden. So etwas muss man ja nicht wiederholen. Da kann man gleich sagen, wir bringen da Mehrwert hinein. Deutschland hat gute Grundlagen im Bereich der Infrastruktur geschaffen. Eine durchgängige Strategie mit Zielmarken und einem Umsetzungsplan gibt es bei uns aber noch nicht. Ein weiterer wichtiger Punkt, der geklärt werden muss, ist: Was sind die Daten der öffentlichen Verwaltung eigentlich wert? Welche werden kostenfrei und welche nur gegen Gebühr zur Verfügung gestellt? Diese Abgrenzungen und Bewertungen müssen strategisch definiert werden.

CIO.de: Haben Sie schon Reaktionen auf das Whitepaper bekommen?

Schmid: Ja, etwa gerade von Verwaltungsmitarbeitern in Bayern. Sie haben gesagt: Genau das braucht die Diskussion zwischen Bund, Land und Kommune als Anreißer und Kristallisationspunkt. Wenn der politische Wille weiter darauf abzielt, gesellschaftliche Beteiligung und Transparenz zu schaffen, dann ist Open Government ein sehr gutes Instrument, um diesen Willen wachsen zu lassen.

Das Whitepaper kann man hier als PDF herunterladen. Ein CIO.de-Interview mit Alexander Schmid zum Thema "Der Elektronische Personalausweis kommt" finden Sie hier.