Umfrage: Wie Firmen mit Führungskräften in der Krise umgehen

Arbeitgeber missachten Fairness

15.06.2009 von Eva Buchhorn und Klaus Werle
Die Angst geht um. Zwei Drittel der Führungskräfte rechnen mit Einkommenseinbußen, jeder zehnte rechnet mit dem Jobverlust. Eine Studie untersuchte, wie fair oder unfair die 30 größten Arbeitgeber mit ihren Mitarbeitern umgehen.

Mitten in der Frankfurter City, im deutschen Epizentrum des globalen Wirtschaftsbebens, sitzt Heiner Baum (Name von der Redaktion geändert) im dritten Stock und starrt aus einem Fenster. Er könnte auch aus dem Fenster nebenan starren, aus dem im achten Stock oder im Erdgeschoss. Baum hat freie Auswahl, fenstermäßig, und er hat Zeit, jede Menge. Was er nicht mehr hat, ist sein Job als Investmentbanker bei der deutschen Tochter einer europäischen Großbank.

Keine Sorge, hatte sein Vorgesetzter gesagt, alles läuft geordnet ab. Ein Aufhebungsvertrag samt auskömmlicher Abfindung wurde verhandelt. Doch der Mutterkonzern zeigte sich bockig, bestand auf Ausscheiden ohne Abfindung, und weil Baum ablehnte, schob man ihn ab in das achtstöckige Haus. Dort sitzt er nun, mutterseelenallein, ohne den Hauch einer Aufgabe. Bitter und juristisch abgesegnet: Das Arbeitsgericht bewertete die "Versetzung" als akzeptabel.

Der Citigroup dagegen könnte das Gericht in einem anderen Verfahren die gelbe Karte zeigen. Mehr als zwei Dutzend Bankern, darunter zwei Geschäftsleitern, hatte das Institut am Jahresende betriebsbedingt gekündigt. "Wahllos wurden Abteilungen ausgedünnt", sagt ein Betroffener. Einige Banker ließen sich auf Vergleiche ein, doch 15 Geschasste suchten am Freitag, dem 13. Februar, Schutz vor dem Arbeitsgericht. Der Massenauftritt kam einem Skandal gleich im traditionell auf möglichst geräuschloses Agieren bedachten Bankgewerbe.

Ein Tabubruch, und es wird nicht der letzte bleiben. Noch verschafft Kurzarbeit Atempausen, doch in den nächsten Monaten droht der Jobcrash. Fast jedes zweite Industrieunternehmen und auch Dickschiffe wie Metro oder Henkel planen, Stellen abzubauen.

Und je tiefer sich der Abschwung in die Wirtschaft frisst, desto stärker droht das feine Geflecht aus Respekt und Loyalität zu erodieren, das den Umgang von Firmen und Mitarbeitern lange recht zivilisiert gestaltet hat. "Die Luft ist bleihaltiger geworden", sagt der Arbeitsrechtler Stefan Nägele. "Viele Unternehmen testen gerade aus, wie weit sie gehen können."

Krise als Auslöser für Einschnitte

Nicht nur an den Werkbänken, auch in den Etagen der Manager riecht es jetzt nach Angst. Rund zwei von dreien rechnen mit Einkommenseinbußen, weil Boni und Weihnachtsgeld gestrichen werden oder gar das Festgehalt gekürzt wird, wie etwa bei Infineon, das seinen Managern drei Tage Zwangsurlaub pro Monat verpasst. Fast jede zehnte Führungskraft fürchtet, im nächsten halben Jahr den Job zu verlieren, jeder Fünfte glaubt, dass sich seine berufliche Situation verschlechtern wird.

Das ergab eine Umfrage, die der Deutsche Führungskräfteverband (ULA) für manager magazin unter 1000 Fach- und Führungskräften durchführte. manager magazin wollte wissen, wie Unternehmen in der Krise mit ihren Managern und Experten umgehen; und welche der 30 größten Arbeitgeber im Land von diesen als besonders fair - oder unfair - beurteilt werden.

Die Sieger im Ranking sind Bosch, BASF und Volkswagen. Bodenständig alle drei, mit einem Schuss Biederkeit, das sagt viel aus über die aktuelle Managerbefindlichkeit: Die Party ist vorbei. Jetzt kommt es darauf an, wie sich der Gastgeber verhält. Wird der Raubauz-Stil der Citigroup bald flächendeckend en vogue sein, oder bewahren die Firmen Anstand? Wird motivierend und kooperativ geführt? Laufen Trennungsprozesse professionell ab, gibt es Outplacement-Angebote, wird das Finanzielle einvernehmlich geregelt, oder werden die Opfer der Krise erst weichgekocht und dann eiskalt abserviert?

Plötzlich ist dieser Begriff wieder aktuell, der lange belächelt wurde, weil er so selbstverständlich, so old fashioned schien: Fairness. "Die Angst ist groß", sagt Personalexperte Christian Scholz von der Universität des Saarlandes, "dass Unternehmen die Krise als willkommenen Anlass für lange geplante Einschnitte missbrauchen."

Schon jetzt geht es in vielen Firmen nicht mehr partnerschaftlich zu. Ein wesentliches Ergebnis der manager-magazin-Umfrage: Als "undurchsichtig und willkürlich" empfindet jeder Dritte die Art und Weise, mit der sein Unternehmen Arbeitsverhältnisse beendet. 37 Prozent halten die Kommunikation, gerade von schlechten Nachrichten, für wenig transparent.

Anstand wahren oder sparen, lässt sich beides überhaupt vereinen? "Für das Versprechen einer 'nachhaltigen Personalpolitik' werden die kommenden Monate zum Lackmustest", sagt ULA-Hauptgeschäftsführer Ludger Ramme. Und so üben sich die Firmen in einem permanenten Eiertanz zwischen dem Zwang, Kosten zu senken, und der Notwendigkeit, ihre verunsicherten Manager durch unfaire Praktiken nicht zu demotivieren.

Ringen um den Boni

Eine Figur im Eiertanz ist derzeit besonders beliebt: der Griff nach den Boni. Man kann sie radikal kürzen wie Daimler oder per Dekret streichen wie die Commerzbank . Oder sie auf Umwegen zurückerobern wie im Fall von Markus Kast (Name von der Redaktion geändert), dessen Bonus in guten Jahren sechsstellig war, so hoch wie sein Grundgehalt. Auch Anfang 2008 erhielt er von seinem Arbeitgeber Jones Lang LaSalle (JLL) eine mündliche Zusage für die Prämie - vorausgesetzt, er sei zu einem bestimmten Datum noch bei dem Immobiliendienstleister beschäftigt.

Dann kam die Finanzkrise, warf die Branche zu Boden und Kast aus der Firma - kurz vor dem Stichtag. Der Retail-Manager erhielt eine Abfindung, doch der Bonus - tja, da habe er wohl Verständnis angesichts der Lage, oder nicht? Nein, hatte Kast nicht. Er zog vors Arbeitsgericht Hamburg und einigte sich mit JLL auf einen Vergleich.

Ein glimpflicher Ausgang mit Seltenheitswert, denn die Krise wirkt wie ein gigantischer Treibsatz, der nochmals befeuert, was in puncto Fairness ohnehin im Argen liegt. So bewerten 43 Prozent der befragten Manager das Vergütungssystem ihrer Firma als undurchsichtig; 38 Prozent beurteilen den Führungsstil als unkooperativ und nicht unterstützend.

Wo das Klima vorher gut war, wird jetzt enger zusammengerückt. Firmen aber, die Mitarbeiter immer schon zuerst als Kostenblöcke wahrgenommen haben, gehen jetzt besonders robust vor. So überrascht es wenig, dass sich auf den hinteren Plätzen im Fairness-Ranking einige alte Bekannte finden: 76 Prozent der Befragten schätzen die Telekom als "eher unfair" oder "sehr unfair" ein; die Spitzelkollegen von Deutscher Bahn und Schwarz-Gruppe (Lidl) kommen auf 64 und 62 Prozent Negativbewertungen.

Ganz am Tabellenende liegt Arcandor , von kaum 20 Prozent als fair bewertet. Der Konzern ächzt unter einem rigiden Sparprogramm und verordnete seinen Führungskräften und Vorständen jüngst einen "freiwilligen" Gehaltsverzicht von bis zu 30 Prozent. Im Herbst vergangenen Jahres mussten 60 Karstadt-Manager gehen; alle, beteuert das Haus, mit "einvernehmlichen Lösungen und marktüblichen Abfindungen". Tatsächlich hat Arcandor die rote Laterne wohl noch der Ära Middelhoff zu verdanken. "Die Spielräume waren extrem klein, ständig wurden neue Konzepte verlangt, aber kaum etwas umgesetzt", sagt einer, der entnervt hinwarf - wie viele andere Manager, die sich unter der Ägide Middelhoffs reihenweise verabschiedeten.

Keine krisenbedingte Trennungen von Führungskräften

Eine hohe Fluktuation unter Führungskräften ist ein klares Alarmsignal - das viele Unternehmen jedoch geflissentlich überhören. Auch weil sie glauben, dass die guten Leute ohnehin bleiben. Ein Missverständnis mit teuren Nebeneffekten: hohe Transaktionskosten, geringes Commitment, Betriebsklima im Keller. In Wahrheit verlassen Leistungsträger unfaire Unternehmen zuerst, weil sie die Wahl haben. "Deshalb bedeutet Fairness vor allem Verlässlichkeit", sagt Peter Rölz, geschäftsführender Partner der Frankfurter Arbeitsrechtskanzlei Ulrich Weber & Partner. "Bei Aufstiegswegen, Gehältern und auch bei Trennungen müssen Versprechen eingehalten werden."

In Deutschland wohnt die Verlässlichkeit in einem Naturschutzgebiet: Robert-Bosch-Platz 1, 70839 Gerlingen-Schillerhöhe. Beim Sieger im Fairness-Ranking gibt es Kässpätzle in der Kantine, graue Auslegeware beruhigt die krisenstrapazierten Sinne, und die Firmenpostille schmückt kein hipper englischer Titel, sondern sie heißt "Boschzünder".

Die Fluktuation bewegt sich bei unter 2 Prozent, die meisten Topmanager sind Hausgewächse. Krisenbedingte Trennungen von Fach- oder Führungskräften: keine. "Es wäre Unsinn, jetzt beim Know-how zu sparen", sagt Personalgeschäftsführer Wolfgang Malchow, selbst seit 30 Jahren in der Firma, "unsere langfristigen Strategien halten wir durch."

Das Ergebnis vor Steuern für das Jahr 2008 brach um rund 75 Prozent auf 942 Millionen Euro ein, 93.000 Mitarbeiter arbeiten bereits kürzer, außerhalb Deutschlands gab es Kündigungen. Doch Großprojekte wie das Entwicklungszentrum in Abstatt oder die Chipfabrik in Reutlingen stehen nicht zur Debatte. "Natürlich lässt sich Fairness nicht in Euro beziffern", sagt Professor Scholz, "aber wer sich in schwierigen Zeiten anständig verhält, ist langfristig erfolgreicher, weil die Motivation der Mitarbeiter stimmt."

Das geht allerdings nur, wenn alle mitziehen. Bei Bosch nennen sie das "Dialogkultur": Mitarbeiterbefragungen alle zwei Jahre, Bewertung von Führungskräften durch Untergebene, Gehälter werden im Markt gebenchmarkt und im Sprecherausschuss diskutiert, abweichende Meinungen sind bei Entscheidungen als "dissenting votes" ausdrücklich gewünscht. "Wir wollen nicht gängeln, die Leute sollen inhaltlich führen."

Der Wert des Anstandes

Vormache, nachmache, Akkord schaffe - die Zeiten seien auch am Band vorbei, meint Betriebsratschef Alfred Löckle. "Die Mitarbeiter sind viel besser über den Geschäftsverlauf informiert und in Entscheidungen eingebunden." Das zahlt sich aus, für beide Seiten. Als es um den Standort der neuen Fabrik für Windenergieanlagen ging, war Nürnberg im Gespräch - und das billigere Rumänien. Die Kostendifferenz reduzierten Betriebsrat und Management gemeinsam, sie ist noch da, aber viel kleiner, und Bosch hat in Nürnberg einige hundert Jobs erhalten. "Beide Seiten machten Zugeständnisse", sagt Löckle, "das war keine Pistole-auf-die Brust-Masche."

Seit Mitte 2008 ist der oberste Betriebsrat, grauer Vollbart, rote Krawatte, schwäbelnd, mit Malchow im ständigen Austausch über die Krise. Der Chefpersonaler wollte die reduzierten Arbeitszeiten gemäß Tarifvertrag, ohne Lohnausgleich. Löckle wollte möglichst früh Kurzarbeit, weil Arbeitsagentur und Konzern dann einen Großteil des entgangenen Nettos kompensieren. Harte Nachtverhandlungen, doch in "gegenseitiger Wertschätzung". Jetzt gibt es eine Rahmenvereinbarung, aber letztlich entscheidet jeder Standort selbst.

Und wo es Kurzarbeit gibt, gehen oft auch die Führungskräfte in der Fertigung früher heim, mit weniger Geld. Das Festgehalt der Manager bleibt gleich - doch geringere Boni können auch bei ihnen die Einkünfte um gut ein Viertel drücken. Das Murren darüber ist sehr verhalten, der Korpsgeist greift. "Das ist schlicht eine Frage von Solidarität und Anstand", sagt Malchow.

Anstand. Ein schönes Wort. Die Frage ist, welchen Wert es noch hat, heute, da Unternehmen Security-Mitarbeiter in die Schule schicken und die Kinder in Ungnade gefallener Führungskräfte zu den Reiseusancen des Papas befragen. Wo Taskforces in den Compliance-Abteilungen Spesenabrechnungen durchkämmen und Mitarbeiter über eventuelle Verfehlungen ihres Vorgesetzten ausfragen auf der Suche nach der Smoking Gun, die fristloses Feuern rechtfertigt. Wo Anwaltskanzleien wie Dr. Schreiner & Partner Seminare anbieten ("Kündigungsgrund: Auftragsrückgang"), in denen "Einflussnahmemöglichkeiten" auf die Sozialauswahl und "Vermeidung von Abfindungszahlungen" gelehrt werden. "Das Recht des Stärkeren liegt in der Natur einer jeden Sache", heißt es auf der Homepage. Kaum erstaunlich, dass ein Drittel der von der ULA Befragten der Aussage nicht zustimmen wollte, in ihrer Firma würden Alternativen zu und Unterstützung bei Trennungen "konstruktiv diskutiert".

Konfliktbeilegung entscheidend für Fusionserfolg

Im aktuell spektakulärsten Integrationsprozess der Republik hat sich die Commerzbank (Coba) vorgenommen, genau das zu tun: konstruktiv sein. Nach Übernahme der Dresdner (Dreba) fallen 9000 Jobs weg, 6500 davon im Inland. 1000 gelbe und grüne Banker wurden mit Integrationsaufgaben betraut. An der Fairness der Versuchsanordnung lässt Coba-Personalbereichsleiter Rainer Dahms keine Zweifel aufkommen: Alle Integrationsteams haben eine Doppelspitze, Topmanagementjobs wurden nach streng strukturierten Gesprächen vergeben, für schwierige Fälle wird es Outplacement-Angebote geben - das volle Gedeck also. "Hochgradig zufrieden" sei man bislang, sagt Coba-Personaler Dahms, "wir haben keine Spannungen".

Doch in der Dresdner Bank brodelt es. Mit Befremden registrierten die grünen Banker etwa die Mitteilung, man habe immerhin 40 Prozent der neu besetzten Managementposten auf der Ebene zwei den Dresdnern zugeschlagen. Unter den Tisch fiel dabei, dass diese Hierarchiestufe in der grünen Bank viel breiter besetzt war. Die Folge: Rund 80 Prozent der Ex-Ebene-zwei-Dresdner kamen nicht auf dem gleichen Level in der Coba an. Viele warten jetzt ohne konkrete Jobangebote auf den Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen im Sommer. Sicher ist: Neue Jobs für sie gibt es höchstens eine Stufe tiefer - dort droht die nächste Kandidatenschwemme.

Schon um die Besetzungslisten der zweiten Ebene sei "das Gerangel brutal gewesen", sagt ein Insider. "Wer es nicht schaffte, lebt nun in totaler Unsicherheit." Auch die Commerzbanker murren, vor allem mit Blick auf die vom Vorstand verkündete Streichung der Boni für 2008. Sie gilt für alle, außer für hochkarätige Dreba-Investmentbanker, die sich - schlau, schlau - ihre Millionenboni noch haben garantieren lassen.

Wie die Konflikte beigelegt werden, entscheidet letztlich auch über den Erfolg der Fusion. Denn eines macht die Bankenhochzeit klar: Fairness definiert sich nicht danach, ob entlassen oder gestritten wird. Sondern danach, wie Firmen mit den Streitpunkten umgehen.

Genau an diesem Punkt sieht Gerold Frick, um es vorsichtig zu formulieren, bei einigen Firmen noch ziemlich viel Luft nach oben. "Häufig sind Personaler nicht professionell genug, um die Krise mit fantasievollen Maßnahmen zu überstehen", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP). "Es verkauft ja auch kein Unternehmen seine Maschinen, nur weil sie gerade nicht ausgelastet sind."

Vorderer Plätze für BASF bei Unternehmenskultur

Die BASF, Zweitplatzierter des Rankings, hat derzeit Gelegenheit, sowohl mit nicht ausgelasteten Anlagen als auch mit kreativen Maßnahmen Erfahrung zu sammeln. Bei der Fahrt über das Ludwigshafener Werksgelände, über die Salpeter- und Sulfat-Straße, ist es überraschend ruhig, fünf Anlagen stehen allein hier still, 60 sind stark gedrosselt. Rund 2600 Beschäftigte an sieben deutschen Standorten sind in Kurzarbeit, weltweit sollen 1500 Arbeitsplätze wegfallen, wohl auch in Deutschland.

Seit Monaten stemmen sich Personalvorstand Harald Schwager und Betriebsratschef Robert Oswald gegen die Flaute: Arbeitszeitkonten wurden erweitert, Urlaube vorgezogen, Beschäftigte in auftragsstärkeren Bereichen eingesetzt. Mindestens einmal pro Woche besprechen sich die beiden, der Umgang ist locker, Oswalds fränkischer und Schwagers weicher Pfälzer Dialekt sorgen für eine entspannte Arbeitsatmosphäre. "Wir reden immer Klartext miteinander", sagt Schwager. Schon im November entwickelten sie einen Stufenplan, der exakt festlegt, welche Maßnahmen bei welcher Auslastung greifen sollen. Keineswegs Standard in der Chemiebranche, doch "wir waren uns einig, dass diese Prozesse früh entschieden und den Leuten erklärt werden müssen", sagt Oswald.

Über die Ergebnisse informierte Schwager 400 Manager persönlich, "alle Zahlen lagen offen auf dem Tisch". Oswald besprach den Plan mit den Vertrauensleuten; zusätzlich wurden die Mitarbeiter über Intranet und Handzettel am Werkstor auf den neuesten Stand gebracht. Beschwerden aus der Belegschaft hat er dazu kaum gehört.

Führungskräfte sind von der Kurzarbeit nicht betroffen; ein kurz diskutiertes Aussetzen der Gehaltserhöhungen für die außertariflich Beschäftigten ist vom Tisch. Lediglich bei den rund 400 obersten Managern werden die Bezüge in diesem Jahr nicht steigen. "Die Gespräche liefen sehr offen und vernünftig", sagt Rainer Nachtrab, Vorsitzender des Sprecherausschusses der leitenden Angestellten, "es herrscht ein großes Wir-Gefühl". Auch in der aktuellen Befindlichkeitsstudie des Verbands angestellter Akademiker und leitender Angestellter der Chemischen Industrie (VAA) belegt die BASF in puncto Motivation, Unternehmenskultur und Arbeitsbedingungen vordere Plätze.

Nur eine Handvoll Führungskräfte hat das Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren verlassen, keiner von ihnen verlor wegen der Krise seinen Job, und das soll so bleiben. Die Fluktuation liegt, wie bei Bosch, knapp oberhalb der Nachweisbarkeitsgrenze. Schwager: "Die Leute fangen hier an und bleiben meist ihr Leben lang." Auch weil sich nervenzerrüttende Debatten über Boni und Gerechtigkeit wie bei den Banken hier von selbst erledigen: Vom Vorstand bis zum Schichtarbeiter orientiert sich die Erfolgsbeteiligung am selben Kriterium - der Gesamtkapitalrendite. So sorgten die ambitionierten Ziele, die straffere Gangart, die BASF-Primus Hambrecht dem Konzern verordnete, nicht für Unmut. "Mittelmäßige Ziele helfen niemandem", sagt Schwager. "Wenn das Umfeld stimmt, bringt doch jeder gern Leistung."

Lange Zeit sah man das auch bei SAP so. Der einstige Kultarbeitgeber mit Wohlfühlatmosphäre führt derzeit vor, wie schnell in Krisenzeiten das Kuscheln der Rendite weichen muss.

Trotz einer Umsatzrendite von rund 28 Prozent im Jahr 2008 sollen weltweit 3000 Stellen wegfallen, betriebsbedingte Kündigungen hierzulande nicht ausgeschlossen. Die Methoden, klagen Insider, seien nicht die feinsten: Sogenannte Minderleister würden gezielt angesprochen, von "Unmenschlichkeit" ist in einer internen Mail die Rede. SAP-Chef Léo Apotheker, denken viele, möchte ein Signal nach innen senden - niemand soll sich mehr sicher fühlen.

Ein Kulturwandel mitten in der Krise

Es ist ein Kulturwandel, der sich so oder ähnlich noch in vielen Firmen abspielen kann. Je größer der wirtschaftliche Druck, desto stärker leiden Fairness und Kultur. Immerhin: Das Mittagessen in der Software-Schmiede bleibt kostenlos. Vorerst.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.