Mangelhafte Recruiting-Prozesse

Arbeitgeber übersehen die beste Bewerbung

10.07.2018 von Hans Königes
Viele Arbeitgeber haben noch nicht verinnerlicht, dass Fach- und Führungskräfte mit gewissen Qualifikationen begehrt sind – zumindest verhalten sie sich nicht so, kritisiert Personalberater Alexander Walz im Gespräch.

Sie empfehlen Unternehmen, ihre Prozesse bei der Personalsuche und -auswahl zu überdenken. Warum?

Alexander Walz ist Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Conciliat GmbH aus Stuttgart, die auch Niederlassungen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main und München unterhält.
Foto: Conciliat GmbH

Alexander Walz: Weil sie nicht wirken. Wenn Unternehmen heute eine Stellenanzeige schalten, dann bewirbt sich aufgrund des Fach- und Führungskräftemangels oft nur eine Handvoll Leute mit der gewünschten Qualifikation. Oft meldet sich gar kein Bewerber, der den Anforderungen entspricht.

Haben sich die Unternehmen in ihren Einstellungsverfahren nicht auf die Personalknappheit eingestellt?

Alexander Walz: Nicht immer. Oft gehen sie noch vor wie in der guten alten Zeit: Sie schalten eine Stellenanzeige und sammeln dann drei Wochen Bewerbungen ein. Danach sichten die Verantwortlichen die Unterlagen, um zu entscheiden, wen sie zum Vorstellungsgespräch einladen. Dann läuft die erste Gesprächsrunde, die drei bis vier Wochen dauert, dann die zweite … und, und, und. Danach sind die Firmen überrascht, wenn der Bewerber sagt: "Tut mir leid, ich habe woanders unterschrieben."

Recruiting: Die 10 Schritte des optimalen Auswahlprozesses
1. Bedarfserkennung und Formulierung
Der gesamte Prozess startet, wenn das Unternehmen eine Vakanz erkennt und formulieren kann, wen es sucht. Dabei sollte gegebenenfalls der Betriebsrat hinzugezogen werden.
2. Profilbestimmung
Soll die Belegschaft homogen gehalten werden, was das Führen einfacher macht, oder heterogen sein, um durch neue Blickwinkel und Perspektiven die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu steigern - solche Fragen sind zu klären.
3. Marktbearbeitung
Ob die Personalsuche über digitale und mobile Kanäle erfolgt oder als ganz klassische Stellenanzeige - sie muss zu potenziellen Bewerbern passen. Grundsätzlich sagen Stellenausschreibungen immer auch etwas über das Unternehmensimage aus.
4. Kandidateninformation
Busold rät von schwammigen Formulierungen wie "managementerfahren" ab. Besser seien konkrete Anforderungen wie "nachweisbare Erfahrung in der Führung von Teams mit fünf bis sieben Mitarbeitern".
5. Kandidatenauswahl zum Gespräch
Bei Vorstellungsgesprächen sollten Entscheider bedenken, dass Bewerber Multiplikatoren sind. Sie können Kunden oder Konsumenten sein - und jetzt abgelehnte Bewerber zu einem späteren Zeitpunkt eben doch "der Richtige".
6. Zweites Gespräch/Assessment Center
Im Rahmen eines Assessment Centers testet das Unternehmen das Verhalten der Kandidaten in verschiedenen Situationen. Hier sollen Verhaltensweisen und Sozialkompetenzen deutlich werden.
7. Einstellungsprozess/Vertragsverhandlung
Mit der Einstellung und dem unterschriebenen Vertrag ist der Prozess noch nicht zu Ende. Der Vertrag stellt lediglich einen Zwischenschritt dar.
8. Onboarding-Prozess
Im Onboarding-Prozess geht es darum, neue Mitarbeiter so gut wie möglich in das Team zu integrieren. Ziel ist immer die Bindung guter Mitarbeiter.
9. Tag des Starts
Kommt der neue Mitarbeiter an seinem ersten Tag ins Unternehmen, müssen folgende Dinge geregelt sein: Schreibtisch, Laptop, Handy, Visitenkarten und Passwörter. Die anderen Mitarbeiter sollten informiert sein. Der Vorgesetzte nimmt den Neuen unter seine Fittiche und führt ihn durch die Firma.
10. Die ersten sechs Monate
Das Unternehmen sollte einen Fahrplan für die ersten sechs Monate des neuen Mitarbeiters erstellen. Dem Neuen sollte ein erfahrener Kollege als Mentor zur Seite stehen.
Tipps von Matthias Busold, Kienbaum
Matthias Busold ist Principal beim Personalberater Kienbaum. Den optimalen Auswahlprozess eines Bewerbers unterteilt er in zehn Schritte.

Dass gute Kandidaten meist mehrere Optionen haben, darf man doch inzwischen als bekannt voraussetzen.

Alexander Walz: Die Firmen gestalten aber ihre Personalsuch- und -auswahlprozesse nicht so, dass sie die Topkandidaten finden. Dazu gehört auch, dass ich zum Beispiel ein Vorstellungsgespräch mit einem Kandidaten, den ich von einem anderen Unternehmen loseisen möchte, auch mal an einem Wochenende führe oder ihn nach Feierabend auf halbem Weg treffe. Diesbezüglich müssen Firmen flexibler werden.

Wo müssen Firmen noch flexibler werden?

Alexander Walz: Bei der Bezahlung und Arbeitsvertragsgestaltung; außerdem bei den Anforderungen an den künftigen Mitarbeiter. Die eierlegende Wollmichsau, die sich Unternehmen zuweilen immer noch wünschen, gibt es nun mal nicht.

Zugleich beklagen jedoch Großunternehmen, die ein gutes Image als Arbeitgeber haben, sie würden mit Bewerbungen überschwemmt.

Alexander Walz: Das stimmt. Wenn es um das Besetzen von Trainee-Stellen, Stellen für Bürofachkräfte, aber auch Betriebswirte geht, werden diese Unternehmen mit Initiativbewerbungen geradezu überflutet. Denn jeder zweite Stellensucher denkt: Ich bewerbe mich auch mal bei denen - das kostet mich ja nichts außer Zeit.

Bewerber hingegen klagen, dass sie für ihre Unterlagen oft nur eine automatische Eingangsbestätigung erhalten und dann nie mehr etwas von dem Unternehmen hören.

Alexander Walz: Ja. Teilweise ist dieses weitgehend automatisierte Bearbeiten der Bewerbungen aufgrund der Bewerberflut verständlich. Das Problem ist nur: Nicht selten sind unter den Initiativbewerbungen echte Perlen, die bei einer Bearbeitung nach Schema F übersehen werden. Immer wieder hören meine Beraterkollegen und ich, wenn wir eine Person wegen einer vakanten Stelle bei einem Unternehmen ansprechen: "Bei denen habe ich mich doch vor Kurzem erst beworben und erhielt ratzfatz ein Standardschreiben als Absage."

Warum tun sich Firmen manchmal so schwer damit, qualifizierte Kandidaten zu erkennen ?

Alexander Walz: Die Sachbearbeiter, die Bewerbungen bearbeiten, wissen oft nicht, was das Unternehmen grundsätzlich braucht - sie kennen nur die aktuell vakanten Stellen. Außerdem können sie bei Spezialisten die Kompetenz der Bewerber nicht einschätzen, weil ihnen hierfür das Know-how fehlt. Eine weitere Ursache sind die stark standardisierte Eingabemasken für die Bewerberdaten auf den Websites mancher Unternehmen.

So klagen Spezialisten häufig, dass sie das, was den Wert ihrer Arbeit ausmacht, in den Masken gar nicht zum Ausdruck bringen können. Zumindest für hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte sollten auch die klassischen Bewerbungen, und sei es nur per E-Mail, zugelassen werden. Auch diesbezüglich sollten Unternehmen ihre Prozesse überdenken.

Die Top 10 Recruiter der IT-Unternehmen
Die zehn besten Recruiter Deutschlands
Erfolgreiches Rekrutieren ist gar nicht so einfach. Mehr als 500 deutsche Unternehmen wurden für die Studie "Best Recruiters" untersucht. Abgeklopft wurden die Aspekte Bewerberfreundlichkeit und -Feedback, und die Karrierewebseiten und Stellenanzeigen wurden hinsichtlich verschiedener Kategorien bewertet. Im Branchenranking IT/ Software/ Telekommunikation schnitten die folgenden zehn Firmen am besten ab.
Platz 10: 1&1 AG
Das Telekommunikationsunternehmen landet auf Platz 10. Von den untersuchten 500 Unternehmen ist die 1&1 AG auf Platz 199 insgesamt.
Platz 9: Vodafone GmbH
Die wesentlich größere Vodafone GmbH hat in Sachen Rekrutierung wohl noch Nachholbedarf. Mit einer Gesamtplatzierung von 188 macht das Unternehmen im Branchenranking nur Platz 9.
Platz 8: Telefónica Germany GmbH & Co. OHG
Konkurrent Telefónica schneidet nur unwesentlich besser ab: Platz 8 im Branchenranking und Platz 179 für das Telekommunikationsunternehmen.
Platz 7: Wincor Nixdorf International GmbH
Der Anbieter von IT-Lösungen landet auf Platz 7 im Branchenranking - und auf Platz 156 im Gesamtranking.
Platz 6: IBM Deutschland GmbH
Ein wenig weiter vorn liegt die deutsche Vertretung des IT-Riesen IBM mit Platz 142 im Gesamtranking. Das bedeutet Platz 6 im Branchenranking. Doch zu Platz 5 ist es ein weiter Weg.
Platz 5: Fujitsu Technology Solutions GmbH
Denn Fujitsu, auf Platz 5 im Branchenranking, hat es knapp unter die Top 100 geschafft. Auf Platz 100 liegt der Technologiekonzern. Ein großer Schritt ist es ebenfalls zu Platz 4...
Platz 4: Deutsche Telekom AG
... wo die Telekom sich niedergelassen hat. Das Telekommunikationsunternehmen ist auf Platz 78 der besten Recruiter Deutschlands.
Platz 3: Software AG
... die Software AG, die es unter die Top 50 besten Recruiter Deutschlands geschafft hat. Platz 48 für den Softwarehersteller.
Platz 2: E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG
Die anderen Telekommunikationsunternehmen hat E-Plus weit hinter sich gelassen: Platz 20 für die Düsseldorfer.
Platz 1: Bechtle AG
Der IT-Konzern aus Neckarsulm ist der beste Recruiter in seiner Branche. Auch insgesamt kann sich der IT-Dienstleister mit seinen Recruitingbemühungen sehen lassen: Platz 12 in der Gesamtwertung.