IT-Image aufwerten

Auf dem Weg zur Akzeptanz

17.04.2007 von Andreas Schmitz
Vom Assistenten mit Drucker-Problem bis zum Vorstand mit Blackberry-Wunsch: Das Spektrum der IT-Jobs ist so vielfältig wie das Gemotze interner Kunden. Das Image der IT ist in den meisten Unternehmen so schlecht, dass CIOs jetzt reagieren.

Die Reorganisation der IT war komplett abgeschlossen, die IT-Architektur und -Strategie definiert, die ITIL-Einführung bewältigt. Über ein Portfolio-Management-System ließen sich Projekte gewichten und deren Status transparent machen. Und trotzdem bekam der CIO der Dekabank Gottfried Wegenast (50) immer wieder Anrufe von Kunden, die sich beschwerten – über das Intranet, über miesen Service und unverständliche Software. Der gelernte Bänker verstand die Welt nicht mehr: „Wir hatten doch alles getan, um die IT optimal aufzustellen.“

Dieser Fall zeigt stellvertretend für viele Unternehmen, dass das Image der IT inzwischen einen hohen Stellenwert bekommen hat. „Mehr als die Hälfte der Unternehmen haben bereits Kundenzufriedenheits-Umfragen gemacht, die eine Stabsstelle unterhalb des CIOs konzipieren“, beobachtet Steffen Böhm. Der Berater Business und Information Strategy beim Berliner Beratungshaus Capgemini hat erst kürzlich mit mehr als 20 CIOs über deren Business- und IT-Strategie gesprochen. IT-Verantwortliche möchten nicht länger diejenigen sein, denen man die Aufgaben über den Zaun wirft, wie es der Leiter Information Management Matthias von Bechtolsheim von AD Little ausdrückt. Deka-Mann Wegenast gibt unumwunden zu, dass ihm die Position als „oberster User-Help-Desk“ zuletzt nicht sonderlich gefallen hat.

Doch ist er anders vorgegangen als etwa CIO-Kollege Clemens Keil vom Münchener Bremsenspezialisten Knorr-Bremse, der eine umfassende Befragung im Unternehmen gemacht hat und letztlich Antworten von 2700 Mitarbeitern auswertete. Wegenast wollte seine Mitarbeiter nicht mit einer umfassenden Umfrage behelligen: „Es gibt eine regelrechte Überflutung der Mitarbeiter mit Umfragen.“ Deshalb hatte der Bänker die Befürchtung, dass zu wenig Mitarbeiter daran teilnehmen würden. Stattdessen pickte sich der Projektleiter für die Helpdesk-Optimierung Stefan Böhm 40 der „kritischsten User“ heraus – einerseits die anspruchsvollsten Kunden, andererseits die größten Kritiker. „Wir wollten wissen, wer wo und in welcher Form aufschlägt“, erläutert Wegenast, der letztlich herausfinden wollte, wer die Imagetreiber und die Imageträger sind – sprich: wie das Image der IT entsteht.

Die Befragung übernahm aufgrund der nötigen Neutralität niemand aus dem IT-Bereich, sondern die externe Beraterin Ulrike Metzger, die sich auf IT-Marketing spezialisiert hat.

Einstündige Gespräche mit Kritikern

„Von den kritischsten Anwendern kann man am meisten lernen“, sagt die Beraterin aus Hofheim. „Sie wissen, welche Prozesse nicht stimmen, warum die Beschaffung zu lange dauert oder warum den Artikelkatalog keiner versteht.“ Statt der angesetzten 30 Minuten dauerten die meisten der unter vier Augen geführten Gespräche schließlich bis zu einer Stunde. „Den Kunden ist es ein Bedürfnis, über die Probleme zu reden“, beobachtet der 41-jährige Böhm, der seit Ende 2005 den User Helpdesk bei der Dekabank leitet.

Das hat auch Uta Hahn festgestellt: „Kunden emzpfinden es als gut, befragt zu werden“, so die Kommunikationsspezialistin, die unter anderem für Knorr-Bremse, EnBW und Siemens Umfragen gemacht hat. Ihr Anliegen ist es, möglichst viele Unternehmen in einem Pool zusammenzufassen und daraus schon bald einen Unternehmensvergleich möglich zu machen.

Wie Metzger schätzt Hahn die offenen Fragen in dem 20-minütigen Fragenkatalog: „Hier stehen die ehrlichsten Antworten.“ Während in den Standard-Frageblöcken eine Bewertung zwischen 1 und 5 abgegeben werden muss, sind Mitarbeiter hier aufgefordert, ihre Bemerkungen loszuwerden – quasi als anonymer Vorschlags- und Meckerkasten. Eine wichtige Erkenntnis aus den Antworten: „Soft Skills sind den internen Kunden fast genauso wichtig wie Hard Skills“, sagt die Wirtschaftsinformatikerin Hahn. Da wurden auf der einen Seite PC-Schulungen für den IT-Support dringend angemahnt, auf der anderen Seite aber auch bemängelt, dass Hotline-Mitarbeiter einem nicht-IT-affinen Mitarbeiter einfach nicht die Lösung vermitteln können.

Diese Art Beschwerden kannte Dekabank-IT-Manager Wegenast noch von eigenen Telefonaten: Da hat die IT über etwas informiert, aber keiner hat es verstanden. Da benötigt jemand sofort die Benutzerberechtigung. Besonders beliebt war die Aussage: „Ich könnte das kleine Problem ja selbst beheben, aber das darf ich ja nicht, weil es ausgelagert ist.“

Vorstand fordert zufriedene Kunden

Die Anrufe aus dem Top-Management des Unternehmens war der Dekabank-Manager Wegenast schon bald leid: „Uns war klar, dass mit dem Image der IT etwas nicht stimmte“, erläutert er den Ausgangspunkt. „Deshalb wollten wir wissen, wie das Image im Bereich IT/Org bei der Dekabank geprägt wird.“ Anfang 2005 entstand der Vorstandsauftrag Kundenzufriedenheit als eines der Hauptziele für die IT. In einem entsprechenden Arbeitskreis treffen sich unter der Leitung der Change-Managerin Carolin Muth-Breitenbach (35) Manager aus IT und Fachbereichen, um das Thema voranzutreiben. Muth-Breitenbach spricht von einer „nötigen Kulturveränderung“. Dazu gehöre, freundlicher mit dem Kunden umzugehen, vom Bürokratie-Image wegzukommen, und auch für die Führungskräfte, diese Kundenorientierung vorzuleben.

Dem IT-Chef der Frankfurter Investment-Bank wurde schnell klar: „Ich habe immer gedacht, dass Kundenzufriedenheit ein Produkt sei“, so Wegenast, „aber das ist nicht so.“

Das ist ein Missverständnis, das die Beraterin Metzger bereits kennt: „Die IT-Organisationen bieten etwas an, der Kunde wird gar nicht gefragt“, beobachtet die Helpdesk-Kennerin in vielen Unternehmen. Eigentlich sollten sich die Prozesse am Bedarf orientieren. Das tun sie allerdings zu 90 Prozent nicht.“

Heute weiß Wegenast, der sich selbst als „Durch-und-Durch-IT-ler“ bezeichnet, dass „mehr Kundenadaption nötig ist als gedacht“. Die Konsequenz: Wegenast steuert den Kundenprozess nun und überlässt den Kunden nicht mehr „der Übergabekette der diversen ITIL-Prozessschritte zur Lösung von Problemen und Anforderungen“.

In der Klage-Hitliste der Mitarbeiter rangiert das Outsourcing-Problem ganz vorne: Anfragen an externe Service-Provider verschwinden spurlos im Bermudadreieck zwischen Unternehmens-IT, Fachbereich und Outsourcer. Auf Platz zwei: die Beschaffungsprozesse. „Viele kamen mit dem elektronischen Bestellprozess nicht zurecht“, erläutert der Leiter der Bürokommunikation bei der Dekabank Böhm. Das SAP-Modul war nicht selbsterklärend, was für viel Unmut sorgte. Schließlich beklagten sich die 40 kritischsten Nutzer besonders über den User-Helpdesk, der zu oft nicht erreichbar war.

Brüten über 40 Stunden Interviews

Ganz pragmatisch starteten die Frankfurter Investment-Banker der Deka ihre Aufholjagd in Sachen Kundenzufriedenheit: Man brütete über knapp 40 Stunden Interviewmaterial und synthetisierte Imageträger und Imagetreiber, Wirkungskreise und Wirkungsketten (siehe Seite 59) und definierte zusammen mit den zehn Helpdesk-Mitarbeitern im Rahmen eines Workshops sieben Aktivitäten-Cluster. „Wir fanden 40 Optimierungspunkte, die wir dann in die verschiedenen Cluster eingeteilt haben“, so Dekabank-Manager Böhm. Das wochenlange Nachdenken mündet schließlich in sieben Service-Commitments, denen sich die IT ab sofort verschrieben hat (siehe oben).

Heute ist der User Helpdesk zwischen 7.30 Uhr und 18 Uhr zuverlässig besetzt, zudem übernimmt einer der Mitarbeiter danach einen telefonischen Bereitschaftsdienst. Die bisherige Hotline-Nummer mit den Zahlen 1357, die sich einige Mitarbeiter nur schwer einprägen konnten, ersetzte CIO Wegenast durch die 2222, die sich nun wirklich jeder merken kann.

Unzufriedene Kunden werden VIPs

„Plötzlich war die Nummer positiv besetzt“, bemerkt Helpdesk-Mann Böhm. Was an zweierlei anderen pragmatischen kleinen Veränderungen lag:

– Wer ein Ticket bekam und mit der Unterstützung durch den Helpdesk nicht zufrieden war, also in einem „Helpdesk Call“ angab, nicht zufrieden zu sein, wurde sofort in den sogenannten VIP-Status gehoben. Den gab es auch schon vorher, allerdings nur für Vorstände und verschiedene Führungskräfte. „Dann hat das Ticket Management-Aufmerksamkeit und wird von einem dedizierten Mitarbeiter bearbeitet“, erläutert Helpdesk-Chef Böhm, dessen Team täglich etwa 250 Anrufe entgegennimmt. Wenn seine Mitarbeiter also Aufgaben schludrig erledigen, bekommt der Vorgesetzte das gleich mit. Die Konsequenz: Im Vergleich zum Januar 2006 stieg die Erreichbarkeit des Helpdesks von 74,5 auf 82 Prozent im Dezember. Die „Sofortlösungsquote“ stieg im gleichen Zeitraum von 78 auf über 90 Prozent.

– Fatiha Bouthiba übernahm die Beratung für den elektronischen Bestellprozess (EBP). Und ab sofort fühlten sich die Mitarbeiter nicht mehr allein gelassen mit ihren Problemen und hatten eine zuverlässige und kompetente Beraterin in Sachen EBP an ihrer Seite. „Sie ist innerhalb der Dekabank inzwischen schon zur Berühmtheit geworden“, bemerkt Böhm.

Und schon steigt die Sympathie für die IT durch einfache Lösungen, die allerdings zusätzlich durch Schulungen der Helpdesk-Mitarbeiter unterstützt wurden. Der Coup mit der persönlichen Bestellberaterin Fatiha Bouthiba hat der IT jedenfalls erheblich mehr Sympathien eingebracht als die gesamte Reorganistion der IT, die Wegenast das Hundertfache der Zeit gekostet haben dürfte.