E-Government in der EU

Aus Bürgern und Unternehmen werden Kunden

23.08.2006 von Andreas Schaffry
Die meisten EU-Länder haben in den vergangenen beiden Jahren ihre E-Government-Angebote deutlich ausgebaut. Der Online-Datenaustausch zwischen Behörden und Wirtschaft sowie zwischen Behörden und Bürgern hat sich dadurch deutlich verbessert. Das am weitesten entwickelte europäische Land beim E-Government ist Österreich, gefolgt von Malta und Estland. In Deutschland hingegen stagniert der Ausbau von Online-Angeboten der Behörden. Das geht aus einer europaweiten Umfrage der IT- und Management-Beratung Capgemini hervor.

Die Verbreitung von Online-Dienstleistungsangeboten bei Behörden im Internet in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sowie Island, Norwegen und der Schweiz hat gegenüber 2004 um zehn Prozentpunkte zugelegt. Damit sind im Durchschnitt 75 Prozent des maximal möglichen Online-Umsetzungsgrades erreicht. Laut Capgemini ist so erstmals die Stufe der so genannten Zwei-Wege-Interaktion erreicht, die den Datenaustausch zwischen Behörden und Wirtschaft sowie zwischen Behörden und Bürgern ermöglicht.

Knapp die Hälfte aller Online-Angebote von Behörden können inzwischen sogar vollständig über das Internet abgewickelt werden. Das bedeutet gegenüber 2004 ein plus von acht Prozentpunkten. Während in den alten EU-Mitgliedstaaten die Online-Fähigkeit um rund sechs Prozent zulegte, stieg diese in den zehn neuen EU Mitgliedsstaaten rasant um 16 Prozentpunkte.

Österreich vorn, Deutschland fällt ab

Bei den untersuchten E-Government-Angeboten ist das am weitesten entwickelte europäische Land Österreich, gefolgt von Malta und Estland. Österreich verdankt laut Capgemini seine führende Position dem konsequenten Ausbau der E-Government-Services auf der Grundlage einer klaren Strategie und Vision. So werden Emissionsberichte an die EU-Behörden über ein Online-Portal des Bundesumweltamtes vollständig elektronisch abgewickelt. Eine Bürgerkarte mit elektronischer Signatur und digitalem Zertifikat vereinfacht Verwaltungsvorgänge. Innerhalb der nächsten beiden Jahre will beispielsweise die österreichische Bundesbeschaffungs-Gesellschaft auch ein zentrales Procurement-Portal einführen.

Deutschland legte zwar bei der Umsetzung von E-Government-Projekten ebenfalls zu, ist aber gegenüber 2004 im Ländervergleich um einen Platz zurückgefallen (Platz 19). Trotz viel versprechender Ansätze tritt Deutschland in Sachen E-Government mittlerweile auf der Stelle. Die deutsche Politik sehe E-Government offenbar vorwiegend als Kostenfaktor, nicht aber als Wirtschaftsfaktor und treibt das Thema kaum voran, so die unverblümte Kritik von Capgemini. Bestes Beispiel ist die Initiative "Deutschland Online", welche die nationalen Initiativen zwischen Bund, Ländern und Kommunen bündeln soll. Es fehlen den Beratern zufolge sowohl finanzielle als auch personelle Ressourcen, um diese Aufgaben durchzuführen.

Intelligente Lösungen

Die Online-Angebote der Öffentlichen Hand für Unternehmen (85 Prozent Umsetzungsgrad) sind besser ausgebaut als die für Bürger (68 Prozent Umsetzungsgrad). Noch deutlicher wird dies beim Anteil vollständig online-verfügbarer Dienste. Dort sind zwei Drittel der untersuchten Leistungen für die Wirtschaft vollständig elektronisch verfügbar, jedoch nur ein Drittel der Serviceangebote für Bürger.

Die am weitesten fortgeschrittenen Länder konzentrieren sich nicht mehr darauf, nur Services bereitzustellen. Sie entwickeln - wie Österreich - zunehmend intelligente Lösungen, die sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren, weniger an gewachsenen Behördenstrukturen. Mittelfristig erwartet Capgemini, dass die Qualität der Leistungen im E-Government steigt und sich durch eine behördenübergreifende Bereitstellung erhebliche Synergien erschließen lassen, was Kosten senkt.

Die Management- und IT-Beratung Capgemini führte die Studie "Online Availability of Public Services: How Is Europe Progressing?" im Auftrag der Europäischen Kommission durch. Untersucht wurden 20 von der EU definierte Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen, die über mehr als 12.500 Internetadressen angeboten werden. Dazu gehören für Bürger unter anderem elektronische Steuererklärung, Online-Jobsuche sowie die elektronische Registrierung von Autos. Für Unternehmen sind es beispielsweise die elektronische Umsatzsteuervoranmeldung, die Neuanmeldung eines Geschäfts (z.B. im Handelsregister) oder öffentliche Online-Ausschreibungen.