Absatzrückgang

Autobauer sehnen Ende der Krise in Europa herbei

17.07.2013
Die Fahrt bergab wird ein wenig flacher - aber weiter nach unten geht es trotzdem. Europas Automarkt liegt nach wie vor am Boden. Da sind schon kleinste Positivnachrichten etwas wert. Etwa die, dass das Minus etwas nachlässt.

Längst sind es die Strohhalme, an die sich die Branche klammert. Der Autoabsatz in Westeuropa geht zwar weiter zurück - aber nicht mehr so stark wie noch vor ein paar Monaten. Die Talsohle scheint erreicht zu sein. Allerdings: Es dürfte Jahre dauern, bis Europas Automarkt zurückgefunden hat zu alter Stärke. Die Folge sind teure Überkapazitäten und eine Rabattschlacht, die an den Renditen der Autobauer zehrt. Wer wie die meisten deutschen Autobauer die Rückgänge nicht mit satten Zuwächsen in Übersee kompensieren kann, hat massive Probleme.

Die nackten Zahlen sehen weiter trübe aus: Im Juni gingen die Pkw-Neuzulassungen in der EU nach Angaben des Branchenverbandes Acea um 5,6 Prozent auf 1,13 Millionen Autos zurück, im ersten Halbjahr steht ein Minus von 6,6 Prozent auf 6,2 Millionen Fahrzeuge. Immerhin: Im ersten Quartal noch lag das Minus bei fast zehn Prozent. "Das scheint anzudeuten, dass der Absatz in Westeuropa womöglich angefangen hat, die Talsohle zu erreichen", kommentierte der Branchendienst IHS Automotive am Dienstag, schränkte aber zugleich ein: "Das ist, nebenbei bemerkt, nicht dasselbe wie zu sagen, der Absatz sei schon dabei sich zu berappeln."

2012 hatte die Krise um die staatsschuldengeplagten Euro-Länder vor allem in Südeuropa den Absatz neuer Autos auf dem Kontinent auf den niedrigsten stand seit 17 Jahren einbrechen lassen. Es gab bereits schmerzhafte Einschnitte. Der französische Autobauer PSA Peugeot Citroën - nach Europas Branchenprimus Volkswagen die Nummer zwei - streicht tausende Stellen und macht ein Werk dicht. Auch Renault hat gewaltig zu kämpfen. Die US-Riesen Ford und GM schrieben bis zuletzt Verluste in Europa und wappneten sich beide mit Werksschließungen und Jobverlusten. Fiat aus Italien hat anhaltend nur dank seiner US-Tochter Chrysler Oberwasser.

Branchenexperten sind sich einig, dass die Durststrecke bald auch deutsche Autobauer zum Jobabbau treibt. "Alle Daten deuten darauf hin, dass die Krise in Europa lang anhalten wird. Vor dem Jahr 2020 wird sich Europa nicht mehr auf sein altes Niveau bewegen", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen. In Südeuropa sei es so schlimm wie seit mehr als 40 Jahren nicht mehr. Aussichten auf rasche Besserung fehlten: "Aus der großen Hoffnung für das zweite Halbjahr wird nichts. Die Lage bleibt angespannt und sehr ernst. Produktionskürzungen, Abbau der Arbeitszeit und Kurzarbeit stehen auf der Agenda."

Zwar sei absehbar, dass der Markt die ganz großen Rückgänge um zehn Prozent und mehr wohl hinter sich habe, sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. "Aber der Sinkflug wird damit ja nur ein bisschen flacher. Wir müssen doch sehen, wo wir damit stehen und von welchem Niveau wir kommen". Eine gewisse Erholung mit Nachholbedarf stehe natürlich irgendwann an. "2014 wird der Krisenumschwung aber nicht kommen." Die Wende sei eher Thema für das Jahr 2020 als für 2015.

Auch Deutschland, im vergangenen Jahr noch ein stabiler Markt, ist auf Neuwagendiät. Im ersten Halbjahr sanken die Pkw-Neuzulassungen um 8,1 Prozent. Die Autobauer reden unisono von großen Risiken in Europa. Mit Spannung erwartet werden die nächsten Halbjahresbilanzen von VW, BMW und Daimler - die verraten werden, wie sehr ihnen Europa das Tempo nahm und wie sich dies auf die Ertragskraft auswirkt.

Denn der Heimatkontinent gilt für die Autobauer als Margenbringer. Alleine 30 Prozent der Neuwagen im wichtigsten EU-Markt Deutschland gehen nach Angaben Dudenhöffers auf Eigenzulassungen der Autobauer und -händler zurück. Diese werden dann als Absatzstütze mit hohen Rabatten in den Markt gedrückt.

Angesichts der Krise seien Stellenverluste programmiert. "Die Zahl von heute 750 000 Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie wird bis zum Jahre 2015 um gut 15 000 sinken", sagt Dudenhöffer. Allein das Aus des Bochumer Opel-Werkes bringe 4000 Menschen um ihren Job. Bratzel bekräftigt: "Die zentrale Frage ist, inwieweit die bisherigen Maßnahmen ausreichen, um über die nächsten Monate zu kommen." (dpa/rs)