Berater empfehlen aktives Anzapfen von Informationsquellen

Beim Data Management fehlt die Strategie

14.05.2010 von Werner Kurzlechner
Die Defizite im Data Management sind nach wie vor groß - von der Datenqualität bis zur Analyse der relevanten Informationen. Wer hier Nachholbedarf hat, sollte sich sputen - denn die nächste Stufe der Business Intelligence (BI) wartet bereits: Das strategische Sammeln von Daten auf allen denkbaren Ebenen.
Die Datenflut schwappt immer höher. Wer eine Strategie hat, kann ihr entspannt entgegen sehen.
Foto: MEV Verlag

Umsätze und Gewinne schwanken, Geld ist ein knappes Gut. Aber das größte Kapital eines Unternehmens gleicht einem Fluss, dessen Pegel ständig steigt: die unaufhörlich wachsende Fülle von Daten und Informationen und das Wissen, das sich daraus generieren lässt. Das Kanalisieren der Datenflut, also die effiziente Steuerung und Analyse, ist für viele Firmen gleichwohl noch immer eine unbewältigte Herausforderung. Die Unternehmensberatung Business & Decision geht sogar noch einen Schritt weiter und kritisiert, es fehle weithin ein strategischer Ansatz zum Wissensmanagement. Unternehmen müssten dazu übergehen, sich konsequent für ihre Geschäftsziele hilfreiche Daten zu verschaffen.

Wie eine Vielzahl von Studien zeigt, haben die Firmen aber schon mit der Auswertung der vorhandenen Daten jede Menge zu tun. Die Sicherstellung einer hohen Qualität der Daten, die Integration von Stammdaten und die zielgerichtete Analyse gelingen in vielen Fällen nicht. So kam kürzlich eine IBM-Studie zu dem Ergebnis, dass in 53 Prozent der Firmen Manager wichtige Entscheidungen noch weitgehend im Blindflug treffen. Eine klare Sicht auf organisationsübergreifende Daten und Informationen und eine exakte Auswertung fehlen.

Das Hamburger Beratungshaus Novem Business Applications fand heraus, dass sich die Entscheider nach wie vor mehrheitlich auf ihr Bauchgefühl verlassen. 51 Prozent sagten, sie hätten vor allem mit intuitiven Entscheidungen richtig gelegen. Nur 42 Prozent sammelten gute Erfahrungen mit faktenbasierten Entscheidungen. Dass sich laut Novem-Studie 70 Prozent nach geringerer Komplexität der Informationen sehnen, zeigt das Ausmaß der Unsicherheit. Trotz hoher Investitionen in Reporting- und Analyse-Tools fühlt sich lediglich ein Viertel der Manager bei Business-Entscheidungen fast immer sicher.

Dass die Schwierigkeiten in diesem Bereich auch vor den größten Unternehmen nicht Halt machen, zeigt eine Umfrage von Forbes Insight unter 200 Managern in Firmen mit mehr als 500 Millionen US-Dollar Umsatz. An Problembewusstsein mangelt es dabei nicht: Vier Fünftel der Befragten stimmen der Aussage zu, dass schlechte Datenqualität zu teuren Fehlentscheidungen der verantwortlichen Entscheider führt. Die Mehrheit dieser Unternehmen beziffert den jährlichen Schaden durch Mängel im Data Management auf mehr als 5 Millionen US-Dollar.

Die Frage des Data Ownership ist offenbar eine der zentralen Ursachen der Qualitätsprobleme. 79 Prozent der befragten IT-Manager sehen sich selbst in der Verantwortung für die Datenqualität, aber 74 Prozent der Finanz-, Verkaufts- und Marketingchefs reklamieren die Zuständigkeit ebenfalls für sich. An der Kommunikation miteinander hapert es allerdings, und eine einheitliche Linie fehlt allzu oft.

Erste Hilfe durch Data Governance und Dashboards

Dabei nimmt die Brisanz dieser Fragen unaufhaltsam zu. Die Marktforscher von Gartner prophezeien für die kommenden fünf Jahre ein Wachstum der Datenflut, die auf Systeme und Lösungen einprasselt, um 650 Prozent. Zugleich drängen die Anwender auf immer besseren, individualisierten Zugang zu den für sie relevanten Informationen.

Auf technologischer und organisatorischer Seite gibt die schon genannte IBM-Studie Hinweise, wie sich das Data Management in den Griff bekommen lässt. Die Erhebung filtert genau, was Top-Performer von weniger erfolgreichen Unternehmen unterscheidet. So setzen 42 Prozent der erfolgreichen Firmen Richtlinien zur Datenhaltung um (Data Governance), 65 Prozent nutzen Lösungen für die Datenintegration, 60 Prozent Content-Management-Systeme, 55 Prozent Anwendungen für das Management von Stammdaten. Knapp drei Viertel der wachstumsstarken Unternehmen bereiten Analyse-Ergebnisse anschaulich und übersichtlich in Dashboards und Visualisierungs-Tools auf, 45 Prozent optimieren ihre Planung durch den Einsatz analytischer Werkzeuge und von Prognose-Software. Von den Firmen, die am Markt schlechter abschneiden, tut all das jeweils nur ein Bruchteil.

Planvoller IT-Einsatz und effiziente Organisationsstrukturen, so lässt sich bis hierhin zusammenfassen, verschaffen also derzeit als Wege zu einer auf Fakten gestützten Entscheidungsfindung einen klaren Wettbewerbsvorteil. Einen Schritt weiter geht Jack Springman, Chef der Corporate Advisory Group von Business & Decision, in einem Beitrag für unsere britische Schwesterpublikation CIO UK. Berater Springman beklagt darin ein strukturelles Strategie-Defizit. Demnach kämpfen die Firmen allzu sehr damit, die ohnehin vorhandenen Daten zu verarbeiten, anstatt auch gezielt nach den für geschäftliche Vorteile notwendigen Daten zu suchen.

Springman empfiehlt, erst den Bedarf nach Wissen von Business-Seite zu identifizieren und anschließend die ausgemachten Informationen zu sammeln. Dabei unterscheidet er drei Reifegrade: Ein erster Level ist das Beobachten von messbaren Variablen und Entwicklungen, für das beispielsweise Industrieverbände und Marktforscher Material liefern können; ein zweiter Level umfasst das Verstehen von notwendigen Veränderungen; Level Drei ermöglicht das systematische Auswählen aus einer Reihe von Optionen in Fällen, die höhere Investitionen erfordern.

„Je höher der finanzielle und strategische Einfluss, umso höher die gebotene Erkenntnis-Reife“, so Springman. Für die meisten operativen Entscheidungen genügt demnach Level Eins, also die Auswertung von Daten aus den Enterprise Resource Planning (ERP) oder Customer Relationship Management (CRM). Die Herausforderung besteht darin, die darüber hinausgehenden Fragen zu identifizieren und dafür weitere Informationsquellen anzuzapfen – zum Beispiel Wissen eines neu eingestellten Mitarbeiters über seinen früheren Arbeitgeber oder Gespräche mit Zulieferern über von diesen beobachtete Trends.

Masse weiß mehr als kluger Einzelkopf

Neben quantitativen sollten in bestimmten Fällen auch qualitative Informationen berücksichtigt und das Wissen aller Mitarbeiter zur Reduktion von Unsicherheit genutzt werden. Springman schlägt dafür unkonventionelle Wetten im Unternehmen vor: Ähnlich wie auf Wahlausgänge, sportliche Wettkämpfe oder Oscar-Preisträger sollte intern mit einem echten finanziellen Einsatz auf Entwicklungen und das Erreichen selbst gesteckter Ziele durch bestimmte Instrumente gewettet werden können. Das auf diese Weise ermittelte Meinungsbild hält Springman für einen aussagekräftigen Indikator. Menschenmengen seien stets klüger als die cleversten Köpfe in ihnen. „Der Profit-Mechanismus sorgt dafür, dass Mitarbeiter mit guter Einsicht belohnt werden, während andere von der Teilnahme abgeschreckt werden“, meint Springman. In jedem Fall sei eines sicher: „Die Beteiligung aller – Mitarbeiter, Zulieferer, Partner – an der Suche nach Erkenntnis steigert die Qualität der gesammelten Daten“, so Springman.

Dieses anspruchsvolle Programm dürfte zwar vielen zu weit gehen. An einem effizienteren Management von Daten und Informationen wird in Zukunft aber kaum ein Unternehmen vorbei kommen, das am Markt bestehen will.