Prescriptive Analytics besser

BI- und Analytics-Tools haben versagt

10.02.2017 von Werner Kurzlechner
BI-Prognosen führen zwingend zu besseren Entscheidungen führen. Deshalb empfiehlt Gartner, Prescriptive Analytics zusammen mit Predictive Analytics einzusetzen.
  • Weil Tools für BI & Analytics vor der Empfehlung von Entscheidungen Halt machen, haben sie laut Gartner beim Einfluss auf geschäftliche Entscheidungen versagt.
  • Wenn man Prognosen (predictive) mit Optimierungen (prescriptive) zusammenführt, lässt sich herausfinden, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich Veränderungen verschiedener Variablen auf die Geschäftsergebnisse auswirken
  • Gartner nennt fünf Basistypen von Data-Science-Techniken, die Unternehmen je nach Gemengelage kombinieren sollten
  • Außer Daten Scientists sollten auch die Skills von Power Usern genutzt werden
Je nach Problemlage sollen Anwender Basistypen der vorausschauenden und der verordnenden Analyse kombinieren. Welche fünf Typen es gibt, zeigt diese Grafik.
Foto: Gartner

Ein Arzt, der nur diagnostizieren, aber nicht therapieren kann, hilft einem Kranken nicht weiter. Außer es gibt eine Arbeitsteilung unter Spezialisten - aber dann muss zur Gesundung zum Top-Diagnostiker auch ein Top-Therapeut kommen. Dieses Bild aus der Medizin lässt sich auf die IT, genauer auf den Bereich Business Intelligence (BI) übertragen.

Jedenfalls dann, wenn man einer aktuellen Empfehlung von Gartner folgt. Die Analysten raten dringlich zur Kombination von Predictive Analytics und Prescriptive Analytics. Die dazu passende Studie heißt entsprechend: "Combine Predictive and Prescriptive Analytics to Drive High-Impact Decisions".

Zur Diagnose muss auch die Therapie kommen

"Unternehmen tun sich schwer mit der Beschleunigung des Prozesses der geschäftskritischen Entscheidungen, die immer komplexer werden", schreiben die Studienautoren Carlie J. Idoine und Gareth Herschel. "Um die Gestaltung der Zukunft zu unterstützen, sollten Führungskräfte aus dem Bereich Data & Analytics zwei Data Science-Potenziale verbinden: prädiktive und präskriptive Analyse."

Auf die Analogie zur Medizin stößt man wie von selbst, wenn man sich mit den zu Grunde liegenden Begriffen beschäftigt. Der englische Terminus "prescription" heißt auf Deutsch unter anderem Rezept beziehungsweise Verschreibung. Während es bei Predictive Analytics also um "vorausschauende Analyse" geht, lässt sich Presprictive Analytics mit "verordnende Analyse" übersetzen.

Studie Analytics Readiness













Nach Einschätzung von Gartner ist genau dieser Bereich bislang in den Unternehmen vernachlässigt, so dass BI die bekanntermaßen oft unbefriedigenden Ergebnisse zeitigte. Es wurde diagnostiziert, ohne dass die sich daraus ergebenden therapeutischen Schlüsse gezogen wurden.

BI- und Analytics-Tools haben bisher versagt

Tools für BI & Analytics haben demnach bislang zwar für Erkenntnisse und Prognosen gesorgt. Aber weil sie laut Gartner vor der Empfehlung bestimmter Entscheidungen und Aktionen Halt machten, haben sie beim Einfluss auf geschäftliche Entscheidungen versagt. Weil geschäftliche Entscheidungen aber immer facettenreicher und zugleich zeitkritischer werden, schreien sie nach Ansicht der Analysten geradezu nach einem Mix aus Techniken und Tools der Data Science.

Das Problem dabei: "Data & Analytics-Leader haben nur begrenzte Erfahrung mit Prescriptive Analytics - und sogar noch weniger darin, wie Prescriptive Analytics mit Predictive Analytics harmoniert", so Gartner. Nach Einschätzung der Analysten wird dieses Defizit aber in Bälde abgebaut werden. Schon 2018 ist Entscheidungsoptimierung demnach keine Nischendisziplin mehr, sondern häufige Best Practice. Und 2020 fließen laut Gartner-Prognose zwei Fünftel der Investitionen für BI & Analytics in prädiktive und präskriptive Analyse.

Entscheidungsfindung lässt sich verbessern

Die Kombination der beiden Seiten bedeutet nach der Beschreibung der Autoren, dass prädiktive Resultate in präskriptive Modelle fließen. "Das Zusammenbringen von Prognosen (predictive) mit Optimierungen (prescriptive) lässt eine Organisation herausfinden, mit welcher Wahrscheinlichkeit Veränderungen verschiedener Variablen die Geschäftsergebnisse oder die relativen Trade-Offs verändern", heißt es in der Studie. "Das führt ins Herz der Aufgabe der Vermehrung von Business Value, der proaktiven Entscheidungsfindung, die Aktionen vorantreibt und den künftigen Kurs des Unternehmens bestimmt."

Audi Smart Factory 2016
LBRinline
Ein Leichtbauroboter (LBR) "in der Linie" gibt bei der Produktion von Audi A3 und Q2 im Werk Ingolstadt die Antwort auf die gestiegene Komplexität: Bei der Montage des Plug-In-Hybridmodells A3 Sportback e-tron etwa gibt es im Vergleich zu herkömmlichen Modellen einige Unterschiede zu beachten. Der LBR stellt sich auf das jeweilige Modell ein und erledigt die Verschraubung der Unterbodenverkleidung an den jeweiligen Aufnahmepunkten in 20 Sekunden. Den Arbeitern bleiben so "Überkopfarbeiten" erspart.
FlexShapeGripper
Die Mensch-Maschine-Kooperation könnte mit dem flexiblen Greifarm von Festo auf ein neues Level gehievt werden. Audi erprobt den FlexShapeGripper derzeit, der Objekte greifen, halten, anreichen oder montieren kann. Für Audi eröffnet der FlexShapeGripper "neue Perspektiven im breiten Feld der Mensch-Roboter-Kooperation".
motionEAP
Beim nicht-kommerziellen Forschungsprojekt motionEAP handelt es sich um einen smarten Montagetisch. Die Technik dahinter stammt von Microsoft: Ein Kinect-System überprüft den Arbeitsstand und projiziert Texte, Videos oder Fotos auf den Werktisch.
"Schlauer Klaus"
Bereits im Serieneinsatz befindet sich hingegen das von der Firma Optimum aus Karlsruhe entwickelte Montagesystem "Schlauer Klaus". Zum Einsatz kommt das System bei der Verkabelung von Türen. Damit bei dieser komplexen Aufgabe (mehrere hundert Verkabelungs-Varianten) nichts schiefgeht, überwachen zwei hochauflösende Kameras aus der Vogelperspektive, ob alle Steckverbindungen richtig sitzen.
Fernwartung
Das Audi Fernwartungsportal ist bereits seit einigen Jahren im Einsatz und soll künftig auch eine präventive Wartung von Maschinen und Anlagen aus der Ferne ermöglichen.
Smart Analytics im Presswerk
Den immer engeren Prozessfenstern im Presswerk begegnet Audi mit Messtechnologien: Sensoren und Kameras untersuchen die Bleche auf Fehler, intelligente Werkzeuge überwachen die Qualität ihrer eigenen Arbeitsschritte. Das Ziel dieses Vorgehens: jedes Blechteil lückenlos zu dokumentieren und die Daten für stabilere Prozesse und höhere Präzision zu verwerten.
Virtuelle Fügeanalyse
Um die Qualität eines fertig geplanten Automodells beurteilen zu können, nutzt Audi die virtuelle Fügeanalyse. Hierbei wird mittels eines 3D-Scanners eine exakte, virtuelle Kopie des Autos erstellt. An diesem Modell können nun beispielsweise Spaltmaße und Karosseriefugen überprüft werden.
Fahrerlose Flurförderfahrzeuge
Audi setzt seit Januar 2017 fahrerlose Flurförderfahrzeuge ein. Sie nutzen Sensorik und Algorithmen, um sich selbständig fortzubewegen und vermessen ihre Umgebung mit Laserscannern. Sämtliche Flurförderfahrzeuge sollen künftig miteinander vernetzt und über eine zentrale Steuerung ins Produktionssystem integriert werden.
Autonome Stapler
Auch Gabelstapler werden künftig autonom fahren. Die Ingolstädter planen einen ersten Test-Einsatz für die Anlieferung von Kleinteilen. 3D-Laserscanner und Sensorik soll für den gefahrlosen Einsatz der selbstfahrenden Stapler sorgen. Audi verspricht sich von ihrem Einsatz weniger Flächenverbrauch, eine effiziente Transportabwicklung und ein geringeres Unfallrisiko.

Konkret sind mit den zu kombinierenden Tools und Techniken einerseits kommerzielle Software-Anwendungen gemeint, die von Data Science-Anbietern, Open-Source-Projekten und Analytics-Dienstleistern angeboten werden. Andererseits kann es sich laut Gartner auch um intern entwickelte Modelle, Simulationen und Regel-basierte Frameworks handeln. Der Schlüssel liege in der richtigen Zusammensetzung für den spezifischen Analysebedarf eines individuellen Unternehmens. "Die Kombination wird variieren, und zwar auf Grundlage der besonderen Entscheidungen, die ein Unternehmen verbessern will."

Auf den Mix von Data Science-Techniken kommt es an

Entscheidend ist also der richtige Mix aus Data Science-Techniken. Hierzu unterscheidet Gartner fünf Basistypen - und zwar drei prädiktive und zwei präskriptive Analyse-Tools. In der Praxis geht es dann darum, für die individuelle Situation jeweils einen Basistyps für Predictive Analytics und Prescriptive Analytics zu kombinieren. Die Basistypen sind laut Gartner:

1. Predictive Analytics

2. Prescriptive Analytics

Praxisbeispiel eines Metallhändlers

Das Finden des idealen Mixes in der Praxis illustriert die Gartner-Studie durch mehrere Fallbeispiele. Ein Materialhändler aus Europa etwa musste den Planungsprozess für seine Lieferkette erneuern. Das Unternehmen hatte mit sinkendem Volumen, Überkapazitäten, zu vielen Lagern und drei voneinander unabhängigen ERP-Systemen zu kämpfen. Das Ziel war ein Mehr an Zentralisierung und Integration und wurde in diesem Fall erreicht durch eine Kombination aus Forecasting und Optimization.

Die Forecasts bestimmten die Nachfrageerwartungen und die Fähigkeit, diesen zu entsprechen. Durch Optimization wurden bestimmte Aktionen ausgelöst, die für das Erreichen der geschäftlichen Ziele nötig waren. "Ermöglicht wurde die Evaluierung einer Vielzahl an Nachschub-Szenarien zur Bestimmung jenes Szenarios, dass der Nachfrage am besten entsprach - bei gleichzeitiger Minimierung der Kosten und guter Ausnutzung der Lagerkapazitäten", fasst Gartner zusammen.

Data Scientists einstellen und ausbilden

Für den Erfolg der BI-Anstrengungen muss die Kombination von Predictive und Prescriptive Analytics laut Gartner mit einem Ausbau der dafür benötigten Skill-Basis einhergehen. Konkret bedeutet das, dass Data Scientist angestellt werden müssen oder bereits im Unternehmen vorhandene Experten auf dieses spezielle Gebiet anzusetzen sind. Nötig sei ferner die Entwicklung eines Prozesses, um analytische Artefakte zu managen und zu teilen.

Die Analysten empfehlen ferner die Nutzung von Analytics-Anwendungen, die sowohl über prädiktive als auch über präskriptive Fähigkeiten verfügen. Lohnend sei dabei die Suche nach branchenspezifischen Lösungen. Darüber hinaus seien Power User oft geeignet für die Rolle eines "citizen data scientist". Diese Rolle kann nach Ansicht von Gartner die Profis zwar nicht ersetzten, aber deren Tätigkeit gut ergänzen und erweitern.

Verlust geistigen Eigentums möglich

Ratsam sei überdies die Zusammenarbeit mit Dienstleistern, die über eine spezifische Expertise in Advanced Analytics verfügen. Gartner verbindet diesen Tipp aber mit einer Warnung: "Passen Sie auf, dass das Modell der Zusammenarbeit für einen positiven Wissenstransfer sorgt, und bedenken Sie, dass dieser Ansatz potenziell zu einem Verlust geistigen Eigentums führen kann."