Industrie 4.0 in der Optik-Branche

Brillen aus dem 3D-Drucker vor dem Durchbruch

15.01.2016
Fast jeder zweite Deutsche trägt eine Brille. Einige davon kommen schon jetzt aus dem 3D-Drucker - Tendenz steigend. Steht bald bei jedem Optiker ein 3D-Drucker im Geschäft?

Brillen aus dem 3D-Drucker sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Nach anfänglicher Skepsis bieten einige Optiker bereits gedruckte Brillengestelle nach den Wünschen des Kunden an. "Der 3D-Druck hat keinen Exotenstatus mehr und wird seinen Platz am Markt finden", sagt Ingo Rütten vom Zentralverband der Augenoptiker. Richtig in Schwung kommen soll das Geschäft durch die individuelle Anpassung der gedruckten Brillengestelle an die Gesichtsform. Auf der Optikmesse opti in München stellt das hessische Unternehmen Framelapp einen Kopf-Scanner vor, der die Form der Nase und andere Merkmale des Gesichts erfasst und den Drucker mit diesen Daten speist.

Brillen könnten künftig direkt beim Optiker aus dem 3D-Drucker kommen.
Foto: Nomad_Soul - shuttertsock.com

3D-Druck vor Durchbruch in der Optik-Branche?

"Der 3-Druck wird die Optikbranche über kurz oder lang revolutionieren", meint Geschäftsführer Hendrik Wieburg, der im Auftrag von Optikgeschäften mehrere tausend Brillen pro Jahr im 3D-Druck-Verfahren herstellt. Gemessen am gesamten Markt ist das zwar noch sehr wenig - die großen Player der Branche beobachten die Entwicklung aber ganz genau. Brillengestelle aus dem 3D-Drucker seien eine spannende technologische Entwicklung, heißt es beispielsweise beim Online-Brillenhändler Mister Spex.

"Noch bieten wir keine Brillengestelle aus dem 3D-Drucker an, evaluieren aber regelmäßig die relevanten Technologien", sagt Gründer und Geschäftsführer Dirk Graber. Ähnlich äußert man sich auch beim Konkurrenten Brille24. Auch die größte Optiker-Kette Fielmann (rund 700 Niederlassungen) behält die 3D-Technologie im Blick: "Wir beobachten die Entwicklung", sagt Vorstandsmitglied Stefan Thies. Für Design-Brillen und Prototypen sei der 3D-Druck bereits interessant.

Als Knackpunkt für den Massenmarkt gilt bislang unter anderem der Preis von rund 300 Euro für ein Brillengestell. Für stationäre Optiker könnte der Kopf-Scanner von Framelapp in Kombination mit einem 3D-Drucker aber eine Chance sein, die Kunden wieder in die Geschäfte vor Ort zu locken. Denn in den vergangenen Jahren haben immer mehr Menschen ihre Brille im Internet bestellt. Im Jahr 2014 wurden nach Angaben des Augenoptikerverbandes 650.000 Korrektionsbrillen online verkauft - fast ein Drittel mehr als im Vorjahr.

3D-Druck in der Medizin
3D-Printing in der Medizin
Der 3D-Druck hat "das Zeug dazu", die Medizin zu revolutionieren: "customized medical devices" sollen künftig eine individuelle Therapie von Patienten sicherstellen. Doch das ist nur ein Einsatzbereich von vielen - in unserer Bildergalerie zeigen wir Ihnen, wie 3D-Printer im medizinischen Bereich genutzt werden.
Zahnmedizin
Zahnärzte treiben die 3D-Druck-Technologie voran: Etwa die Hälfte aller Dentalkronen und Brücken hierzulande stammt laut Experten aus industriellen 3D-Druckern. Der Einzug digitaler Technologien in die Dentalwelt hat die Herstellung dramatisch verändert. Arbeiteten Zahntechniker früher überwiegend per Hand mit Lötkolben, Brenner und anderen Instrumenten, nutzen sie heutzutage immer öfter Computer. Bis zu 450 individuelle Dentalkronen und Brücken lassen sich so innerhalb von 24 Stunden herstellen.
Customized medical devices
Maßgeschneiderte Implantate für den Schädel liefern 3D-Drucker ebenfalls. Von der möglichst exakten Passform über die Verträglichkeit bis hin zur Integration biologischer Funktionen - gerade im Kopfbereich sind die Anforderungen extrem hoch. In den Niederlanden haben Ärzte einer Patientin sogar schon eine komplette per 3D-Druck gefertigte Schädeldecke eingesetzt.
Hirnchirurgie
Gehirnchirurgen benötigen während einer Operation Geräte und Instrumente, die mit einem Höchstmaß an Präzision gefertigt worden sind. Nicht selten geht es um Bereiche des Gehirns, die nur wenige Millimeter groß sind. Hinzu kommt, dass die Gehirnstruktur jedes Menschen einzigartig ist. Die 3D-Druck-Industrie liefert den Medizinern mittlerweile genau angepasste Hilfsmittel – wie die Plattform auf dem Bild - für schwierige und komplizierte Eingriffe.
Implantologie
Die Implantologie gehört mittlerweile zu den wichtigsten Medizinfeldern und entwickelt sich zur echten High-Tech-Medizin. Sehr häufig werden Hüft- und Kniegelenke ersetzt, da sie oft von Abnutzungserscheinungen betroffen sind. Auch die auf dem Bild zu sehende Hüftimplantat-Pfanne stammt aus einem industriellen 3D-Drucker. Das Hüftgelenk ist das größte Gelenk des Menschen, es ermöglicht die Bewegung zwischen Rumpf und Bein. Nach Schätzungen von Experten werden erst zwei Prozent der eingesetzten Hüftpfannen per 3D-Druck gefertigt. Dort gibt es also noch viel Potenzial.
Wirbelsäulenchirurgie
Auf den ersten Blick sehen sie etwas unscheinbar aus, aber aus Sicht von Chirurgen und Patienten sind es kleine Wunder: technische Ersatzbauteile aus Kunststoffen oder Metallen für die Wirbelsäule. Sie verstärken die Wirbelsäule. Solche Produkte dienen zum Beispiel auch als Ersatz für defekte Wirbel.
Herzchirurgie
Ein originalgetreuer Aortabogen – ein Beispiel für den rechnergestützten Organmodellbau. Dabei stellt man per 3D-Druck maßgenaue, dreidimensionale Modelle der menschlichen Anatomie her. Ärzte und Chirurgen können bei der Operationsvorbereitung an 3D-gedruckten Modellen üben und bekommen so ein besseres Verständnis für den geplanten Eingriff.
Herzchirurgie
Das Herz aus dem 3D-Drucker ist längst Realität. Mit solchen per 3D-Druck gefertigten Organmodellen lassen sich komplexe Anatomien gut darstellen. Die Produkte aus den industriellen 3D-Druckern dienen deshalb auch zu Lehrzwecken. Auf diese Weise können Forscher und junge Ärzten in der Ausbildung den genauen Verlauf der Blutgefäße und die Strukturen eines Organes besser verstehen.
Exoprothesen
Der unterschenkelamputierte Kletterenthusiast C. J. Howard aus Nordkalifornien trägt eine Fußprothese, die er zusammen mit seiner Kletterfreundin Mandy Ott, einer Luft- und Raumfahrtingenieurin, entwickelt hat. Es handelt es sich um eine lasergesinterte Kletterprothese aus Titan. Sie wiegt etwa 2,3 Kilogramm. Um das Gewicht möglichst gering zu halten, wurde sie hohl gefertigt. Zudem hat sie weder Nähte noch Befestigungsmittel.
Gefäßchirurgie
Das Metallgeflecht erinnert an ein Kunstwerk, rettet aber Leben. Es handelt sich um einen per 3D-Druck gefertigten Stent zur Gefäßunterstützung. So kann eine Arterienverkalkung dazu führen, dass Blutgefäße immer enger werden. In solchen Fällen setzen Ärzte bei den Patienten Stents ein. Und auch die stammen mittlerweile zum Teil aus der additiven Fertigung.
Laser-Sinter-Anlage
Eine Laser-Sinter-Anlage in Aktion: Ein Schieber verteilt im Inneren des 3D-Druckers eine dünne Schicht pulverisierten Materials - Kunststoff oder Metall - auf eine Bauplattform. Ein Laserstrahl schmilzt die Kontur nach programmierten Konstruktionsdaten auf. Die Arbeitsplatte senkt sich minimal, der Schieber verteilt eine neue Materialschicht. Der Laser schmilzt die definierten Stellen erneut, so dass sich die Schichten dort verbinden.

Mehr Brillenträger, mehr Marktpotenzial

Grundsätzlich muss sich die Branche in nächster Zeit aber keine Sorgen um ihre Kunden machen: Rund 40 Millionen Menschen tragen in Deutschland einer Allensbach-Studie zufolge eine Brille. Die Alterung der Gesellschaft spielt den Optikern in die Hände: Selbst wer als junger Mensch keine braucht, muss meist ab Mitte 40 beim Lesen zur Brille greifen. Bei den 45- bis 59-Jährigen liegt der Anteil der Brillenträger bereits bei 73 Prozent und steigt danach weiter an.

Aber auch bei jüngeren Leuten ist der Anteil der Brillenträger in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen. Wie sich der Smartphone-Boom auf das Sehvermögen auswirkt, ist unter Experten noch immer umstritten: Langzeit-Studien über die gesundheitlichen Auswirkungen der Geräte stehen noch aus. Aber ein Spaziergang ist das permanente Fixieren eines kleinen Monitors für die Augen wohl nicht. (dpa/fm)

Glossar: Was ist was im 3D-Druck?
2 Print Beta
2 Print Beta ist ein Druckerhersteller und 3D-Druck-Dienstleister aus Konstanz. Zum Angebot des Unternehmens gehören neben 3D-Komplettsystemen und -Bausätzen auch Services.
3D Systems
3D Systems ist ein Druckerhersteller aus South Carolina, der Drucker für Privatanwender, den Profibereich und für Produktionszwecke anbietet. Nach eigener Darstellung hat das Unternehmen den 3D-Druck erfunden.
ABS-Kunststoff
ABS-Kunstsoff ist ein Polymer, das von vielen 3D-Druckern als Grundstoff für Werkstücke verwendet wird.
Amazon 3D Printing Store
Im Juli 2014 hat Amazon sein Portfolio um einen Shop für 3D-Druckerzeugnisse erweitert.
Anti Gravity Modeling
AOM ist ein neuartiges generatives Herstellungsverfahren, bei dem Werkstücke nicht schichtweise wie üblich schichtweise aufgebaut werden. Stattdessen werden Stränge von geschmolzenen Polymerkunststoffen erzeugt, die im Moment des Austritts aus einer Düse aushärten.
Bioprinter
Bioprinter dienen dem Erzeugen organischer Strukturen für medizinische und biologische Anwendungsfelder. Diese 3D-Drucker-Variante wird jedoch bisher kaum hergestellt und eingesetzt; lediglich das Unternehmen Organovo bietet ein Modell an.
Concept Laser GmbH
Die Concept Laser GmbH aus dem fränkischen Lichtenfels bietet Anlagen für SLM samt Beratung.
Designfreiheit
Designfreiheit im Produktdesign bezeichnet die Möglichkeit, eigene Vorstellungen vom Aussehen eines Gegenstandes umzusetzen, ohne sich an Standard- oder andere Vorgaben halten zu müssen.
Dual-Extruder-Technik
3D-Drucker mit Dual-Extruder-Technik verfügen über zwei Düsen zum schichtweisen Aufspritzen von flüssigen oder geschmolzenen Werkstoffen.
EBM (Electron Beam Melting)
EBM bezeichnet das schichtweise Aufschmelzen von pulverisiertem Metall zu dreidimensionalen Bauteilen mithilfe eines Elektronenstrahls.
EOS
Die EOS GmbH (Electro-Optical Systems) aus dem bayerischen Krailling bei München vermarktet Anlagen, Werkstoffe und Lösungen für SLM-Anwendungen und Stereolithografie.
Extruder
Extruder sind die technischen Vorrichtungen, die das flüssige beziehungsweise geschmolzene Rohmaterial aus den Düsen von 3D-Druckern herauspressen.
Filament
Der Begriff Filament bezeichnet usprünglich jede Art von Faden. Im Bereich der 3D-Drucker sind damit fadenförmige Rohstoffe gemeint, die durch einen Extruder in Form gespritzt werden.
i.materialise
i.materialise ist ein 3D-Druck-Online-Service. Kunden können eigene Designs hochladen und aus verschiedenen Materialen für das Werkstück wählen.
Makerbot
Makerbot ist ein 3D-Drucker-Hersteller aus New York. Seit 2013 gehört das Unternehmen zum 3D-Druckerhersteller Stratasys.
Mcor
Mcor Technologies ist ein 3D-Druckerhersteller aus Dublin, Irland. Die Produkte des Unternehmens verwenden handelsübliche Papierbögen.
Modern Meadow
Das New Yorker Unternehmen Modern Meadow forscht im Bereich Bioprinting und der Entwicklung von Geweben mit dem Ziel, künstliches Biomaterial zum Verzehr und als Leder herzustellen.
Monolith
Der Monolith ist ein Stereolithografie-Drucker, der 2012 von dem US-Unternehmen Acme Design herausgebracht wurde und nun von Free Fab vermarktet wird.
Multi Jet Fusion
Multi Jet Fusion ist eine neue 3D-Drucktechnik, die HP im kommenden Jahr auf den Markt bringen will. Als technische Basis nutzt man die eigene Inkjet-Technologie.
Organovo
Das Unternehmen Organovo aus San Diego, Kalifornien entwickelt und erzeugt mit Bioprintern künstliches menschliches Gewebe.
PLA-Kunststoff
PLA ist neben ABS das am weitesten verbreitete Verbrauchsmaterial für 3D-Drucker. PLA ist geruchlos und wird aus Maisstärke hergestellt.
Selective Laser Melting (SLM)
Selektives Laserschmelzen ist ein 3D-Druckverfahren, bei dem Metallpulver mithilfe von Laserstrahlen geschmolzen und schichtweise durch Aushärten zu einem fertigen Werkstück aufgebaut wird.
SLM Solutions
Die SLM Solutions Group AG aus Lübeck stellt 3D-Metalldrucker her.
Stereolithografie
Stereolithografie ist eine Methode des Rapid Prototyping. Dabei werden unter Laserlicht aushärtende Kunststoffe schichtweise zu einem dreidimensionalen Körper aufgebaut.
STL (Surface Tesselation Language)
STL ist eine Sprache zur Oberflächenbeschreibung durch Triangulation, also die Beschreibung von Dreiecken, aus denen sich Oberflächen zusammensetzen.
Ultimaker
Ultimaker ist ein niederländischer Hersteller von 3D-Druckern. Wie Makerbot ging auch Ultimaker aus einem Workshop im Rahmen des Reprap-Projekts hervor.