Content-Management

Bund setzt auf ein System

05.07.2004 von Klaus Manhart
Die Bundesregierung implementiert eine einheitliche, maßgeschneiderte und gleichzeitig skalierbare CM-Lösung für alle Behörden. Der Bürger soll davon ab 2005 mit einer breiten Palette an Online-Dienstleistungen profitieren.

Demokratie lebt nicht immer von der Vielfalt. Diese leidige Erfahrung mussten die Bundesbehörden mit ihrer Fülle an verstreuten CM-Anwendungen machen. Ein Wissensaustausch zwischen den Behörden ließ sich mit solchen Insellösungen nur schwer durchführen.

Ein einheitliches CM-System war dringend nötig - besonders in Hinblick auf das Projekt "Bund-Online 2005". Mit diesem Vorzeigevorhaben will die Bundesregierung alle Online-fähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis 2005 elektronisch verfügbar machen und über das einheitliche CM-System "Government Site Builder" pflegen. "Knapp 50 Prozent der im Rahmen von Bund-Online zur Verfügung gestellten Dienstleistungen der Bundesverwaltungen bestehen darin, Informationen zu erfassen, aufzubereiten und bereitzustellen", sagt Elias Paraskewopoulos, Referatsleiter "Projektmanagement und Softwareentwicklung für Bundesbehörden" beim Bundesverwaltungsamt.

Ein gigantisches Unterfangen, das nur mit einem einheitlichen, aber gleichzeitig flexiblen CM-System machbar ist. Allerdings gelten im Vergleich zur Privatwirtschaft beim CMS-Einsatz in der öffentlichen Verwaltung einige Besonderheiten: Behörden müssen eine breite Vielfalt an Online-Aktivitäten unter einen Hut bringen. Auch die schnelle Anpassung der Website an aktuelle wirtschaftliche und politische Ereignisse steht bei ihnen ganz oben auf der Prioritätenliste. Schließlich müssen die Web-Auftritte einen maximalen Verbreitungsgrad und "Barrierefreiheit" gewährleisten: So müssen sich beispielsweise sehbehinderte Internet-User mit einer Software die Websites vorlesen oder in der Blindenschrift Braille ausgeben lassen können.

Ein CM-System von der Stange bedient die behördlichen Bedürfnisse kaum. Um die Vorgaben umzusetzen, entschied sich das Bundesverwaltungsamt für eine maßgeschneiderte Lösung, die sich leicht und flexibel an behördliche Erfordernisse anpassen lässt. Die europaweite Ausschreibung gewann die Coremedia AG mit der Smart Content Infrastructur (SCI) und Materna GmbH als Entwicklungspartner. "Ausschlaggebend für die Wahl waren neben dem Preis die technische Leistungsfähigkeit und Architektur des Systems sowie die Leistungsfähigkeit des Entwicklungspartners", sagt Referatsleiter Paraskewopoulos.

Keine Eigenentwicklungen mehr

Seit 2002 bildet SCI das technologische Rückgrat für die Internet-, Intranet- sowie Extranet-Aktivitäten der Initiative Bund-Online. Auf Basis der unkonfigurierten SCI-Funktionen entwickelte das Bundesverwaltungsamt Standardbausteine für die typischen Aufgaben eines CMS. Der damit erstellte mandantenfähige "Government Site Builder" betreut alle Internetauftritte und bietet vorkonfigurierte Layouts und Workflows, ein Rechte- und Rollenkonzept sowie Standard-Dokumenttypen. Redaktions-, Rollen- und Rechtekonzepte sind bei Bedarf einfach anzupassen. Vorimplementierte Arbeitsprozesse erleichtern die redaktionelle Arbeit: Über einen Auto-Publikations- und De-Publikations-Workflow lässt sich genau festlegen, wann bestimmte Inhalte im Web automatisiert veröffentlicht und wann sie wieder entfernt werden sollen. Alle Funktionen können die Behörden übernehmen, konfigurieren und durch Eigenentwicklungen ergänzen.

Die zentrale Entwicklung eines CMS hat für die Behörden und Bund-Online zwei entscheidende Vorteile. Zum einen verringern sich die Kosten gemäß dem "Einer-für-Alle"-Prinzip: Bisher aufwändige und kostenintensive Eigenentwicklungen entfallen. Lediglich Anpassungen an individuelle Anforderungen tragen Behörden noch selbst. "Durch die bereits zentral vorbereiteten Module und Erweiterungen reduziert sich der Implementierungsaufwand bei der Einführung eines CMS deutlich. Entsprechende Lösungen können daher schneller und erheblich wirtschaftlicher eingeführt werden", sagt Elias Paraskewopoulos.

Doch das ist nicht alles. Durch die gemeinsame Plattform wird zum anderen auch ein Lösungstransfer zwischen den Behörden möglich: Sie lassen ihre Anpassungen und Ergänzungen in die zentrale Lösung einfließen oder geben sie an andere Behörden weiter. Solche Synergieeffekte ermöglichen es auch, gleichzeitig mehrere Sites und Domains auf einem physikalischen System gemeinsam zu verwalten.

Der Government Site Builder kann von allen Bundesbehörden kostenfrei abgerufen werden. Ämter ohne spezielle Anpassungswünsche können mit der seit Juni fertigen Version 1.2 auf eine Standardlösung zurückgreifen und so ihren Auftritt besonders schnell umsetzen. Anderen Behörden bietet das Bundesverwaltungsamt einen definierten Ausgangspunkt für eigene Anpassungen und Erweiterungen. Das Interesse an der CMS-Lösung ist groß. Derzeit wollen 47 Bundesbehörden 71 Dienstleistungen und Projekte mit dem Government Site Builder umsetzen. Davon möchten voraussichtlich 15 Behörden die Lösung zentral im Bundesverwaltungsamt betreiben lassen.

Als ein Vorreiter hat die Bundesagentur für Außenwirtschaft einen Web-Auftritt auf den Government Site Builder umgestellt: Das Portal für Außenwirtschaftsförderung iXPOS präsentiert sich seit Mitte November 2003 mit neuen Inhalten, verbesserten Strukturen und barrierefrei. Auch das Wissensmanagement-Portal der Projektgruppe Bund-Online wurde in überarbeiteter Form Ende letzten Jahres freigeschaltet. Derzeit ist rund ein Dutzend Projekte in Umsetzung, darunter der Internetauftritt des Bundesministeriums des Innern. Die Einheit in der Vielfalt herzustellen braucht halt seine Zeit.