Komplexität steigt

Business-Apps stellen IT auf eine harte Probe

14.03.2013 von Hartmut Lüerßen
Apps entwickeln wird immer komplexer. Einerseits sollen sie Daten aus verschiedenen Quellen nutzen und neue Prozesse abbilden. Anderseits müssen sie einfach zu bedienen sein. App Factories von Anbietern können ein Lösung sein, erklärt Hartmut Lüerßen von Lünendonk in seiner Kolumne.

Die Zahl der Business Apps explodiert. Es gibt kaum ein Software-Thema mehr, für das Business Apps oder Services aus der Cloud fehlen. Dabei ist es inzwischen häufig der Fachbereich, der auf die Nutzung von Apps oder Cloud Services drängt, weil konkrete Anforderungen schnell bedient werden wollen.

Hartmut Lüerßen ist Partner bei Lünendonk.
Foto: Lünendonk GmbH

Solange Apps von externen Anbietern als Service eingekauft werden können, ist die Situation für die IT relativ komfortabel. Die Apps werden evaluiert, funktionsgetestet für verschiedene Plattformen, auf Erfüllung der Sicherheitskriterien untersucht und freigegeben. Die Wartung sowie das Application Management liegen meist beim Software-Anbieter.

Fachbereiche schalten sich mit ein

Doch neben am Markt verfügbaren Business Apps, bei denen die Software-Anbieter vorhandene Lösungen um den mobilen Zugriff ergänzen, fordern die Fachbereiche bei Unternehmen des gehobenen Mittelstandes und bei großen Unternehmen darüber hinaus Apps und Services, bei denen der Integrationsansatz im Mittelpunkt steht. Hier geht es darum, Daten aus verschiedenen Quellen zu nutzen und damit einen neuen Prozess oder Teilprozess abzubilden.

Diese Forderungen stellen viele IT-Abteilungen mit ihren vorhandenen Kompetenzen, Strukturen und Entwicklungsmethoden auf eine harte Probe. Der Impuls, schnell eine Business-Anforderung umzusetzen, ist groß. Schließlich hat die IT den Anspruch, als Business-Partner zu agieren und die Forderung nach schnell bereitgestellten Services für das Business steht auf der Agenda ganz weit oben.

Zusätzlich steigt die Erwartungshaltung an Tempo und Services im Zuge eines Trends wie Consumerization weiter an: Der Konsumentenmarkt für Smartphones, Tablets, Apps, Gaming oder Home Entertainment dreht sich immer schneller. Im Vergleich dazu scheinen die technischen Veränderungen in den Unternehmen gelegentlich wie in Zeitlupe zu verlaufen.

Kreativität ist bei der IT-Abteilung wenig ausgeprägt

Gleichzeitig hat die interne IT - genau wie die Mehrheit der IT-Beratungs- und IT-Services-Unternehmen - zwar hohe Kompetenzen auf der Daten-, Prozess- und Service-Ebene. Weniger ausgeprägt zeigen sich jedoch die erforderlichen kreativen Kompetenzen, mit denen auf Basis von qualitativ hochwertigem Software-Engineering attraktive und benutzerfreundliche Apps zu gestalten sind. Diese Kompetenzen finden sich dagegen bei Digital-Media- oder Web-Agenturen, die im Gegenzug in der Regel weniger Kompetenzen in der Daten-, Prozess- und Service-Ebene aufweisen.

Am Beispiel der Business Apps zeigt sich deutlich, wie mehrere Wirkkräfte aufeinandertreffen, die derzeit die IT in den Unternehmen und im IT-Anbietermarkt verändern. Ein Trend: Die Fachbereiche werden für alle IT-relevanten Projekte immer wichtiger. Damit verändern sich die Buying Center in den Unternehmen. Ein anderer Trend: Das Benutzerverhalten hat sich verändert und die Anforderungen an die Bedienung und die sogenannte User Experience sind enorm gestiegen. Apps, die nicht begeistern, werden nicht genutzt. Das gilt im Konsumentenmarkt genauso wie im Unternehmen.

An der IT vorbei - Maverick Buying

Daher sind auch mehr kreative Kompetenzen für eine erfolgreiche Business-App-Entwicklung erforderlich. Damit angesichts dieser Veränderungen und neuen Forderungen keine App-Entwicklung vorbei an der IT erfolgt (Maverick Buying) und kein unkontrollierter Wildwuchs entsteht an Release-Ständen, unterschiedlichen Funktionen auf verschiedenen Plattformen und hohem Support-Aufwand, ist bei der Entwicklung von Business Apps die Notwendigkeit der Industrialisierung der Entwicklungsprozesse größer denn je.

Denn mit der Zahl der zu bedienenden mobilen Plattformen, der Releasestände der mobilen Betriebssysteme im Einsatz und der Release-Stände bei den Apps multipliziert sich die Komplexität im Lifecycle-Management. Schnell werden Teile der Entwicklungsteams für Wartungsaufgaben oder Portierungsaufgaben beansprucht und Prioritätenkonflikte entstehen.

Daher kann es sinnvoll sein, größere Aufgabenpakete an Unternehmen im IT-Partner-Ökosystem zu übertragen, damit sich der Koordinierungsaufwand gegenüber der überwiegend internen Steuerung reduzieren lässt. Gefordert sind eine gute Sourcing-Strategie oder Entwicklungs-Strukturen und Prozesse wie bei einem Software-Hersteller - vorhanden sind intern überwiegend Strukturen eines Projekt- und Service-Bereichs.

Industrialisierung im Entwicklungsprozess von Business Apps

Den Bedarf an mehr Industrialisierung im Entwicklungsprozess von Business Apps haben führende Anbieter von IT-Beratung und IT-Services erkannt und sogenannte App Factories aufgebaut. Diese Liefermodelle setzen dabei neben inhaltlicher Spezialisierung auf organisatorische Trennung der Teams in den verschiedenen Phasen des Projects und des Lebenszyklus´ der Apps.

So agieren nicht nur die Test-Teams unabhängig von den Entwicklern, sondern auch die Wartung sowie die vorgelagerte Beratung. Dass auch virtuelle Teams mit vielen Entwicklern in Nearshore- und Offshore-Lokationen Teil der Konzepte sind, ist bei den größeren Anbietern selbstverständlich.

Business Apps bringen die Unternehmensdaten zu Kunden, Geschäftspartnern oder Mitarbeitern und heben die klassischen Zuständigkeitsgrenzen der Unternehmensbereiche auf. Der IT, die sich als Business Partner versteht, fällt eine zentrale Rolle in der Moderation und der Governance für das Thema Mobile Enterprise, mobile Business und Business Apps zu.

Hartmut Lüerßen ist Partner bei Lünendonk.