Management-Trends 2012

Chefs brauchen Körperempfinden

09.03.2012 von Andrea König
Mitarbeiterorientierung wird neue Kernkompetenz für Chefs. Top-Kräfte sollten auch mal 60 Tage Urlaub bekommen, so Karriereexperte Raoul Wintjes im Interview.

CIO: 2011 war unter anderem ein Jahr, in dem viel über Burnout gesprochen wurde. Was kommt 2012?

Raoul Wintjes: Das Massen-Phänomen Burnout wird langsam entmystifiziert. Ein bewussterer Umgang mit den eigenen Ressourcen wird gesellschaftsfähig. Chefs achten mehr darauf, wie sie selbst und ihre Mitarbeiter arbeiten.

CIO: Wie achten Chefs darauf?

Mitarbeiterorientierung bei Chefs ist für Raoul Wintjes eines der wichtigsten Karrierethemen 2012.
Foto: Raoul Wintjes

Raoul Wintjes: Klappen Sie einmal die Grundsätze der "Kundenorientierung" auf den Begriff "Mitarbeiterorientierung" um. Chefs sollten zuhören können und die richtigen Fragen stellen. Einwände der Mitarbeiter sollten sie nicht als Kritik an der eigenen Person wahrnehmen, sondern als wertvolle Denkanstöße. Wer das erfolgreich umsetzt, motiviert nicht nur, sondern schafft auch eine neue Art der Mitarbeiterbindung.

CIO: Was kann man noch konkret tun?

Raoul Wintjes: Mitarbeiterorientierung äußert sich auch in einem konsequent partizipativen Führungsstil. Nehmen Sie zum Beispiel das Unternehmen Alnatura. Hier arbeitet man sehr transparent und informiert die Mitarbeiter. Die Marktleiter stellen allen Angestellten die aktuellen Zahlen zur Verfügung. So erhalten die Mitarbeiter kontinuierlich Feedback und das motiviert ungemein.

CIO: Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie für 2012?

Raoul Wintjes: Gerade erfahrene Fach- und Führungskräfte können bei der Jobsuche immer mehr Vorteile für sich aushandeln: Extraleistungen wie 60 Tage Urlaub oder 30 Tage Urlaub am Stück sind für gefragte Mitarbeiter durchaus denkbar. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Präsenzkultur ab.

CIO: Woran beobachten Sie das?

Raoul Wintjes: Immer mehr Menschen erhalten die Möglichkeit dort zu arbeiten, wo sie sich wohlfühlen. So kommen Arbeitsverhältnisse zustande, die früher gescheitert wären, und Arbeitnehmer ersparen sich viel Pendelei und Verkehrsbelastung. Nur drei Tage ins Büro zu kommen, ist längst kein Professoren-Privileg mehr.

Auf die Fitness der Mitarbeiter achten

CIO: Das heißt, jeder kann diese Forderung stellen?

Raoul Wintjes: Ich würde genau hinsehen, was in einem Unternehmen möglich ist. Denn überziehen darf man es natürlich auch nicht. Die Verhandlung der Präsenzzeiten verläuft ähnlich wie eine Gehaltsverhandlung. Wer eine Top-Besetzung für einen Job ist, kann durchaus Forderungen stellen.

CIO: Welche Herausforderungen erwarten Manager in diesem Jahr?

Raoul Wintjes: Der Ruf nach sozial kompetenten, teamfähigen und mitarbeiterorientierten Managern wird in 2012 noch lauter. Viele Führungskräfte sind darauf unzureichend vorbereitet.

CIO: Was sollte der ideale Manager denn mitbringen?

Raoul Wintjes: Neben dem IQ und der emotionalen Intelligenz - dem EQ - kommt es immer mehr auf das Körperempfinden der Manager an. Sie müssen nicht nur ein Verantwortungsbewusstsein für ihren eigenen Körper und die eigene Fitness entwickeln, sondern auch auf die Fitness ihrer Mitarbeiter achten.

Raoul Wintjes ist Executive-Consultant der proAct Consulting Berlin. Er arbeitet als Karriere-, Personalberater und Trainer.