Warum IT-Projekte scheitern

CIO muss Chief Change Officer werden

29.07.2010 von Alexander Galdy
Für Jürgen Renfer, Abteilungsleiter IT der Bayerischen Landesunfallkasse, spielt der CIO bei Projekten eine Schlüsselrolle. Begleitet der IT-Chef den Veränderungsprozess nicht, gefährdet er sein Überleben im Unternehmen.

CIO: Warum scheitern viele IT-Projekte?

Jürgen Renfer, IT-Leiter der Bayerischen Landesunfallkasse, gibt Tipps für die Umsetzung von IT-Projekten.
Foto: Christoph Vohler, München

Renfer: Ich rede nicht von IT-Projekten im Allgemeinen, sondern von solchen, die sich so auf das Unternehmen auswirken, dass man damit auch Unternehmensprozesse verändert. Also Projekte, die den einzelnen Mitarbeiter konkret betreffen.

CIO: Was für Projekte sind das?

Renfer: Das hängt von der Breite und Tiefe des Projektes ab. Führen sie beispielsweise eine neue Finanz-Software in einem Unternehmen ein, dann wirkt sich das lediglich auf die Finanzabteilung aus. Also ein meist eher überschaubarer Bereich. Geht es aber um eine IT-Lösung, die größere Gruppen von Mitarbeitern betrifft, dann bringt das ein ganz anderes Handling mit sich. Bei letzterem ist es natürlich sehr schwierig alle Mitarbeiter angemessen einzubinden. Häufig kann die frühe Einbindung deren Interessenvertreter beziehungsweise Key-User als Meinungsbildner helfen. Methodisch ist also ganz früh eine Stakeholder-Analyse angesagt.

CIO: Warum scheitern also IT-Projekte, die sich auf eine große Gruppe von Mitarbeitern auswirken?

Renfer: Verantwortlich sind vor allem zwei Gründe. Zum einen findet dabei eine Veränderung auf persönlicher Ebene statt. Sie wissen doch: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Aus diesem Grund folgt auf unerwartete oder unerwünschte Neuerungen automatisch Ablehnung.

CIO: Wie kann man diese verhindern?

Renfer: In einigen Unternehmen finden sich bereits Institutionen, die sich speziell mit diesem Problem auseinandersetzen. Zum Beispiel könnte ein Change-Manager eingesetzt werden, um die Ablehnung kontrolliert über Einsicht zur Akzeptanz zu führen. Wenn es den nicht gibt, dann gerät der CIO in die Bredouille. Es reicht nämlich nicht aus nur die Technik bereitzustellen. Wenn er sich nicht mit den organisationssoziologischen Problemen beschäftigt, die sich aus der Veränderung ergeben, dann kann das Projekt trotz perfekter Technik eben daran scheitern.

Richtiges Projekt-Timing hinbekommen

CIO: Sie sprachen von zwei Gründen, die verantwortlich für den Misserfolg sind. Was ist die zweite Schwierigkeit?

Renfer: Selbst wenn das Ganze von einer speziellen Institution, wie dem Change-Manager, begleitet wird, spielt das Timing eine wichtige Rolle. Die Ängste der Mitarbeiter vor der veränderten Situation müssen ihnen bereits in der Anfangsphase des IT-Projekts genommen werden.

CIO: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Renfer: Die entsprechenden Abläufe müssen bereits im Anforderungs-Management berücksichtigt werden. Damit erreicht man, dass sich die Widerstände der Mitarbeiter in Grenzen halten und, dass der entsprechende Ablauf der Gestaltung besser geplant werden kann. Natürlich ist klar, dass man trotz einer frühen Miteinbeziehung der Mitarbeiter nicht allen Anforderungen entsprechen kann.

CIO: Ist es Aufgabe des CIOs sich um das betroffene Personal zu kümmern?

Renfer: Ja. Falls es keine geeignete Institution im Unternehmen gibt, muss er den Veränderungsprozess begleiten. Kann er das selber nicht leisten, muss er sich das entsprechende Personal beschaffen. Hauptsache ist, dass er überhaupt erkennt, dass die Mitarbeiter während der Veränderungsphase begleitet werden müssen. Er sollte erkennen, dass er dadurch nur gewinnen kann. Sein dauerhaftes Überleben im Unternehmen hängt schließlich davon ab, dass die Mitarbeiter das annehmen, was er konstruiert hat.

CIO: Haben Sie als Projektleiter in der Vergangenheit ein Change-Projekt durchgeführt, dass aus ihrer Sicht, optimal über die Bühne gegangen ist?

Renfer: Ich kann mich gut an ein großes Vorhaben erinnern. Dabei ging es um eine Stichtagsumstellung. Und zwar haben wir damals die verschiedenen Kernanwendungen mehrerer Verwaltungseinheiten zu einer zusammengefasst. Es war ein Prozess der über zwei Jahre lief.

Stakeholder einbinden und Schulungen durchführen

CIO: Und die User?

Renfer: Ich habe versucht so früh wie möglich alle Stakeholder mit einzubinden. Wir gingen dabei nach Plan vor und haben uns neben den technischen Aufgaben auch um die Vermittlung selektiver Schulungen gekümmert – und zwar für IT-Mitarbeiter als auch Anwender. Dabei wurde allen vermittelt, dass und warum die Neuerung unabdingbar ist. Anschließend haben wir uns daran gemacht eine Stabilität in das Ganze reinzubringen: Auftauen – bewegen – einfrieren. Das bedeutet, wenn die Beteiligten bereit sind ihren Status Quo zu verlassen, dann muss man ihnen die Sicherheit geben, dass die vorgenommen Veränderungen auch bestehen bleiben und nicht im nächsten Monat wieder etwas Neues ansteht.

Management muss den CIO früh einbeziehen

Damit ein CIO die Rolle des CCOs in so einer Weise einnehmen kann, muss er diese aber auch von der Unternehmensleitung zugeteilt bekommen.

Das stimmt. Er muss frühzeitig in das Projekt voll einbezogen werden. Wird er mit seiner Mannschaft nur auf die technische Ebene reduziert, scheitert das Vorhaben sehr oft, denn gerade erst an seinen technischen Lösungen erfährt der Mitarbeiter die Veränderung konkret. Wird diese von den Mitabeitern nicht angenommen, steht er im Ergebnis damit im Aus, denn letztendlich war in vielen Fällen dann vordergründig „die Technik“ schuld. Deshalb ist aktives Veränderungs-Management ein entscheidender Erfolgsfaktor für IT-Projekte.