Corona-Krise

CIOs bieten Politikern Hilfe an

03.12.2020 von Karen Funk
Deutsche CIOs haben angeboten, aktiv zur Bewältigung der Corona-Pandemie beizutragen. Mit IT-Lösungen und Prozesskompetenz ließen sich viele Probleme in den Griff bekommen, heißt es in einem Positionspapier.
Gemeinsam gegen Corona: IT-Managerin Anke Sax hat mit CIO-Kolleg*innen eine Initiative gestartet, um der Politik bei der Pandemiebekämpfung zu helfen.
Foto: Foto Vogt

Als im Oktober klar wurde, dass aufgrund der steigenden Corona-Zahlen ein wie auch immer gearteter zweiter Lockdown in Deutschland kommen würde, reichte es Anke Sax. Die ehemalige IT-Chefin der dwpbank fragte sich, warum es nach wie vor kein übergreifendes Konzept zur Bekämpfung der Pandemie und ihren Folgen gibt.

"Es kann doch nicht die Lösung sein, dass 5.000 Bundeswehrsoldaten Corona-infizierten Personen hinterhertelefonieren müssen", ärgert sich Sax. "Wir haben doch Lösungen, wir können das doch", sagt sie und bezieht sich auf CIOs und IT-Entscheider in den Unternehmen, die bislang von der Politik zu wenig um Rat gefragt worden seien. "Es geht darum, möglichst schnell einen Diskurs zu starten", bekräftigt Sax.

CIOs kennen sich mit Krisen aus

Jürgen Renfer gehört zu den Initiatoren des CIO-Positionspapiers und hofft auf weitere Unterstützer.
Foto: C. Vohler, München

Die Managerin suchte und fand Mitstreiter - allen voran Jürgen Renfer. Der langjährige CIO einer Versicherung sagt: „CIOs haben in der Pandemie gezeigt, dass sie mit Krisen umgehen können. Deshalb ist es an der Zeit, CIOs zu unabhängigen und ehrenamtlichen Beiträgen in der digitalen Pandemiebekämpfung aufzurufen, damit es hier endlich vorangeht.“ Die Defizite in den Gesundheitsämtern und Schulen seien doch seit Monaten unübersehbar. Auch in der Impflogistik rechnet Renfer mit Engpässen. „Wir haben die Lage sondiert und konkrete Handlungsfelder formuliert, wo wir unsere tätige Mithilfe anbieten,“ so der CIO. Er bezieht sich auf ein Positionspapier, das Sax und er mit weiteren Akteuren entworfen haben.

Darum geht es im Corona-Positionspapier

Ziel der Initiative ist es, "einen Diskurs darüber zu starten, wie Technologie- und Prozessoptimierungen dazu beitragen können, die möglichen Folgen eines dritten Lockdowns beziehungsweise zukünftige Pandemien besser in den Griff zu bekommen". In drei Punkten sehen die Befürworter konkrete Möglichkeiten, das Infektionsgeschehen eindämmen zu können:

Den Teilnehmern der Initiative geht es zunächst um eine schnelle Vernetzung aller an der Pandemiebekämpfung beteiligten Einrichtungen, einen umfassenden DSGVO-konformen Datenaustausch und die Nutzung von Apps. Geschwindigkeit sei entscheidend, deshalb könnte man zunächst mit einfachen Lösungen (Minimum Viable Products) starten, und später nachbessern.

Apps, CO2-Ampeln und Abstand-Tracker

Die Corona-App sollte nach Meinung der CIOs dringend erweitert werden - selbstredend unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Denkbar seien zum Beispiel freiwillige Datenspenden. "Wir sind davon überzeugt, dass es eine ausreichende Anzahl von Menschen geben wird, die Daten freigeben würden, um wertvolle Informationen zu generieren", heißt es in dem Positionspapier. Die Verfasser beziehen sich auf eine Studie vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, wonach 73 Prozent der App-Nutzer zu einer freiwilligen Spende bereit wären, sofern sie selbst mehr Erkenntnisse über ihren eigenen Schutz vor Infektionen erhielten.

Neben der Vernetzung aller pandemiebekämpfenden Instanzen plädieren die Initiatoren für eine verstärkte technische, organisatorische und regulatorische Unterstützung der Schulen. Dort könnten Taskforces und technischen Hotlines helfen, die sich mit Unterstützung von Unternehmen vor Ort realisieren ließen.

In Schulen, aber auch in der Gastronomie oder in kulturellen Einrichtungen empfehlen die IT-Manager, Abstands-Tracker oder CO2-Ampeln einzusetzen. So lasse sich verhindern, dass kritische Kontaktsituationen überhaupt erst entstehen.

Derzeit werden 14 Milliarden Euro aus Steuermitteln für den zweiten "Lockdown Light" im November ausgegeben. Die CIOs möchten bewirken, dass ein Teil dieses Geldes für Maßnahmen eingesetzt wird, die eine Wahrscheinlichkeit zukünftiger Lockdowns mit den entsprechend negativen Auswirkungen reduzieren.

Erste Unterstützer an Bord

Sax und Renfer sehen sich und andere IT-Entscheider aus der IT in einer gesellschaftlichen Verantwortung, aktiv auf die Politik zuzugehen, sich Gehör zu verschaffen und ihre konkrete Unterstützung anzubieten. Inzwischen haben sie eine Reihe von Akteuren aus der IT-Branche für ihre Initiative gewonnen. Brigitte Falk (CIO und COO Forcam), Nino Messaoud (CDO von Barry-Wehmiller), Laurenz Kohlleppel (Aufsichtsratsmitglied der GBS Software AG), Walter Kirchmann (zuletzt CEO der Finanz Informatik Technologie Service) und Günter Mattinger (zuletzt Geschäftsführer Finanz Informatik Technologie Service) haben das Positionspapier mitgestaltet.

Otto-CIO Michael Müller-Wünsch möchte als Good Corporate Citizen die Politik in der Krise unterstützen.
Foto: Otto

Auch Michael Müller-Wünsch, CIO von Otto, ist an Bord und aktiviert derzeit seine politischen Kontakte. Sein Credo: "CIOs und ihre Communities sollten als Good-Corporate-Citizens noch stärker eingebunden werden, um Pandemien wie diese und vergleichbare Krisen - neben der medizinischen Lösung durch Impfstoffe - auch durch verbesserte, digitalisierte Lösungen zu bewältigen."

Hoffen auf eine Einladung

Die Initiatoren hoffen nun auf Gespräche mit den politischen Entscheidern. "Wir müssen doch mal anfangen zu diskutieren", sagt Sax. Um optimal zu helfen, müsse man die Probleme der Politiker in vollem Umfang verstehen. "Dann zeigen wir ihnen unseren Tool-Kasten. Da geht was!", zeigt sich Sax zuversichtlich.

Damit die Politik aufmerksam wird und das in vielen Unternehmen vorhandene technische, prozesseitige und logistische Know-how nutzt, wünschen sich die Initiatoren, dass sich noch mehr CIOs und IT-Entscheider anschließen. Es gehe darum, die politischen Entscheider auf allen Ebenen aktiv anzusprechen und möglichst viel Aufmerksamkeit für die in den Unternehmen längst vorhandene professionelle Problemlösungskompetenz zu generieren.

Menschen eine Stimme geben

Was motiviert Anke Sax zu dieser Initiative? "Ich möchte Menschen eine Stimme geben, die gerade komplett vergessen werden", sagt die Managerin und meint damit Gastronomen, Hoteliers, Solo-Selbständige, Künstler und Winzer. Auch letztere machen derzeit weniger Umsatz, weil die Gastronomie am Boden liegt, erklärt die Freiburgerin.

Renfer legt nach: "Konsequente Digitalisierung tut bei den verbliebenen weißen Flecken in der Corona-bedingten Express-Digitalisierung jetzt Not: unabhängig, ehrenamtlich und dem Ergebnis zum Wohl aller verpflichtet." Er appelliert direkt an die CIO-Kolleginnen und -Kollegen: "Packen wir's gemeinsam mit an - seien auch Sie mit dabei."

Kurzversion des Corona-Positionspapiers herunterladen

Interessierte können sich gerne an Anke Sax wenden.