Radikale Einschnitte bei Projekten und Services nötig

CIOs dürfen keine Rücksicht nehmen

11.02.2009 von Nicolas Zeitler
CIOs müssen in der Wirtschaftskrise den Anwendern Einschnitte beim IT-Komfort zumuten. Sie sind aus Kostengründen gezwungen, Service Levels herunterzufahren und nicht rentable Projekte gnadenlos zu streichen. Unternehmen handeln bisher kaum so, wie es die Krise verlangt.

Für IT-Nutzer in Unternehmen könnte die Wirtschaftskrise spürbare Folgen haben. Rainer Bernnat, Partner und Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Booz & Co. empfiehlt IT-Abteilungen, an der Sparschraube zu drehen. "Der IT-Komfort war in den vergangenen Jahren auf einem sehr hohen Level, in der jetzigen Situation müssen wir ihn wieder auf ein normales Maß herunterfahren", fordert er.

Projekte, die nicht innerhalb von drei bis fünf Jahren rentabel sind, gehören gestrichen, mein Rainer Bernnat von Booz & Co.
Foto: Booz&Co

Soll heißen: CIOs sollen sich nicht scheuen, Service Levels zurückzuschrauben. Die Anwender müssten damit leben, dass sich zum Beispiel beim firmeneigenen IT-Support die Antwortzeiten verlängerten. Auch solle der IT-Chef überlegen, ob er etwa die Investitionszyklen für neue Infrastruktur von zwei auf vier Jahre verlängere.

Was Projekte angehe, gelte es, ein ähnlich "dramatisches Kostenbewusstsein" zu entwickeln wie nach dem Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende, meint Bernnat. "Radikale Kürzungen" dürften die Verantwortlichen dabei nicht ausschließen. Für ausufernde CRM- oder CMS-Projekte zum Beispiel sieht der Booz-Berater derzeit keinen Raum. Die IT-Chefs sollten keine Vorhaben anstoßen, bei denen nach drei bis fünf Jahren die Investitionen nicht wieder eingefahren seien.

Für IT-Anbieter sieht Rainer Bernnat die Krise sowohl als Risiko wie auch als Chance. Sparmaßnahmen in den Firmen hätten natürlich Auswirkungen auf deren Geschäft.

Bernnat sieht "enormes Konsolidierungspotenzial" bei der Beschaffung von IT-Leistungen. Als Beispiel nennt er den öffentlichen Sektor. Wenn sich benachbarte Städte oder Gemeinden zusammenschlössen, um gemeinsam IT-Dienste einzukaufen, könnten sie viel Geld sparen.

Krise als Chance für IT-Dienstleister

Gleichzeitig will der auf den öffentlichen Sektor spezialisierte Bernnat die derzeitige wirtschaftliche Lage auch als Chance für IT-Anbieter verstanden wissen. Vor allem das zweite Konjunkturpaket der Bundesregierung nährt seine Hoffnung. "Der Bund kann viele IKT-Maßnahmen, die für 2010 und 2011 geplant waren, vorziehen, um jetzt die Binnen-Nachfrage anzukurbeln", meint Bernnat. Beispielhaft nennt er den Ausbau von Breitband-Netzen, die einheitliche Behörden-Rufnummer 115 oder den digitalen Funk.

Vier Gruppen von Firmen hat eine Studie von Booz & Co. ermittelt. Stable, strong, failing und struggling companies. In allen Gruppen zeigt sich, dass das Vertrauen in die Führung, Krisenpläne umzusetzen, geringer ist als der Glaube an den Plan selbst.
Foto: Booz

Was die Stimmung unter Führungskräften vor dem Hintergrund des weltweiten Wirtschafts-Tiefs angeht, herrscht der Umfrage "Recession Response - Why Companies Are Making the Wrong Moves" von Booz & Co. derzeit große Verunsicherung. So glaubt zwar die Mehrheit der 800 befragten Manager, ihr Unternehmen werde letztlich gestärkt aus der Krise hervorgehen. Gleichzeitig misstrauen 40 Prozent aber den Konzepten, mit denen das eigene Unternehmen auf die Krise reagiert. Von den Befragten der C-Ebene - die diese Konzepte in den meisten Fällen mitverantwortet haben dürften - sind es immerhin 34 Prozent, die die Konzepte mit Zweifeln betrachten.

Management muss hinter Konzepten stehen

Wie es zu der Kluft zwischen Misstrauen und gleichzeitigem Vertrauen auf eine Stärkung des eigenen Betriebs kommt, lässt sich laut Bernnat nur schwer erklären. Möglicherweise herrsche eine Art Zweckoptimismus, meint er. Wichtig sei es, dass sich das Management klar erkennbar hinter die eigenen Konzepte gegen die Krise stelle. "Nur so ist das Vertrauen wieder herstellbar", sagt er.

Viele Firmen reagieren indes noch kaum oder falsch auf die Krise, wie die Befragung der Booz-Analysten zeigt. Möglicherweise verharrten manche noch in einer Art Schockstarre, vermuten die Marktbeobachter. Und gerade was ihre Liquidität angeht, haben offenbar viele Unternehmen den falschen Weg eingeschlagen. So hat bisher nicht einmal die Hälfte der Firmen, die der Umfrage zufolge schon ins Straucheln geraten sind, sich von Vermögenswerten getrennt oder ihr Bemühen erhöht, neue Geldquellen zu erschließen.

Auch was die Möglichkeit, Verträge mit Lieferanten und Dienstleistern nachzuverhandeln, angeht, sind die finanziell angeschlagenen Unternehmen offenbar bisher zögerlich. Zwischen einem Viertel und einem Drittel von ihnen gaben an, sie verfolgten solche Maßnahmen, die langfristig Geld sparen können, bisher nicht mit mehr Nachdruck als vor der Krise.

Starke Firmen schrecken vor M&As zurück

Kein gutes Zeugnis: Aus Sicht der Berater von Booz & Co. tun viele Firmen als Reaktion auf die Krise das Falsche.
Foto: Booz & Co.

Umgekehrt verhalten sich auch die finanziell gut aufgestellten Firmen falsch. Booz & Co. zufolge wäre eigentlich zu erwarten, dass Unternehmen, die der Abwärtsstrudel noch nicht erfasst hat, ihre starke Stellung ausnutzen und beispielsweise finanzschwache Konkurrenten aufkaufen. Doch ein Fünftel tätigt derzeit bewusst keine Zukäufe oder Zusammenschlüsse - möglicherweise aus Furcht, dafür keine Finanzierungsbeihilfen von außen auftreiben zu können, vermuten die Analysten. Gerade stark aufgestellte Firmen konzentrierten sich oft zu sehr darauf, Kosten zu senken.

Die Untersuchung von Booz & Co. kommt zu dem Schluss, dass offenbar in vielen Firmen eine unrealistische Sicht auf die Wirklichkeit herrsche. Wer sein Unternehmen sicher durch die Krise schiffen wolle, so die Berater, müsse zunächst einmal die Umgebung und seine eigene Position darin analysieren