Mark Raskino im Interview

"CIOs müssen mehr Risiken eingehen"

29.01.2015 von Karin Quack
Geschäftsführer und IT-Chefs haben wenig gemeinsam – wenn man Mark Raskino, Vice President und Gartner-Fellow, glauben will. Das gelte vor allem für den Umgang mit Risiken, so der Analyst im Interview.

Glaubt man den Ergebnissen der aktuellen CEO-Befragung des Analystenhauses Gartner, zählen für mehr als 40 Prozent der Unternehmenslenker IT-bezogene Themen zu den fünf wichtigsten Business-Anforderungen innerhalb der kommenden zwei Jahre. Gartner-Fellow Mark Raskino sieht diese Entwicklung als "historische Chance für den CIO" an. Wir haben mit Raskino über die Studienergebnisse und die Rolle des CIOs in den Unternehmen gesprochen.

Mark Raskino sieht die Bedeutung des CIOs in den kommenden Jahren wachsen.
Foto: Karin Quack

Wenn IT so wichtig für die Unternehmen ist, wieso kommt es dann so selten vor, dass ein CIO zum CEO aufsteigt?

Mark Raskino: Das Ziel des CEO ist es, Kunden zu gewinnen und Umsatz zu machen. Aber davon haben 75 bis 80 Prozent der CIOs keine Ahnung. Es ist sehr schwierig, Geschäftsführer eines Unternehmens zu werden, wenn man niemals für Gewinne und Verluste verantwortlich war.

Allenfalls 20 Prozent der Menschen, die irgendwann in ihrem Leben einmal CIOs gewesen sind, üben vorher oder nachher auch andere Führungsjobs aus, beispielsweise als COO, CFO oder Chef der Supply-Chain. Diese Individuen können eventuelle auch einmal CEOs werden. Aber es ist so gut wie ausgeschlossen, dass ein CIO direkt einen CEO beerbt. Das würde die Investoren schon ziemlich nervös machen.

Für Investoren ist der CIO doch der Typ, der in den vergangenen Jahren die Computer betrieben hat. Da hat der Personalverantwortliche noch bessere Aufstiegschancen, denn Mitarbeiter zu managen hat in den Augen der Investoren mehr Bezug zum Business als Computer zu betreuen. Wäre der Chief Information Officer wirklich für die Informationen verantwortlich, sähe das anders aus: Informationen bedeuten Macht. Aber paradoxerweise gehören dem CIO ja nicht die Daten, sondern nur die Behälter, in denen die Daten existieren.

Datenorientierung sticht Prozessorientierung aus. Dabei galt letztere lange Zeit als das Evangelium der IT. Was ist passiert?

Mark Raskino: In den frühen Tagen des Computerzeitalters war der Prozess das, was das Business voranbringen sollte. Nicht zuletzt wegen des Erfolgs von Google repräsentieren heute Daten die zentrale Macht der IT. Wir sind auf dem Weg in eine Data-first-Process-second-Welt. Dabei geht es auch um Masse und Geschwindigkeit, aber vor allem um die unterschiedlichen Kategorien von Daten: DNA-Daten, geografische Daten, ja sogar emotionale Zustände in Datenform. Aus diesem Universum schöpfen die Unternehmen ihre Wettbewerbsvorteile.

Acht Tools für die Datenvisualisierung
Piktochart
Vorlagen helfen beim Gestalten von topmodernen Infografiken. Die Pro-Sektion hält Vorlagen für typische Geschäftsthemen bereit.
Simpel, aber effektiv
Der Editor von Piktochart funktioniert wie ein stark abgespecktes Grafikprogramm. Mit simplen Werkzeugen können die Vorlagen editiert und angepasst werden.
Google Charts
Google Charts bietet eine Galerie mit allen erdenklichen verschiedenen Diagramm-Typen.
Eher etwas für Entwickler
Das Tool ist extrem flexibel, aber eindeutig ein Fall für Entwickler.
iCharts
Die nüchterne Oberfläche von iCharts ist im Windows-Stil gestaltet.
Datenfutter
Die Stärke von iCharts ist nicht gerade die Oberfläche oder Optik der damit generierten Diagramme, dafür gelingt es leicht, den Dienst mit Daten zu füttern.
Easel.ly
In den Tausenden Vorlagen bei Easel.ly findet sich fast für jeden Zweck ein schon vorgestaltetes Diagramm.
Oberfläche
Mit der komfortablen Oberfläche gelingen in kurzer Zeit top gestaltete Infografiken und Charts.
Galerie
Die Galerie von Easel.ly bietet über eine Million öffentliche Infografiken. Jede davon kann in den Editor Modus geladen werden.
Infogr.am
Die Oberfläche von Infogr.am ist sofort verinnerlicht und extrem übersichtlich.
Große Auswahl
Bei den Charttypen lässt Infogr.am keine Wünsche offen.
Datenupload
Infogram kann mit hochgeladenen Daten gefüttert werden und erzeugt daraus schicke, editierbare Charts.
ChartsBin
ChartsBin wandelt eingegebene Datensätze ins gewünschte Kartenformat um.
Teilen und kommentieren
Die fertigen Karten können leicht geteilt und kommentiert werden.
Venngage
Venngage beherrscht alle gängigen Diagramm-Typen. Bei ausgefallenen wird jedoch das Premium-Upgrade Pflicht.
Rechteverwaltung
Das Veröffentlichen (wahlweise public oder private) der Grafiken oder Teilen auf sozialen Netzen klappt mit einem Klick aus dem Editor heraus.

Da ist es unvermeidlich, dass die Unternehmen jemanden brauchen, der für dieses Asset im Besonderen verantwortlich zeichnet. Die erste Version dieser Rolle ist der Chief Data Officer. Im Augenblick gibt es vermutlich nur etwa 200 davon, hauptsächlich in Banken und Behörden, manchmal auch im Gesundheitsbereich. Die Idee, Daten als Produktionsmittel zu betrachten, ist aber auch noch relativ neu.

Übrigens berichten mehr als 60 Prozent der Chief Data Officers derzeit nicht an den CIO, sondern häufig direkt an den CEO. Irgendwann l werden sie wohl an den Chief Information Officer berichten - aber erst dann, wenn diese Person wirklich für die Informationen zuständig ist. Der IT-Direktor, wie wir ihn heute kennen, hat nicht genug Macht, um sich gegen Torpedierungsversuche aus anderen Unternehmensbereichen durchzusetzen.

Bloße Befehlsempfänger

Chief Data Officer oder Chief Digital Officer - Wozu sind diese neuen Rollen nötig, die viele CIOs als Teil ihrer ureigensten Aufgaben sehen?

Mark Raskino: Tatsächlich glaubt die Mehrzahl der CIOs, sie könnten diese Aufgaben erledigen. Aber sie können es nicht. Denn in vielen Unternehmen sind sie bloße Befehlsempfänger. In den vergangenen zehn Jahren haben sie das gemacht, was andere ihnen aufgetragen haben, beispielsweise die IT-Kosten verringert. Zu wenige von ihnen haben wirklich starke Geschäftsideen.

Die CEOs suchen nach Möglichkeiten, wie sie mit Hilfe von Technik ihr Geschäft verändern können. Wenn ein CIO hier helfen kann, dann sollte sie das unbedingt und sofort unter Beweis stellen. Aber die meisten haben tatsächlich noch nicht darüber nachgedacht oder sich gar praktisch damit beschäftigt. Deshalb suchen die CEOs nach Chief Digital Officers, die unternehmerisch denken und die gern Risiken eingehen. Die IT ist ja vor allem gut darin, Risiken zu vermeiden.

Woher kommt die plötzliche Risikobereitschaft der Geschäftsführer und Vorstände, wenn es um den Einsatz neuer Techniken geht?

Mark Raskino: Das ist derzeit Mode. Blättern Sie durch das Wall Street Journal, und Sie finden: Tech, Tech, Tech… CEOs bewundern Unternehmen, die mit Hilfe von Technik richtig Geld machen: Google, Amazon, Facebook. Und egal, was das Unternehmen herstellt, jeder will so ein bisschen Apple-ness oder Google-ness für sich selbst. Im Augenblick ist Technologie einfach heiß, denn dort das Geld und die Macht - zumindest in unserer Gesellschaft.

Die Geschichte von Google
Der Investor
Mit einer Investition von 100.000 Dollar durch den Sun-Gründer Bechtolsheim beginnt die Geschichte von Google - der Investor verdient dadurch knapp zwei Milliarden.
Backrub
Die in Standford entwickelt Suchmaschine Back Rub ist Vorläufer von Googles Suche. Die Hand im Logo ist übrigens die von Larry Page - der das Foto mit einem Kopierer erstellte.
Hypermodern
Die heutigen Data Center sind weit moderner. Hier wurde eine finnische Papierfabrik an der Ostsee zum Rechenzentrum umgebaut, zur Kühlung kommt Meerwasser zum Einsatz.
Endloses Betastadium
Die erste Version der Google-Website bezeichnet Google noch als "Beta", was auch für viele weitere Projekte wie Google Mail übernommen wird. Die Suchmaschine ist aber bereits früh ein ausgereiftes Angebot.
Die Väter des Erfolgs
Serge Brin und Larry Page lernen sich in Standford kennen, sie gründen 1998 Google. Seit 4. April 2011 ist Page CEO von Google, ein Posten den er ab 2001 an Eric Schmidt abgegeben hatte.
Zwei weitere wichtige Köpfe: David Cheriton...
Der Stanford-Dozent David Cheriton vermittelt den beiden Firmengründern den Kon-takt zu Bechtolsheim und andern Investoren. Auch er ist durch die Investition in Google heute Milliardär.
... und Eric Schmidt
Der Infomatiker und Manager Eric Schmidt kommt 2001 zu Google. Nach Stationen bei Sun als CTO und Novell als CEO übernimmt er den Posten des CEO bei Google. Am vierten April 2011 wechselt er in den Verwaltungsrat von Google.
Ab an die Börse
Der Börsengang am 19. August 2004 ist für Google ein großer Erfolg. Ende 2013 er-reicht sie erstmals einen Stand von 1000 Dollar, was einem Firmenwert von 327 Milli-arden entspricht.
Es geht nur in eine Richtung...
Seit der Gründung von Google sind Umsatz und Gewinn kontinuierlich gestiegen. Auf-fällig sind die Umsatzsteigerungen der beiden letzten Jahre, obwohl hier durch den Kauf von Motorola hohe Verlusten entstanden.
Alle wollen zu Google
Bei der Frage nach dem beliebtesten Arbeitgeber ist Google auch in Deutschland im-mer auf einem der ersten Plätze. Grund dafür ist ein Ruf als innovativer Markführer, der sich gut um seine Mitarbeiter kümmert.
Männerdomäne
Die Anzahl der Frauen bei Google ist eher gering, 70 Prozent der knapp 48.000 Ange-stellten (und 83 Prozent der Entwickler) sind männlich. Auch Minderheiten sind nur schwach vertreten, was von Google als Problem angesehen wird.
Wettbewerber Facebook
Facebook ist zwar keine Suchmaschine, die Plattform von Mark Zuckerberg hat aber eine Nutzerzahl von 1,23 Milliarden und ist als Anbieter von Werbeplatz eine echte Bedrohung für Google - sinkt doch der Stückpreis für Werbung und ist das Mobilge-schäft noch im Aufbau.
Kreativer Freiraum
Google macht immer wieder mit coolen Büro-Fotos auf sich aufmerksam, hier etwa mit einem als Iglu gestalteten Besprechungsraum.
Venedig-Feeling
Wahlweise kann eine Besprechung in einer Gondel abgehalten werden.
Die alles beherrschende Suchmaschine
Google ist als Suchmaschine Marktführer, Konkurrenten wie Bing, Yahoo und DuckDuckGo haben da wenig Chancen. Vor allem bei der Suche nach deutschen Seiten ist ihnen Google klar überlegen.
Spielchen für Zwischendurch
Die Suchmaschine bietet viele versteckte Funktionen wie „zerg rush“: Gibt man den Befehl in der Suchleiste ein, zerschießen kleine Buchstabe alle Suchtreffer auf der Website.
Immer ausgefeiltere Angebote
Eine Neuerung bei der Google-Suche ist der so genannte Knowledge Graph - sucht man beispielsweise Informationen zu einem Film, sind diese im rechten Seitenbereich zu sehen. Dabei greift Google auf fremde und eigene Quellen zurück.
Google Plus
Google Plus ist eine direkte Antwort auf Facebook, Google soll etwa tausend Angestellte auf dieses Projekt angesetzt haben.
Google Maps
Seit 2005 gibt es den Dienst Google Maps, der immer mehr Funktionen erhält. Beein-druckend sind die hoch aufgelösten Satellitenfotos, das Schwesterprodukt Google E-arth ist mittlerweile in Google Maps integriert. Interessant für Android-Nutzer: In einigen Städten werden auf Android-Geräten bereits Daten öffentlicher Verkehrsmittel angezeigt.
Das eigene Tablet
Googles Tablet Nexus 7 ist eines der erfolgreichsten Android-Tablet. Vor allem in Deutschland ist Android sehr erfolgreich und erreicht bei Smartphones bereits einen Marktanteil von über 75 Prozent.
Der ewige Kampf ums Straßenbild
Nur dank einer ganzen Flotte an Kamera-Fahrzeugen konnte Google Streetview anbieten. Das Angebot stieß aber unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes bald auf Kritik. In Österreich ist Streetview seit kurzem sogar verboten.
Google Glass
Wenig Begeisterung bei Datenschützern löst Google neues Produkt Google Glass aus. Die in den so genannten Google-X-Labs entwickelte Brille kann Informationen im Sichtfeld des Benutzers einblenden, die integrierte Kamera wird aber zum Hauptthema und sorgt für einige Verbote - unter anderem in britischen Kinos.
Die Zukunft: Ab auf die Straße
Selbstfahrende Autos sind schon länger ein Thema für Google, im Mai 2014 präsentiert das Unternehmen einen ersten Prototyp. Dank Laser-Scanner und vieler Sensoren soll es äußerst sicher sein. Laut Brin sei es schließlich Verschwendung, wenn Autos ungenutzt herumstünden. Selbstfahrende Autos könnten einfach neue Passagiere aufnehmen.

Außerdem wissen alle, dass diese Unternehmen auch eine Bedrohung darstellen. Google kann der Automobilindustrie vorschreiben, was die machen soll, und Amazon kontrolliert die Buchindustrie. Und das bringt die CEO dazu, ebenfalls etwas tun zu wollen - genau jetzt. Vor der Rezession haben sie Geld mit billigen Krediten gemacht, in der Rezession waren sie mit Überleben beschäftigt, und jetzt ist der Zeitpunkt, an dem sie ihr Geschäft grundsätzlich neu überdenken.

Risiken eingehen? - "Das ist ihr Job"

Der CIO ist also der Bedenkenträger. Aber was ist mit den tatsächlichen Risiken? Inwiefern wissen CEOs überhaupt darüber Bescheid, was da passieren könnte?

Mark Raskino: CEOs gehen jeden Tag Risiken ein. Das ist ihr Job. Und diese Risiken sind meist viel größer als diejenigen, die die IT mit sich bringt. Wenn ich der CEO einer Fluggesellschaft bin und einen Konkurrenten übernehme, lege ich Hunderte von Millionen von Dollars oder Euros auf den Tisch - bei üblicherweise geringen Margen und großen Beschäftigtenzahlen, wie sie in der Luftfahrtindustrie gang und gäbe sind. Baue ich hier Mist, zerstöre ich Hunderte oder Tausende von Lebensentwürfen meiner Mitmenschen. Das nenne ich ein Risiko.

Wenn der CIO von Gefahren spricht, sind die aus seiner Perspektive sicher schwerwiegend, aber das muss man in Relation zum Gesamtunternehmen sehen. Und was der CIO ein Risiko nennt, registriert der CEO oft nicht einmal. Deshalb gilt der CIO als überängstlich, risikoscheu und perfektionistisch. Gut, um die Ordnung zu erhalten, nicht gut, um neues Geschäft zu gewinnen.

Die Investitionen in Technologie steigen, die IT-Budgets stagnieren. Wie passt das zusammen?

Mark Raskino: Im Durchschnitt berichten 60 Prozent der CIOs nicht direkt an den CEO - und zwar schon seit Jahren. Das heißt: Geschäftsführer oder Vorstände finden es offenbar nicht wichtig, dass sie sich direkt mit dem CIO austauschen können.

Die Technologie-Investitionen nehmen zwar rapide zu - aber meist außerhalb des IT-Bereichs. Und an dieser Situation tragen die CIOs teilweise selbst die Schuld: Jedes Mal, wenn ein CIO sagen: Diese Embedded-Technologie oder diese Website liegt nicht in der Verantwortung der IT, schwächt er sich selbst. Er weist genau das von sich, was für das Unternehmen den größten Unterschied macht.

Die Top 10 Trends 2015 von Gartner
Die Top 10 Trends 2015 von Gartner
Traditionelle Business-Jobs werden durch Digital Worker ersetzt. Gartner stellt zehn Prognosen für IT-Organisationen und Anwender für die kommenden Jahre vor. Die zehn Punkte sind folgende:
1. Punkt
2018 braucht die digitalisierte Arbeitswelt 50 Prozent weniger klassische Geschäftsprozess-Experten und dafür 500 Prozent mehr Kandidaten für digitale Schlüsselpositionen.
3. Punkt
Intelligente Maschinen und industrialisierte Services werden die Total Costs of Ownership geschäftlicher Abläufe bis 2018 um 30 Prozent senken.
4. Punkt
Bis 2020 steigern Wearable Devices zu Gesundheitsfragen die Lebenserwartung in den Industrienationen um weitere sechs Monate.
5. Punkt
Ende 2016 kaufen mobile digitale Assistenten für mehr als zwei Milliarden US-Dollar online ein.
6. Punkt
Die Hälfte des digitalen Handels wird in den USA 2017 mobil ablaufen.
7. Punkt
Erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle basieren 2017 zu 70 Prozent auf vorsätzlich instabilen Prozessen.
8. Punkt
Die Hälfte der Investitionen in Produkte bezieht sich 2017 auf Kundenerfahrungen mit bisherigen Produkten.
9. Punkt
Fast jeder fünfte Anbieter dauerhafter Güter stellt 2017 mit 3D-Druck personalisierte Waren her.
10. Punkt
2020 steigern Händler, die ihre Zielgruppenansprache mittels IPS (Internal Positioning Systems) verbessern, ihre Absätze um fünf Prozent.