Wie ITler zu Managern werden

CIOs planen ihre Karriere nicht

28.10.2010 von Andrea König
Dass sie einmal CIO werden, haben die wenigsten IT-Chefs gezielt geplant. Karriere-Forscher Michael Baurschmid erzählt im Interview vom Werdegang in der IT.
Michael Baurschmid hat für seine Promotion mit 40 CIOs lange Gespräche geführt. Ein Ergebnis: Die Karrieren verlaufen höchst unterschiedlich. Von Anfang an angestrebt haben den Posten des IT-Chefs die wenigsten.

Wer auf den Posten eines CIOs gelangt, hat das in der Regel nicht von langer Hand geplant. IT-Chefs agierten eher chancen- als zielorientiert, hat der Wirtschaftswissenschaftler Michael Baurschmid herausgefunden. Er hat für seine Doktorarbeit an der Universität Duisburg-Essen 40 CIOs befragt. Wir haben mit ihm gesprochen.

CIO.de: Warum haben Sie sich in Ihrer Dissertation für die Beschäftigung mit CIOs entschieden?

Baurschmid: Es liegt natürlich nahe, sich mit einem Berufsbild auseinanderzusetzen, welches einen wichtigen Stellenwert in einer Organisation hat und bei dem die Positionsinhaber einen nachweisbaren Karriere-Erfolg aufzeigen können. Zudem sind die CIOs in einer entscheidenden Position, da sie im Rahmen ihrer Personalverantwortung auch über die Karriere-Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu entscheiden haben. Der CIO darf sich also nicht nur aus Eigeninteresse mit dem Thema beschäftigen, sondern ist im Rahmen seiner Führungsverantwortung in gewisser Weise auch für seine Mitarbeiter dazu verpflichtet.

CIO.de: Was ist das Besondere an Ihrem Ansatz?

Baurschmid: Hauptziel ist, wie es in der systemischen Beratungstheorie heißt, zu "irritieren", also zum Nachdenken anzuregen, die eigene Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und dabei die gängige Steuerungsmöglichkeiten von Karrieren zu hinterfragen. Die Arbeit eröffnet eine neuartige Sichtweise auf Karriere des CIO, wobei nicht mehr das berufliche Rollenbild im Vordergrund steht, sondern der Einfluss der persönlichen Identität auf die individuellen Möglichkeiten.

CIO.de: Warum bleiben die von Ihnen befragten CIOs anonym?

Baurschmid: Karrieren verlaufen immer höchst individuell, sind vielfach durch Zufälle geprägt und beinhalten auch negative Umstände im Berufs- beziehungsweise Privatleben. Das Bewältigen bestimmter Lebensereignisse, wie Höhepunktsituationen, Ereignisverstrickungen, dramatische Wendepunkte, Krisensituationen und allmähliche Wandlungen sind notwendig, um Karriere zu machen. Solche Details werden in der Regel von Menschen immer nur in einem sehr kleinen Kreis geteilt. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive sollten aber gerade diese Einflussfaktoren identifiziert werden. Die zugesicherte Anonymität hat zu einem offeneren Gesprächsverlauf geführt und schützt natürlich die Privatsphäre der teilnehmenden CIOs.

CIO.de: Was ist Ihnen bei der Befragung der CIOs besonders aufgefallen?

Baurschmid: Der Großteil der CIOs plante die Karriere nicht zielorientiert auf diese spezifische Position hin, sondern agierte chancenorientiert, was als "Test- und Lern-Ansatz" zu bezeichnen ist. Einige CIOs folgen dem Credo: "Travailler pour le Roi de Prusse" - was übertragen nichts anderes bedeutet, als eine Sache idealistisch um ihrer selbst willen zu unternehmen, ohne in erster Linie auf die zu erwartende Belohnung zu sehen. Anders als bei einem "Planungs- und Implementierungsansatz" werden die Steuerungsfähigkeit des Karriereverlaufs und die Beeinflussungsbemühungen anders eingeschätzt.

CIO.de: Was ist Ihnen noch aufgefallen?

Baurschmid: Die CIOs sehen, aufgrund der Einzigartigkeit der Position, sich selbst in der verantwortlichen Rolle, ihre Karriere zu entwickeln. Für die Profession gibt es nahezu keine speziellen Führungskräfteentwicklungsprogramme und selten Nachfolgeregelungen, Karrieresystematiken oder nominating committees. Der Einsatz von Karrieresystemen ist jeweils sehr stark vom Reifegrad der Organisation abhängig. Eine eindeutige Erwartungshaltung an die Position mit klar definierten Verantwortlichkeiten und messbaren Erfolgskriterien sollte bereits vor dem Stellenantritt schriftlich dokumentiert sein.

Hilfe für die CIO-Karriere

CIO.de: Wie stark bestimmen andere das Bild des CIOs?

Baurschmid: Der Karriereverlauf eines CIOs ist nicht nur von der Person selber abhängig, sondern wird ganz wesentlich durch die Beobachtung beziehungsweise Beurteilung anderer verantwortlicher Personen in einer Organisation über den CIO und die IT-Abteilung beeinflusst. Den CIOs fehlt in der Praxis teilweise das nötige Bewusstsein über die Funktionsweise relevanter Wahrnehmungsaspekte und Wirklichkeitskonstruktionen, die sich hinter den Prämissen managerialen Entscheidungsverhaltens und pathologischen Kommunikationsroutinen in Organisationen verbergen. Eine intensive Auseinandersetzung von Führungskräften mit Erkenntnis-, Wahrnehmungs- und Kommunikationsfragen ist essentieller Bestandteil des Führungsinstrumentariums, da es bestimmt, wie kommuniziert, organisiert und interveniert wird. Der Weg, steuernd Einfluss zu nehmen, führt über die Fokussierung der Aufmerksamkeit. Was nicht in die Aufmerksamkeit kommt, wird in einer Organisation nicht beobachtet und was nicht beobachtet wird, hat keine soziale Realität. Es bewirkt nichts, es provoziert nichts, nicht einmal Widerspruch. So bleibt zu klären, was (nicht-) kommuniziert, wahrgenommen, beobachtet, bewertet bzw. entschieden wird und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

CIO.de: Wie kann man denn nun jemanden unterstützen, der gerne CIO werden möchte?

Baurschmid: Karriereratgeberliteratur kann nur einen ersten Schritt darstellen, dennoch ist für die CIO-Position der Mehrwert sicherlich eingeschränkt. Es bedarf immer einer individuellen Situationsanalyse, bei der sowohl die persönliche Ausgangssituation zu identifizieren, als auch die möglichen Stellenangebote genau abzuwägen sind. Die im Rahmen der Dissertation entwickelte Coaching-Landkarte hilft den Personen, die eine CIO-Karriere verfolgen oder eine solche planen, sie dabei zu unterstützen und karriererelevante Aspekte detailliert im situationsspezifischen Kontext zu analysieren und entsprechende Handlungsoptionen zu identifizieren. Wobei es dabei aber weniger um eine allgemeine Theoretisierung als vielmehr um eine Schärfung der wahrnehmenden Sinne und eine regelmäßige Infragestellung der eigenen habituellen Denk- und Verhaltensweisen geht. Dass so was immer nur sehr begrenzt alleine funktioniert, liegt an der Abhängigkeit der persönlichen Vorerfahrung, den Interessen und subjektiven Vorstellungen des individuellen Wahrnehmungsapparats. Ein akzeptierter Sparringspartner kann bei einer solchen notwendigen Reflexion sehr hilfreich sein.

Ein kostenfreier Download der Arbeit von Michael Baurschmid ist unter: http://tiny.cc/CioKarriere möglich.