Für Business Intelligence fehlt oft die Strategie

CIOs sitzen in der Falle

20.07.2009 von Christa Manta
Unternehmen und ihre CIOs sitzen in der BI-Falle. Sie müssen schnelle Erfolge liefern, haben jedoch in der Vergangenheit viele ihrer Hausaufgaben versäumt. Noch dazu haben Mitarbeiter und Manager Angst vor zu viel Transparenz durch BI. Ronald Bachmann und Guido Kemper, Autoren des Buches "Raus aus der BI-Falle. Wie Business Intelligence zum Erfolg wird", erklären, wie man dieser misslichen Situation entkommt.

Herr Bachmann, Herr Kemper, der Titel Ihres jüngst veröffentlichten Buches lautet "Raus aus der BI-Falle". Wer sitzt denn Ihrer Meinung nach in der BI-Falle?

Guido Kemper: Ohne das Commitment des Top-Managements haben BI-Initiativen es sehr schwer.


Kemper: In der BI-Falle sitzen vor allem IT-Verantwortliche wie CIO`s, die BI-Projekte umsetzen und in der Folge auch deren Unternehmen. Studien zeigen, dass derzeit 60 bis 80 Prozent der Business Intelligence Vorhaben scheitern oder die gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können. Interessanterweise spielen technologische Aspekte dabei praktisch keine Rolle. Es sind vielmehr organisatorische, prozessuale und kulturelle Ursachen für das Scheitern von BI Initiativen zu finden. Das Scheitern einer BI Initiative ist sehr schmerzhaft für ein Unternehmen. Denn BI soll Entscheidungen unterstützen und wenn das nicht gelingt, sind Unternehmen unter Umständen über Monate oder Jahre hinweg nur eingeschränkt handlungsfähig, obwohl oft sehr viel Geld investiert wurde. Um solche Fehlinvestitionen zu verhindern, empfehlen wir vor dem Start von BI Projekten immer die Durchführung eines "Business Intelligence Readiness Check".

Ronald Bachmann: Unternehmen setzen auf Quick Wins, ohne eine BI-Strategie zu haben.


Bachmann: Das Problem ist, dass in der Vergangenheit viele Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Jetzt werden von den IT-Verantwortlichen Lösungen und Rendite gefordert, die sie noch nicht liefern können. Um den Anforderungen trotzdem gerecht zu werden, wenden sie wieder die alten Methoden an, fokussieren auf die Technik und arbeiten mit Workarounds. Man setzt auf Quick Wins, ohne eine IT- oder BI Strategie zu haben und begibt sich dabei immer stärker in einen Kreislauf des Scheiterns. Das ist die BI-Falle.

Welche Hausaufgaben sollten Unternehmen denn schleunigst nachholen?

Bachmann: Zum Beispiel ist eine wichtige Voraussetzungen für den Erfolg von BI-Initiativen, dass die Stammdaten über Kunden, Produkte, Organisationen konsolidiert werden - also ein sauberes Master Data Management. Oder dass ein Enterprise Data Warehouse als Single-Point-of-Truth eingeführt wird. Letzteres bedeutet implizit, dass alle By-Pass-Reporting abgeschaltet sind. Das alles hätte schon längst erledigt werden müssen, ist aber in vielen Unternehmen noch nicht passiert.

Viele BI-Projekte befinden sich laut Kemper und Bachmann derzeit in einem Kreislauf des Scheiterns.


Kemper: Aber mehr noch als bei technischen Voraussetzungen mangelt es an der politischen Weichenstellung oder an der Verankerung in der Organisation. Zum einen müssen die Fachbereiche viel stärker als bisher sensibilisiert und in den BI-Prozess eingebunden werden. Zum anderen wird man es ohne das Commitment von Seiten des Top-Managements sehr schwer haben, BI-Initiativen durchzusetzen. Der Königsweg wäre, alle BI-Maßnahmen in einem Business Intelligence Competence Center zu bündeln.

BI legt Defizite in den Fachbereichen offen

Warum tun sich Fachabteilungen und Management so schwer, die Unternehmens-IT bei der Umsetzung der BI-Strategie zu unterstützen?

Kemper: Sehen Sie, das Thema Business Intelligence ist hochpolitisch. Wenn man alles richtig macht und die Ergebnisse stimmen, wird das Unternehmen sehr transparent. Das bedeutet für die einzelnen Fachbereiche und deren Manager, dass Defizite offen gelegt werden, dass sie sich die Frage stellen müssen: "Was läuft bei mir schief?" Darüber hinaus werden Daten, die zum Beispiel im Zusammenhang mit dezentralen Reportings stehen nun von der IT verwaltet. Für die Fachbereiche ergibt sich daraus ein Zielkonflikt: einerseits wollen sie Mehrwerte durch BI nutzen, andererseits wollen Sie autonom und intransparent bleiben. Da entscheiden sich Manager im Zweifelsfall zu Gunsten ihrer Autonomie. Und genau das ist ein Irrtum, der letztlich allen schadet. Denn wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte - einer gesunden Balance zwischen Zentralisierung und Autonomie.

Bachmann: Ein weiterer Aspekt betrifft die Sicht der Mitarbeiter auf das Thema Data Warehouse. Da denken viele erst einmal: "Ich soll wegrationalisiert werden". In einer solchen Misstrauensatmosphäre werden BI-Maßnahmen gerne blockiert. Die Herausforderung an dieser Stelle ist, die Vorurteile auf allen Ebenen zu nehmen. Das kann nur auf Ebene des Managements angemessen bearbeitet werden - mit der entsprechenden Kommunikationsstrategie.

Unternehmen in der Angststarre

Nun fangen die meisten CIOs aber nicht bei Null an. Viele Weichen sind schon gestellt. Was können sie trotzdem tun, um der BI-Falle zu entkommen?

Kemper und Bachmann empfehlen in ihrem Buch "Raus aus der BI-Falle", parallel an Quick Wins und einer BI-Infrastruktur zu arbeiten.


Bachmann: Es ist möglich, Business Anforderungen zu bedienen und gleichzeitig an einer nachhaltigen BI Infrastruktur zu arbeiten. Aber hierzu sind mit allen Unternehmensbereichen abgestimmte Maßnahmen nötig. Will man gleichzeitig Quick Wins erzielen und eine nachhaltige Infrastruktur aufbauen, braucht es eine übergreifende Planung. Dafür benötigt BI die Unterstützung des Top Managements.

Kemper: Darüber hinaus muss man aufhören, echte Mehrwerte wie eine nachhaltig hohe Datenqualität kurzfristigen "Versuchungen" zu opfern. Diese Vorgehensweise hat viele Unternehmen ja erst in die BI-Falle getrieben und ist durchaus geeignet, sie in ernsthafte existentielle Nöte zu bringen. Natürlich hat man in der Praxis nicht die Zeit, zunächst langwierige Konsolidierungen durchzuführen, bevor man mit BI die ersten Business Benefits erzeugen kann. Aber die "Angststarre" zum Beispiel vor der oft als Mammutaufgabe empfundenen Stammdatenkonsolidierung muss nun endlich konzertierten Aktionsplänen weichen, die im Idealfall in einer eigenen BI Organisation koordiniert werden.

Könnte man nicht einfach sagen: Wir sparen uns den Ärger und lagern die BI ganz aus?

Bachmann: Nein - das genaue Gegenteil ist der Fall. BI ist ein Thema, das sich überhaupt nicht zum Outsourcen eignet. Outsourcen kann man Prozesse, die schon funktionieren. Business Intelligence spiegelt aber im Idealfall ein Unternehmen in seiner Vielfalt und Dynamik als lebendigen und auf Wandel ausgerichteten Organismus wider. Die Reibungsverluste bei der Synchronisation mit einem externen Dienstleister sind daher Gift für BI. Da wurden in der Vergangenheit schon einige Millionengräber geschaufelt und zum Schluss bleiben die Fragen: "Wo ist das Geld? Wo ist der Mehrwert?"