Über Lizenzen, Knebelverträge und Moral im Software-Geschäft

"Closed Source ist ein Auslaufmodell"

24.10.2008 von Christiane Pütter
In zehn bis fünfzehn Jahren übersteigt der Marktanteil von Open Source den von Kauf-Software. Das behauptet zumindest André Mindermann, Vorstandschef des Open-Source-Projektes und Ticketsystems OTRS, im Gespräch mit cio.de. Nicht die Kosten, sondern Investitionssicherheit, Unabhängigkeit und Flexibilität sind die größten Vorteile von Open Source.
André Mindermann, Vorstandschef der OTRS AG

Herr Mindermann, wenn sich ein Unternehmen gegen Open Source entscheidet, liegt das dann am CIO oder am CEO?

Am CEO. Da bestehen immer noch Vorurteile gegen Open Source.

Dabei sollte man doch denken, dass der sich freut. Er spart doch Geld.

Ja, aber viele CEOs denken bei Open Source immer noch: Da sind zwei Leute, eine Garage und ein Hund. Wenn man denen sagt, dass Google eine Open-Source-Lösung ist, ist das Staunen groß.

Worin sehen Sie das Hauptargument für quelloffene Software?

Da geht es nicht nur um’s Geld. Die Hauptargumente sind die hohe Investitionssicherheit, die maximale Unabhängigkeit und große Flexibilität. Bei Closed Software läuft das so: Findige Vertriebler machen sich auf die Suche nach Marktlücken, um neue Produkte zu verkaufen. Dann hängen sie sich ans Telefon, um ihre Lösungen an den Mann zu bringen. Bei quelloffener Software sind die Anwender selbst die Entwickler. Sie bekommen kein Geld für ihre Arbeit und haben kein Interesse daran, sich etwas auszudenken, das keiner braucht.

Ihre Prognose für die Zukunft?

In zehn, fünfzehn Jahren ist der Marktanteil von Open Source größer als der von Closed Source. Das Geschäftsmodell Closed Source ist ein Auslaufmodell.

Worauf stützen Sie das?

Ein Open Source Zulieferer kann nur durch gute Arbeit überzeugen und am Markt bleiben. Er hat sonst keine Hebel beziehungsweise Knebel wie Lizenzverträge, die er ansetzen kann, um den Kunden an sich zu binden oder Konkurrenten vom Markt fernzuhalten. Auf der anderen Seite spart ein solcher OSS-Zulieferer enorm daran, dass er keine technische Lizenzüberwachung einbauen muss, das ist die Quelle sehr vieler technischer Probleme. Außerdem steckt er das Marketingbudget nicht in Heerscharen von Vertrieblern, sondern in die Entwicklung der Software selbst.

Sie argumentieren darüberhinaus gern mit dem Stichwort Moral …

Waren und Dienstleistungen haben ihren Preis. Sie werden erbracht oder produziert und dazu benötigt man knappe Ressource, sogenannte betriebswirtschaftliche Produktionsfaktoren. Das ist bei der Softwareproduktion nicht anders, allerdings bezahlt der Kunde nicht den Wert der Dienstleistung oder des Produktes zu Faktorkosten, sondern er zahlt ein immaterielles Nutzungsrecht. Mit welcher Berechtigung wird der Kunde "abgezockt"?

André Mindermann ist Vorstandsvorsitzender des Ticket Request Systems OTRS AG. Das Unternehmen bietet nach eigenen Angaben mit mehr als 60.000 Installationen in 26 Sprachen die weltweit führende Servicedesk Lösung.