Cobol ist nicht totzukriegen

Comeback des Mainframe

04.10.2006 von Thomas Mach/CW.at
"Der Mainframe ist tot", verkündete vor einigen Jahren noch Scott McNealy, einstmals CEO von Sun Microsystems. Einer der vielen Sätze, die Einzug in die Historie der IT-Fehleinschätzungen halten wird. Wie sehr sich McNealy damals irrte, zeigt unter anderem der Richtungswechsel seines ehemaligen Unternehmens. "Der Mainframe ist nicht tot. Ganz im Gegenteil. In gewissen Einsatzgebieten sind Host-Rechner einem Server/Client-System um Längen voraus", erklärte im ersten Quartal des heurigen Jahres Sun Österreich-Geschäftsführer Bernhard Isemann.

Der Paradigmenwechsel beim Solaris-Konzern kommt nicht von ungefähr. Hat Sun doch mit der Übernahme von Speicherspezialist Storagetek ein Unternehmen übernommen, dessen Spezialgebiet der Mainframe ist. Und Sun würde sich somit selbst ins eigene Fleisch schneiden, würde es den Mainframe weiter totsagen.

Die Geschichte der Großrechner ist eine lange. Mitte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hielten die Mainframes mit der Erfindung des Transistors zunächst hauptsächlich in Forschungseinrichtungen Einzug, etwa zur Lösung von Differentialgleichungen. Aufgrund der enormen Größe der damaligen Hosts beanspruchten selbige meist einen ganzen Raum, welcher klimatisiert werden musste, um der Hitzeentwicklung des Gerätes entgegen zu wirken.

Große Geräte, hohe Hitze-Entwicklung, wenig Leistung

Die Funktionsweise war in etwa noch recht aufwändig und sehr manuell. Ein Operator brachte auf Lochkarten gestanzte Rechenaufgaben zu einem Gerät, welches die Lochkarten einlas und die Daten auf einem Magnetband speicherte.

Ein weiterer Operator brachte dieses Magnetband zum eigentlichen Großrechner, der das Magnetband abarbeitete und die Ausgabe auf einem anderen Magnetband speicherte. Ein Operator brachte das Magnetband mit den Ergebnissen dann zu einem Drucker, welcher die Daten vom Magnetband auf Papier übertrug.

Rund zehn Jahre später wurde mit dem sogenannten Multiprogramming ein Mehrprogrammbetrieb eingeführt. Grund dafür war die Überlegung, dass die CPU des Mainframes einen großen Teil der Zeit nicht benutzt wurde, da sie auf Ein- und Ausgabeoperationen der Bänder warten musste, bis sie ihren nächsten Auftrag abarbeiten konnte. Daher teilte man den Hauptspeicher in Teilbereiche auf und konnte so mehrere Bänder gleichzeitig bearbeiten.

Zu dieser Zeit hatten die meisten Computer-Hersteller zwei zueinander inkompatible Systeme entwickelt. Wortorientierte Großrechner für den technisch-wissenschaftlichen Bereich sowie zeichenorientierte Großrechner für den kommerziellen Bereich. IBM vereinte als erster Hersteller beide Anwendungsbereiche in einem Betriebssystem, dem OS/360. Heute gehört Big Blue zu den erfolgreichsten Mainframe-Anbietern.

Neue Techniken - neue Host-Einsatzgebiete

Heutige Mainframes brauchen längst keine Räume mehr für sich allein, auch das Thema der Kühlung ist längst gegessen. Moderne Host-Systeme kosten auch nicht mehr, wie noch vor wenigen Jahren, soviel wie eine neue Unternehmenszentrale. Dafür wurden die Systeme technisch immer ausgereifter. Gerade in Zeiten der Diskussion um Service-orientierte Architekturen (SOA) gewinnt der Mainframe wieder an Boden, wie unter anderem Attachmate zeigt. Egal ob IBM-Großrechner, I-Series, OpenVMS oder HP E3000, mit dem Verastream Host Integrator (VHI) sollen Unternehmen ihre in die Jahre gekommenen Host-Anwendungen in eine SOA einbinden können. Legacy-Funktionen ließen sich von modernen SOA-Anwendungen nutzen, darunter etwa Portal-, CRM- oder Webbasierende Selbstbedienungssysteme.

Attachmate verspricht mit dem aktuellen Release unter anderem eine verbesserte Kontrolle von Host-Ressourcen. Neben einer automatisierten Session-Verwaltung biete das Produkt erweiterte Funktionen wie Session Clean-up und Session Recovery. Mit Hilfe einer neuen Fehlersuchfunktion sollen sich Software-Projekte einfacher bewältigen und nicht funktionierende Modelle reparieren lassen.

Bestandteil der Integrations-Software ist auch eine Entwicklungsplattform, die es ermöglicht, Daten und Logik über eine Bildschirmschnittstelle zu kapseln. Software-Dienste lassen sich beispielsweise in Form von .NET- oder Javabeans-Komponenten erstellen, kombinieren und wieder verwenden. Mehrere Anwendungen könnten auf die gleichen Informationen zugreifen und über Systemgrenzen hinweg auf Ereignisse reagieren, betont der Hersteller.

VSM am Host ja, als Open Source nein

Trotz des Strategiewechsels in Richtung Host bläst Sun indes den Virtual Storage Manager Open (VMSO) ab. Der Konzern hatte das Produkt von Storagetek übernommen, die Mainframe-Ausführung wird auch vertrieben. Mit VSMO wäre Sun am Markt gegen Produkte von Diligent, EMC und Sepaton angetreten.

Bei der Übernahme von Storagetek hatte Sun noch erklärt, es wolle die hundert größten Kunden des Wettbewerbers IBM angehen. Viele von diesen setzen VSM für ihre MVS-Großrechnerumgebungen ein. "Es sind die Vertriebsmannschaft, der heterogene Support, die Mainframe-Accounts und das ganze Geflecht von Beziehungen, die diese Übernahme wertvoll machen", erklärte seinerzeit Executive Vice President Mark Canepa.

In vielen Rechenzentren ist jedenfalls kein Ersatz der Host-Systeme geplant. "Cobol ist wie Latein", meint Ovum-Analyst Gary Barnett. Und: "Es wird die Sprache weiterhin geben, eine Weiterentwicklung der Technik findet allerdings nicht mehr statt." Barnett rechnet künftig mit einem Wachstum des auf Mainframes betriebenen Cobol-Codes um drei bis fünf Prozent pro Jahr, führt dieses Plus jedoch ausschließlich auf Erweiterungen in den Wartungsprogrammen zurück - neue Cobol-Anwendungen seien dagegen eher die Ausnahme.

Dennoch werden laut einer Erhebung von Forrester Research - befragt wurden 158 nicht aus dem Behördenumfeld kommende IT-Entscheider - 31 Prozent der Rechenzentren weitgehend an ihren Cobol-Installationen festhalten. Die Abschaltung einiger ausgewählter Cobol-Programme planen 27 Prozent der Befragten, während 26 Prozent künftig nahezu komplett auf ihre Cobol-Anwendungen verzichten wollen. Fünf Prozent der Umfrageteilnehmer gaben sich unentschlossen, und bei elf Prozent ist von einer Migration der Programme auf Windows- oder Unix-Systeme die Rede.