Interview der Woche

"Da haben wir in der Branche noch ein kleines Defizit"

07.12.2007 von Stefan Holler
Uniklinik-CIOs werden zu selten in organisatorischen Veränderungen einbezogen. Dabei haben kleine Eingriffe oft eine große Auswirkung auf die IT. Doch das ist längst nicht allen Vorständen klar, meint der CIO der Uniklinik Erlangen Hans-Ulrich Prokosch.
CIO Hans-Ulrich Prokosch, Uniklinik Erlangen: "Wir als CIO sollten darstellen, wie die IT die Krankenhausprozesse optimieren kann."
Foto: Uniklinik Erlangen-Nürnberg

Herr Prokosch, in der Klinik ist der CIO noch immer eine Seltenheit. Für die Vorstände ist IT zudem ein Buch mit sieben Siegeln. Wie sehen Sie Ihren Einfluss als CIO in einer Uniklinik?

Als CIO im Vorstand vertreten zu sein, ist nicht entscheidend. Aus meiner Sicht ist wichtig, dass man als Verantwortlicher für Routine-IT und strategische Weiterentwicklung der IT letztlich das Vertrauen des Vorstands besitzt. Der Vorstand muss den CIO in allen strategischen Entscheidungen hinsichtlich der Informationsverarbeitung des Krankenhauses mit einbeziehen und sich frühzeitig mit ihm besprechen. Ein großes Problem ist, dass oft zu spät erkannt wird, welche Entscheidungen IT-Relevanz haben. Vieles wird unter dem Aspekt gesehen "Wir wollen doch nur die Organisation ein bisschen verändern". Im Hintergrund hat aber fast jede Veränderung auch große Auswirkungen auf die IT-Verfahren des Krankenhauses. Dies wird im Vorstand oft zu spät bemerkt. Hier ist der CIO gefragt, auf diese Problematik immer wieder deutlich hinzuweisen. Da haben wir in der Branche noch ein kleines Defizit.

Heißt das, der CIO wird über relevante Entscheidungsprozesse zu spät informiert?

Das kommt leider manchmal vor. In dem Moment, in dem ein IT-System benötigt wird, ist das keine Frage. Aber sobald strategische Entscheidungen anstehen, bei denen dies nicht völlig offensichtlich ist, fällt es den Beteiligten erst spät ein, dass neben der rein medizinischen auch die informationstechnische Vernetzung notwendig ist. Als CIO sollten wir darstellen können, welche Veränderungen bzw. Optimierungen in den Krankenhausprozessen durch IT bewirkt werden können. Da fehlt es uns in der Fläche noch an guten Belegen.

Die Grenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor verschwimmen zusehends, es gibt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern. Wie sieht das speziell bei der Uniklinik Erlangen-Nürnberg aus?

Wir sind derzeit in sechs verschiedene sektorübergreifende Projekte involviert. Vier davon unterstützen wir auch heute schon routine-mäßig durch eine EDV-Anwendung. Wichtig war uns dabei, möglichst alle Vernetzungsanforderungen mit einer einzigen EDV-Lösung unterstützen zu können. Und nicht für jede neue Vernetzung einer anderen Abteilung auch wieder eine neue "Netzakte" oder eine andere Spezialtelemedizin-Anwendung einführen zu müssen. Leider werden die Detailprozesse und Szenarien in einem sektorübergreifenden Projekt zu Beginn meist nur sehr unpräzise beschrieben. Es wird oft lediglich gesagt, "wir müssen uns mit den niedergelassenen Ärzten vernetzen", oder aber "wir wollen Einweiser an uns binden" oder sogar nur "wir benötigen eine Telemedizinlösung". Was das im Detail bedeutet, und ob der, den wir anbinden wollen, von sich aus das gleiche Interesse hat, wird am Anfang vernachlässigt.

Welche Folgen hat das dann letzten Endes für die Kooperation?

Manchmal waren die einzubindenden Partner gar nicht so begeistert, so fest an uns gekoppelt zu werden. Wenn dann wenigsten schon einmal der ärztliche Ansprechpartner interessiert war, dann passierte es uns aber nicht selten, dass der EDV-Ansprechpartner unseres Gegenübers das Projekt verzögerte. Entweder hatte er gerade mit so vielen anderen Projekten zu tun, oder er teilte uns mit, dass seine EDV-technisch noch gar nicht so weit sei, angebunden zu werden oder aber die Firewall des Partners keine externe Anbindung zuließ. Da die externen Kliniken und niedergelassenen Ärzte meist selbst gar nicht so versessen darauf waren, sich mit uns zu vernetzen, benötigte man schon sehr viel Geduld und einen langen Atem, um solche Szenarien zu realisieren. Das Business-Modell aus dem für alle Seiten der Nutzen offensichtlich ist, ist heute noch gar nicht so einfach zu finden.

In unserem integrierten Versorgungsvertrag haben wir zum Beispiel über 80 niedergelassene Ärzte eingebunden, von denen aber längst nicht so viele kontinuierlich elektronisch dokumentieren. Dass liegt daran, dass die althergebrachten Prozesse auf dem Papierweg in irgendeiner Form doch noch funktionieren. Und dann ist es meist einfacher, diesen Weg zu gehen, statt sich in einer zentralen Patientenakte einzuloggen, den Patienten herauszusuchen und das Gleiche - wie schon im eigenen Praxissystem - noch einmal zu dokumentieren.

Ein umstrittener Punkt bei der elektronischen Patientenakte wie auch der Gesundheitskarte ist die Datenhoheit. Sollte der Patient Ihrer Meinung nach seine Daten selbst pflegen können?

Ja, allerdings nicht in der elektronischen Krankenakte des Krankenhauses oder des niedergelassenen Arztes sondern im Kontext einer elektronischen Gesundheitsakte. Die Dokumentation in einer elektronischen Krankenakte sollte ausschließlich von Ärzten und Pflegekräften geführt werden. Hier gibt es mittlerweile schon Ansätze, dass der Patient seine Befunde in der Akte eines Krankenhauses einsehen kann. Aber in das System eines Krankenhauses sollte kein Patient hineinschreiben können.

Auch die Uniklinik Erlangen setzt die elektronische Krankenakte bereits ein. Mit welchem Erfolg?

Ich glaube, bis irgendein Krankenhaus die Papierakte durch ein komplett elektronisches System abgelöst hat, wird noch viel Zeit vergehen. Das heißt, jedes Krankenhaus befindet sich im Moment in einer Ausbaustufe auf dem Weg dorthin. Jedes Krankenhaus geht diesen Weg irgendwie anders und alle Krankenhäuser sind diesem Ziel unterschiedlich nah. Den Erfolg einer EKA kann man nun nicht unbedingt nur daran messen, wie viele PCs man betreibt, wie viele Mitarbeiter das KIS nutzen oder wie viele KIS-Funktionen im Einsatz sind. Erfolg ist letztlich nur mit sauberen Kennzahlen, die auch für das Krankenhaus von Bedeutung sind, messbar. So möchte ich etwa sehen können, ob ich Prozesse verbessert und Kosten eingespart habe. Insofern sind wir in Erlangen mit kleinen Schritten dabei, eine elektronische Krankenakte einzuführen.

In einem IT-Projekt konnten wir für Intensivstationen nachweisen, dass allein durch eine EDV-Unterstützung beim Scoring-Verfahren deutliche Zeitersparnisse möglich sind. Auch die Qualität der Scores wurde verbessert. In einem anderen Projekt konnten wir aber auch nach der Evaluation einer kleinen Pilotphase nachweisen, dass der Nutzeneffekt einer von den Klinikern gewünschten neuen Technologie nur sehr gering war, und das bei doch erheblichen Kosten. Daraufhin wurde der flächendeckende Rollout hierfür abgebrochen.