Die wöchentliche CIO-Kolumne

Dahlien aus Bielefeld

09.09.2002
Die Stimmung vor der DMS Expo für Dokumenten-Management-Systeme, die dieses Jahr vom 3. bis 5. September in Essen abgehalten wurde, hätte kaum schlechter sein können. Der Anbietermarkt wird sich voraussichtlich erst im nächsten Jahr bereinigt haben. Allein die Anzahl der Hersteller von Content-Management-Systemen (CMS) soll sich in den kommenden zwei Jahren halbieren. Das hatte Ulrich Kampffmeyer, Director des Branchenverbandes AIIM International und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Project Consult, vier Tage vor der DMS Expo in einem Interview mit unserem Schwesterblatt Computerwoche Extra prognostiziert.

Die Insolvenzen der großen Anbieter SER Systems und Ceyoniq AG in den vergangenen Monaten hatten die DMS-Branche im Zwielicht erscheinen lassen. Doch die schlechten Nachrichten verflogen, als junge Damen den Besuchern schon vor dem Eingang der Essener Messehalle bei Sonnenschein gelbe und weiße Dahlien überreichten.

Als die Besucher allerdings das um den Blumenstängel gewickelte Papier entrollten, staunten sie nicht schlecht: Ceyoniq begrüßte die Besucher und warb mit dem Slogan "Die Zukunft braucht Erfahrung". Welche Erfahrung? Wie man Bilanzen fälscht? Wie man als Vorstand in Untersuchungshaft kommt? Viele schüttelten den Kopf über das Auftreten des Bielefelder Softwareanbieters. Noch vor kurzem Insolvenz angemeldet und dank neuer Geldgeber wieder auferstanden, hatte sich das Unternehmen kurzfristig einen Stand gemietet: Den zweitgrößten auf der Messe, nur IBM war noch größer vertreten. Allerdings firmiert der Bielefelder Softwarehersteller unter Ceyoniq Technology GmbH und nicht mehr als AG.

Kopf hoch und weitermachen heißt wohl die Devise für Ceyoniq. Aber auch viele der übrigen 280 Messeaussteller ohne angekratztes Image stehen vor einer ungewissen Zukunft. Während es einige Inseln sehr gut besuchter Stände gab, blieben vor sehr vielen nur sehr wenige Interessierte stehen. Insgesamt kamen rund 17000 Besucher an den drei Tagen der Fachmesse nach Essen.

Die Flaute im DMS-Markt hat viele Gründe: Das Geld der Unternehmen floss in der Vergangenheit an den Anbietern vorbei, weil Untenehmen erst in die Jahr-2000-Umstellung investierten und danach die Euro-Umstellung zu erledigen hatten. Jetzt bremst die Wirtschaftkrise Investitionen in DMS-Lösungen.

Aber die DMS-Anbieter machen es den Kunden auch nicht leicht. Zum einen wird ein Unternehmen momentan kaum Software kaufen, weil es nicht weiß, ob der Anbieter nicht schon bald wieder vom Markt verschwindet. Auch die Begriffsvielfalt verwirrt: Dokumenten-Management-Systeme, Content-Management-Systeme, Kowledge-Management, Workflow oder der vorerst letzte PR-Begriff Enterprise-Content-Management-Systeme. Wer was darunter versteht und wer was anbietet: Das Wissen darüber muss sich der Kunde hart erarbeiten. Letztlich geht es immer um die Archivierung von Dokumenten und ihre weitere Nutzung im Geschäftsfluss.

Dabei hat die elektronische Archivierung Zukunft, denn richtig eingesetzt lassen sich damit Dokumente effizienter und billiger verwalten und für Geschäftsprozesse auswerten. Analysten machen deshalb zurzeit auch ein großes Interesse von Kunden aus - wenn auch die Vertragsabschlüsse noch ausbleiben. Jetzt hoffen die Anbieter auf eine Ankurbulung des Geschäfts durch die GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen), wonach steuerrelevante Daten dem Finanzamt auf Wunsch auch elektronisch zugänglich gemacht werden müssen. Entgegen der Hype-Erwartungen läuft das Geschäft langsam an, so dass die DMS-Anbieter auch auf Konkurse der Konkurrenz setzen: Viele Anbieter bieten Migrations-Workshops an, wo man erfährt, wie man vom System des pleitegegangenen Anbieters auf ihre Plattform wechselt.

Die meisten Besucher verließen wohl mit widersprüchlichen Eindrücken die Messe. Immerhin hatten die Dahlien Bestand, die beim Hinausgehen taufrisch verteilt wurden: Stängel und Blätter waren aus Kunststoff - praktisch archivierungssicher.