Kult

Das iPhone erobert die Unternehmen

14.11.2008 von Oliver Häußler
Der Sturm auf das beliebte Telefon, das mehr sein will, als ein Handy, ist größer denn je. Immer mehr Menschen wollen es nun auch im Unternehmen einsetzen. Zwar wurde das iPhone ursprünglich nicht dafür konzipiert und die Anwender müssen einige Abstriche machen, berichtet eine Studie von Berlecon Research in Kooperation mit Fraunhofer ESK. Doch lassen sich die Kunden davon nicht vom Kauf abhalten. Design und Kultstatus sind ihnen beim Einsatz des iPhones wichtiger als Sicherheit und Administrierbarkeit.
iPhone von Apple: Design und Form sind Entscheidungskriterien auch für die Anschaffung im beruflichen Umfeld.

Liest man den Report des Marktforschungsunternehmens Berlecon Research, das in Zusammenarbeit mit Fraunhofer ESK Apples iPhone auf Business-Tauglichkeit hin untersucht hat, so gibt es zumindest in technischer Hinsicht wenig Gründe, warum Unternehmensmitarbeiter das Telefon einsetzen sollen. Doch beim iPhone handelt es sich nun einmal nicht um ein "normales" Handy, sondern um ein Objekt, um das bereits vor der Markteinführung ein Kult aufgebaut wurde. Und aus diesem Grund muss das iPhone im Business-Umfeld auch mit anderen Augen betrachtet werden.

Bis heute hat T-Mobile über 450.000 Stück verkauft, berichtet die Computerwoche mit Bezug auf die Tagezeitung "Die Welt". Die neue Variante iPhone3G verkauft sich noch besser als das Vorgängermodell und bringt es weltweit auf 6,9 Millionen verkaufte Geräte, was einer Wachstumsrate von 523 Prozent gleichkommt, analysiert das Marktforschungsunternehmen Canalys. Das entspricht neuerdings Platz zwei auf der Weltrangliste der Smartphones und bedeutet, dass sich Apple vor Research In Motion mit dem Blackberry platziert. Platz eins hält nach wie vor Nokia.

"Es macht einfach Spaß, mit dem iPhone im Internet zu surfen"

Die Attraktivität des Geräts, der Formfaktor, das Design und der Stil haben es auch der Geschäftswelt angetan. "Es macht einfach unheimlich viel Spaß, mit dem iPhone im Internet zu surfen, erklärt Nicole Dufft, Geschäftsführerin von Berlecon Research in Deutschland die Nachfrage. Und damit wird es für mobile Mitarbeiter interessant. Derzeit liegen noch keine Zahlen über die Verbreitung in Unternehmen vor. Sicher ist lediglich, dass der Kultstatus Bedürfnisse geweckt hat in den Management-Etagen und speziell auch in kreativen Branchen wie Agenturen, Kunst, Design oder Mode, wo mehr auf Stil und Design geachtet wird als in eher technisch orientierten Berufen.

Wie stark die Nutzung im beruflichen Umfeld zunehmen wird, hängt in erster Linie von Hersteller Apple ab. "Wenn Apple Business-Anwendungen als strategischen Markt definiert und die Administrierbarkeit verbessert, hat das iPhone gute Chancen, Marktanteile zu gewinnen," so Nicole Dufft. Allerdings, so schränkt die Berlecon-Chefin ein, "ist es weit davon entfernt, an den etablierten Blackberry heranzukommen, der in den Unternehmen eindeutig dominiert." Denn für den Blackberry existiert eine ausgeprägte und gut funktionierende Netzstruktur, die den Bedürfnissen der Anwender weit mehr entspricht. "Um an die Marktanteile des Blackberry im Unternehmensumfeld heranzukommen, hat Apple einen sehr weiten Weg vor sich", so Dufft.

Was Apple jedoch heute schon erreicht hat, ist die Tatsache, dass Design und Form auch im beruflichen Umfeld spätestens seit dem iPhone Entscheidungskriterien für die Anschaffung sind, "an welchen sich andere Hersteller messen sollten", so Dufft.

"Für große Unternehmen ist das iPhone (noch) nicht geeignet"

In ihrem Report untersuchen Berlecon und Fraunhofer ESK systematisch die Tauglichkeit des iPhone mit der Firmware 2.0 im Hinblick auf Sicherheit, Administrierbarkeit und Integration für Unternehmenskunden und kommen zu dem Schluss: "Das iPhone ist für große Unternehmen noch nicht geeignet". Kritisiert werden in erster Linie die Administrierfunktionen, die für den Businesseinsatz "im größeren Stil noch zu wünschen übrig lassen". Für Unternehmenskunden, die einen Rahmenvertrag mit einem anderen Provider als T-Mobile haben, so Berlecon-Geschäftsführerin Dufft, sei dies schon ein Ausschlusskriterium.

Push E-Mails und die vollständige Synchronisation von Kontakt- und Kalenderdaten sind nur über ActiveSync und somit vor allem mit Microsoft Exchange möglich. Das hindert Unternehmen, die eine andere Groupware einsetzen, an der Anbindung und sie müssen die Synchronisation von E-Mails über Middleware von Drittanbietern oder den Browser-basierten Zugang organisieren.

Effizientes Device-Management sei nur bei einer kleinen Anzahl von iPhones gewährleistet: "Die vorhandenen Funktionen und Dienste für eine zentrale, unternehmensweite Administration sind für Firmen, die iPhones im großen Stil einsetzen wollen, nicht ausreichend", so Nicole Dufft. Sie empfiehlt: "Unternehmen, die eine Vielzahl von Mitarbeitern mit dem iPhone 2.0 ausstatten wollen, sollten damit warten, bis eine umfassendere Administrierbarkeit gewährleistet ist."

Auch im Hinblick auf Sicherheits-Policies gibt es Einschränkungen: "Zwar kann der Zugangsschutz über ein Gerätepasswort realisiert werden, solange dieser Mechanismus aber einfach durch den Benutzer deaktiviert werden kann, ist der Schutz der Informationen auf dem iPhone nicht ausreichend", kritisiert Albert Heim, technischer Analyst bei der Fraunhofer ESK. Hinzu kommt, dass das iPhone keine verschlüsselten E-Mails empfangen oder versenden kann. In puncto Sicherheit seien Unternehmen auf Zusatzlösungen von Drittherstellern oder Nachbesserungen durch Apple angewiesen.

Was den Einkauf von Software und deren Verteilung angeht, ist der Anwender auf Apple-Kanäle angewiesen: Neue Software gibt es nur über den App Store beziehungsweise über iTunes. Jede gewünschte Applikation muss auf jedem Gerät einzeln installiert werden. Das macht die Anwendung für große Unternehmen mit vielen iPhones sehr aufwändig.

Hier punktet das iPhone

Wie nicht anders zu erwarten, loben die Prüfer die "vorbildliche Usability und Benutzerführung" des iPhones. Gemeint ist die bequeme Eingabe über den Touchscreen und die Benutzerführung durch das Menü, verbunden mit der hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Informationen sind auf dem iPhone nicht ausreichend geschützt, kritisiert Albert Heim, technischer Analyst bei der Fraunhofer ESK.

Wer während eines Telefonats weitere Teilnehmer aus seiner Kontaktliste in eine Konferenz einbinden will, kann dies mit dem iPhone einfach umsetzen. Fehlanzeige gibt es jedoch beim Thema Videokonferenz, da das Gerät zwar über eine integrierte Kamera verfügt, diese jedoch Videofunktion nicht unterstützt.

Mit Benutzerfreundlichkeit punktet das Telefon auch beim Verschicken und Empfangen von SMS-Mitteilungen, weil der Kommunikationsverlauf bei mehrfachem Hin- und Hersenden angezeigt wird.

Äußerst praktisch ist die Funktion "Visual Voicemail" für Business-Anwendungen, da sie alle Mailboxnachrichten auflistet und der Anwender sie in beliebiger Reihenfolge abhören kann.

Auch hinsichtlich Internet-Nutzung bietet es mehr Komfort als andere Smartphones: Dank des Safari-Browsers und stufenloser Größenanpassung des Fensters funktioniert das surfen auf "normalen", also nicht für iPhone präparierten Webseiten, gut. Die Techniker von Fraunhofer ESK kritisieren lediglich den mit 16 GByte geringen Speicherplatz und dass das iPhone nicht als Modem für die Internetnutzung über Laptops verwendbar ist.

Anwender von Microsoft Exchange, die bereits mobile Endgeräte über das Protokoll Active Sync synchronisieren, haben leichtes Spiel beim Push von E-Mails, Kalendereinträgen und Kontakten auf das iPhone. Unternehmen mit anderen Systemen können ihre Groupware derzeit nicht direkt anbinden.

Webseite im Safari Browser.

Der neue Dienst "MobileMe" von Apple, der persönliche E-Mails, Kontakte und Kalendereinträge auf einem Internetserver speichert, eignet sich laut der Studie wegen der Sicherheitsanforderung für Datenspeicherung nicht für Unternehmensanwendungen. Kleine Unternehmen ohne zentrale Groupware können jedoch davon profitieren.

Ein weiterer Punkt der Studie ist das Thema Sicherheit. Hier unterscheidet sich das iPhone jedoch nicht gravierend von anderen Geräten. Die Prüfer raten - wie bei allen mobilen Endgeräten - dazu, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Möglich sind VPN über L2TP, PPTP und Cisco IPSec, ebenso Split Tunneling und Absicherung über SSL. Der Datenverkehr über WLAN lässt sich über WPA2 schützen. "Beim praktischen Einsatz sind VPN-Verbindungen in der Anwendung und SSL-Verbindungen in der tatsächlichen Sicherheit jedoch beschränkt", so der Report.

Das Telefon selbst lässt sich über ein Zugangspasswort schützen, das aber auch deaktiviert werden kann. "Die nicht vorhandene Datenverschlüsselung stellt durch den fehlenden Zugriff auf das Dateisystem kein größeres Problem dar. Unternehmen, die eine E-Mail-Kommunikation per S/MIME vorschreiben, können das iPhone 2.0 allerdings nicht einsetzen". Das Sperren ist aus der Ferne nicht möglich. Löschen funktioniert jedoch über den Exchange Server.

Apple muss Funktionalitäten ausbauen

Nicole Dufft fasst die Ergebnisse der Studie zusammen: "Die Businessfunktionen des iPhone 2.0 zeigen die neue Orientierung von Apple in Richtung Geschäftskunden. Um wirklich im Geschäftsalltag Fuß zu fassen, muss Apple insbesondere die Funktionalitäten zur Sicherheit und Administrierbarkeit des iPhone weiter ausbauen".

Mit seinem innovativen Design und der intuitiven Benutzeroberfläche hat es das Kultobjekt geschafft, auch bei Menschen im Berufsleben Bedürfnisse zu wecken. Es wäre schön, wenn Apple diesen entgegenkommen würde und die im Report angesprochenen Punkte bald nachbessern würde.