Internationaler Einsatz

Das müssen ERP-Systeme können

31.03.2014 von Jürgen Mauerer
Immer mehr Unternehmen eröffnen im globalen Wettbewerb internationale Niederlassungen. Doch unterschiedliche Gesetze, Buchhaltungsregeln, Sprachen und Bankensysteme erschweren die Organisation. Firmen sollten deshalb standardisierte ERP-Lösungen einsetzen, die landesspezifische Besonderheiten berücksichtigen. Wichtig für die Auswahl ist zudem ein Vor-Ort-Service bei Implementierung, Rollout und Support. Ein Ratgeber.

Globalisierung ist nicht nur ein Thema für große Konzerne. Auch der Mittelstand nutzt die Möglichkeiten des internationalen Geschäfts, sei es mit dem Export von Waren oder der Gründung von Niederlassungen in anderen Ländern. Doch hier lauern viele Stolpersteine. Schließlich sind die Betriebe angehalten, unterschiedliche Gesetzgebungen, Buchhaltungsregeln, Währungen, Sprachen und Bankensysteme zu beachten. Gleichzeitig steigen weltweit die Ansprüche von Finanzbehörden und anderen Institutionen. Dies gilt etwa für das Reporting oder die Einhaltung der in den jeweiligen Ländern geltenden Richtlinien und Gesetze.

Die Eröffnung internationaler Niederlassungen oder die Übernahme von Firmen aus anderen Ländern stellt auch für die IT eine Herausforderung dar. Sie muss diese neuen Standorte in die bestehende IT-Infrastruktur integrieren. Eine zentrale Rolle spielt hier das ERP-System. Eine einheitliche Lösung für alle Länder hilft, Geschäftsprozesse über Ländergrenzen hinweg zu optimieren, Informationen schneller auszutauschen oder Lagerbestände effizienter zu verwalten.

Dieser Artikel zeigt auf, worauf international tätige (mittelständische) Unternehmen bei der Auswahl der richtigen ERP-Lösung achten sollten und welche Rolle der lokale Service des Anbieters dabei spielt.

Mehrsprachigkeit und Unicode

Eine internationale ERP-Lösung muss natürlich mehrsprachig sein. Es sollte möglich sein, Dokumente (Rechnungen, Artikelbeschreibungen) und Vorschriften an den unterschiedlichen Standorten in der jeweiligen Landessprache darzustellen, einzugeben und zu verarbeiten. Dies gilt auch für Firmen ohne internationale Niederlassungen, die mit Betrieben anderer Länder Geschäfte machen.

"Um für Zukunftsmärkte wie China oder Russland gerüstet zu sein, muss die ERP-Lösung auch Unicode-fähig sein, da Sprachen wie Chinesisch oder Russisch Sonderzeichen verwenden", erklärt Karsten Sontow, Vorstand von Trovarit, einem Analystenhaus, das sich auf die Auswahl von Business-Software spezialisiert hat. "Das betrifft nicht nur Dokumente, sondern auch die Menüs der Benutzeroberfläche oder das Hilfesystem."

Überschrittene Budgets
Obwohl die Projekt mit einem durchschnittlichen Budget von 2,8 Millionen Dollar im vergangenen Jahr weniger umfangreich als zuvor waren, sind viele Vorhaben finanziell und terminlich aus dem Ruder gelaufen. Zwei Drittel der Befragten haben mit ihren ERP-Installationen weniger als 50 Prozent der erhofften Vorteile erreicht.
Warum werden ERP-Berater verpflichtet?
Externe Berater sollen die internen Kräfte mit ihren Erfahrungen und Fertigkeiten zur Seite stehen oder die Implementation managen. Oft sind es aber auch strategische Partner, die das Projekt mitgestalten.
Anbieterwahl
SAP ist der Anbieter, der am häufigsten auf die Shortlist der Unternehmen landet. Bei der tatsächlichen Entscheidung, welches System installiert wird, hat Oracle die Nase vorn (34 Prozent). Das dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Studie US-lastig ist.
Umsatz
Dargestellt ist der Jahresumsatz der befragten Unternehmen.
Welche Verbesserungen?
Zumeist hat sich die Verfügbarkeit von Informationen verbessert. Aber auch die Produktivität, Effizienz und Interaktion im gesamten Unternehmen haben mit den ERP-Installationen gewonnen.
Zufriedenheit mit ERP-Funktionen
Die zufriedenen (lila) und neutralen (grün) Bewertungen überwiegen bei der Fragen nach der Zufriedenheit mit den einzelnen ERP-Funktionen. Die besten Werte erreicht die "allgemeine Software-Funktionalität" (52 Prozent "satisfied" oder "very satisfied").
Amortisierte Kosten
27 Prozent der Befragten gaben ab, dass sich die Kosten für das ERP-Projekt nicht amortisiert haben.
Zeitplan überschritten
Ein Viertel der Teilnehmer hat ihr Projekt fristgereicht, zwei Prozent sogar vor der Zeit abgeschlossen. Alle anderen mussten überziehen.
Betriebsunterbrechungen
Mehr als die Hälfte hatten schon Betriebsunterbrechungen infolge fehlerhafter ERP-Installationen zu beklagen. Die Gründe können technischer, prozessualer und organisatorischer Natur sein. Einfacher zu beheben, so schreiben die Berater von Panorama Consulting, sind technische Fehler.
Zahl der named User
Fast die Hälfte der antwortenden Unternehmen haben ihre ERP-Installationen für bis zu 100 named User ausgelegt.
Gründe für die ERP-Implementierung
Befragten nach den Gründen für das ERP-Projekt, antworteten die Meisten recht allgemein: steigende Business-Performance. Die weiteren Nennungen sind etwas konkreter und beziehen sich etwa auf verbesserte Kundenservices, integrierte Niederlassungen und Compliance-Vorgaben.
Erfolgreiche Installationen
Obwohl die Projekt oft holprig verlaufen, bewerten die Anwender ihre späteren Installationen zumeist gut. 63 Prozent der Befragten bezeichnen sie als erfolgreich.
Wofür ERP-Berater verpflichtet werden
Zumeist kommen die engagierten ERP-Consultants für die Implementierung zum Einsatz. Häufig werden sie aber auch verpflichtet, um Mitarbeiter zu schulen und das Change-Management zu begleiten.
Einsparungen durch Cloud
Die mit dem Cloud-Einsatz erzielten Einsparungen beziffern 36 Prozent auf Null bis 20 Prozent (blau) und weitere 18 Prozent der Befragten auf 21 bis 40 Prozent (grün). Das erachten die Berater von Panorama als zu wenig.
Projektkosten werden überschritten
37 Prozent der Befragten haben das Projekt im Rahmen der budgetierten Kosten abgeschlossen. Alle anderen mussten mehr zahlen. Jeder zehnte musste 51 Prozent und mehr drauflegen.
Erzielter Nutzen
Die Angaben zu den erzielten Vorteilen durch das ERP-Projekt sind sehr vielfältig. Oft besteht das Problem darin, dass die Ziele nicht klar formuliert und das Erreichte nicht mit den Erwartungen abgeglichen werden kann. Dennoch sind Angaben wie "wir haben keinen Business Case" und "wir haben keinen messbaren Nutzen erzielt" besorgniserregend.
on-Premise dominiert
Reine SaaS-Installationen sind eine Randerscheinung, selbst gehostete ERP-Cloud sind selten. Zusammen kommen diese beiden Betriebsarten im Jahr 2013 auf 15 Prozent. In der letztjährigen Erhebung waren es sogar noch 18 Prozent.

Lokales Recht und Währungen

Eine internationale ERP-Lösung muss ferner verschiedene Währungen und rechtliche Grundlagen abdecken. Dies ist zwar auf den ersten Blick selbstverständlich, doch nicht jede Software erfüllt diese Anforderung standardmäßig. Beim Schreiben von Rechnungen sind etwa alle relevanten, gesetzlichen und steuerrechtlichen Vorgaben der Länder zu beachten. Denn unter Compliance-Gesichtspunkten ist Null-Fehler-Toleranz das Maß aller Dinge. Auch Punkte wie Buchführungsvorschriften, Standardkontenrahmen, Handels-, Vertrags- oder Urheberrecht sind zu berücksichtigen.

"Kein Hersteller kann sein System a priori komplett auf alle Länder einstellen. Das wächst mit der Zeit und muss immer kurzfristig ergänzt werden", gibt Christian Hestermann, Research Director ERP beim IT-Research und Beratungsunternehmen Gartner Deutschland, zu bedenken. "Dies gilt insbesondere in Ländern wie Brasilien, China oder Russland, in denen sich die Finanzgesetze und -vorschriften sehr häufig ändern." Um diese teure Herausforderung zu meistern, arbeiten ERP-Anbieter dem Analysten zufolge meist mit lokalen Partnern zusammen, die mit den spezifischen Anforderungen der Länder vertraut sind.

Multi-Site-Funktion und Konsolidierung

Die ERP-Software muss zudem alle internationalen Standorte mit landesspezifischen Parametern wie Mengenangaben, Währungen, Kalkulationen oder Preislisten in einer Instanz abdecken und konsolidieren (Multi-Site-Funktion, auch Multi-Company oder Multi-Org). Dabei umfasst sie alle Unternehmensbereiche wie Finanzen, Produktion, Ein- und Verkauf sowie Warenbestand.

Ein Beispiel: Die französische Filiale eines deutschen Unternehmens bestellt ein Produkt, das die Niederlassung in Rumänien produziert. "Eine ERP-Lösung bildet alle Prozesse dieses Intercompany-Geschäfts zwischen den Landesgesellschaften möglichst automatisiert ab", betont Sontow.

Über die Multi-Site-Funktion ist es auch möglich, Kennzahlen wie Kosten, Umsatzentwicklung oder Lagerbestände der Niederlassungen für alle Regionen und die Zentrale quasi per Knopfdruck zu erstellen und zu konsolidieren. So ist es besonders für die Buchhaltung wichtig, dass die Daten für alle Länder in einheitlichen Formaten vorliegen, um sie international vergleichen zu können. Ziel ist ein zentrales Daten-Management, das möglichst wenig Varianten und Differenzierungen in den Landesgesellschaften zulässt. "Damit sorgt ein internationales ERP-System für effizientes Controlling und eine transparente Finanzbuchhaltung", resümiert Sontow.

Skalierbares ERP-System

Eine international ausgerichtete ERP-Lösung sollte Wachstum bei den Nutzern zulassen und an einem einzigen Standort genauso lauffähig sein wie an vielen Standorten. Zudem müsste es möglich sein, Funktionen nach Bedarf Schritt für Schritt einzuführen, wenn das Unternehmen sie benötigt. Besonders in kleinen Standorten im Ausland oder an Zweigstellen mit wenigen betriebswirtschaftlichen Arbeitsplätzen sollte die ERP-Lösung auch über einen Browser bedient werden können.

Implementierungs-Methodik und lokaler Service

Eine entscheidende Frage bei der Auswahl des ERP-Anbieters ist die Vorgehensweise bei der Implementierung der Lösung. Hier sollten Unternehmen folgende Fragen stellen:

• Ist der Anbieter selbst in meinem Zielland mit einer Niederlassung vertreten?

• Arbeitet er in diesen Ländern mit Partnern zusammen, und werden diese Partner zentral koordiniert?

• Sind diese Partner international mit mehreren Niederlassungen aufgestellt?

• Wer koordiniert den Rollout des ERP-Systems, wenn mehrere Länder parallel abgedeckt werden müssen (Anbieter, Partner, Kunde)?

• Wie läuft der Rollout ab (Key User, die Leute ausbilden, oder Partner)?

• Gibt es eine einheitliche Implementierungs-Methodik?

"Der Erfolg eines internationalen ERP-Projekts steht und fällt damit, dass der Partner vor Ort gut mit der Zentrale zusammenarbeitet", erklärt Sontow. Seiner Meinung nach sollten Unternehmen prüfen, ob der ERP-Anbieter in der entsprechenden Region gut vernetzt ist und Allianzen aufgebaut hat. "Wichtig ist native, muttersprachliche Kompetenz vor Ort, die in der Kultur des Landes zu Hause ist, die rechtlichen Bestimmungen kennt und diese im Bedarfsfall auch mit den Behörden einzeln abstimmt. Auch das projektspezifische Prozess-Know-how muss in die Zielregionen transferiert werden."

Zudem sollten der Anbieter und seine Partner eine einheitliche Implementierungs-Methodik nutzen und beim Rollout standardisiert vorgehen. Dies spielt mittel- bis langfristig eine Rolle, da das System weiterlebt. Dazu Gartner-Analyst Hestermann: "Die Methodik inklusive Dokumentation ist für ein Upgrade in späteren Jahren wichtig, wenn etwa ein neuer Partner ins Spiel kommt. Dieser sollte dann mit der identischen Methodik arbeiten, zumal im ERP-System auch die wichtigsten Unternehmensprozesse hinterlegt sind."

Länder-Roadmap und die Frage nach Referenzkunden

Die Wahl des ERP-Systems hängt natürlich immer von den individuellen Anforderungen und der Branche des Unternehmens ab. Analyst Hestermann rät Firmen, die international expandieren wollen, auf jeden Fall zwei Punkte zu beachten:

1. Wichtig ist eine Länder-Roadmap, die festlegt, welche Länder künftig für das Unternehmen von Bedeutung sein werden und welches System etwa bei einer übernommenen Firma eingesetzt wird.

2. Der Anbieter sollte binnen weniger Tage ein bis drei Referenzkunden aus der entsprechenden Region nennen können und den Kontakt herstellen. "Dann ist man auf der sicheren Seite. Skepsis ist angesagt, wenn der Anbieter zögert und keine Referenzen nennen kann. Im Telefonat mit dem Anwender zeigt sich dann schnell, ob er mit dem System und der Implementierung durch den Anbieter zufrieden war", erklärt Hestermann. Fragen wären: Wie habt ihr die Aufgaben gelöst? Wie verlief die Implementierung? Wie eng ist der Partner mit dem Hersteller verbunden? War der Hersteller flexibel, hat er proaktiv geholfen beziehungsweise nachgefragt?