Peter Kraus

Das silberne IT-Getriebe

07.10.2002 von Horst Ellermann
Seit 25 Jahren steuert Peter Kraus Computer durch die Automobilwelt. Als Leiter der Informatik von ZF Friedrichshafen schafft er den Ausgleich zwischen Kostendruck und befriedigender Arbeit.

Der Mann mit dem Salatteller darf anschreiben lassen. "Ich kenn doch meine Schäfchen", sagt die Kassiererin in der Kantine der Zahnradfabrik Friedrichshafen. Mit einem Lächeln und ohne Guthaben auf der Magnetstreifenkarte schiebt Peter Kraus sein Tablett an der Dame vorbei. Morgen wird er wieder mit gesunder Kost zu ihr kommen - und mit aufgeladener Karte. Der Informatikleiter überzieht seinen Etat nicht gern. Budget-Treue und Controlling sind ihm wichtig. "Warum das Thema Geld derzeit so eine große Rolle in der IT spielt, kann ich nicht verstehen", sagt er. "Kostendruck haben wir im Automobilbau schon immer gehabt."

Kraus ist dem Druck bislang mit einem Sparkurs durch Zentralisierung ausgewichen. Während die 56000 ZF-Mitarbeiter an 117 Stellen in der Welt werkeln und die Geschäftsführer der Betriebsstätten relativ autonom handeln, kommen die Entscheidungen für die Informatik zunehmend aus Friedrichshafen. Kraus kontrolliert sämtliche Investitionen und etwa die Hälfte der ITAusgaben. Dass er nicht alle Ausgaben abzeichnet, liegt am dezentralen Ansatz von ZF, den Kraus lobt: "Die Frage, wo man direkte oder indirekte Verantwortung hat, ist für mich immer weniger entscheidend", sagt der IT-Leiter, der disziplinarisch rund 170 Mitarbeitern vorsteht.

Veränderungen immer mit den Mitarbeitern

Firmenhierarchie interessiert den 51-Jährigen aus zwei Gründen nicht besonders. Zum einen muss er sich in der Matrixstruktur von ZF ohnehin auf der horizontalen, also auf der fachlichen Ebene behaupten. Er überzeugt die lokalen IT-Verantwortlichen mit guten Argumenten und günstigen Angeboten - oder eben gar nicht. Sie berichten an ihre jeweiligen Geschäftsführer und lassen sich nicht von Kraus’ Titel - Vice President - beeindrucken. Zum anderen kann der gelernte Mathematiker und Informatiker kaum noch aufsteigen. Als Finanzvorstand kommt er aufgrund seiner Vorliebe für Technik nicht infrage, ein CIO im Vorstand ist bei ZF nicht vorgesehen, Kraus fühlt sich am Bodensee sehr wohl, Firma und Branche würde er ungern wechseln: "Was soll ich denn in einer Versicherung oder Bank? Ich berate in erster Linie unsere Business-Manager, und da ist Geschäftsverständnis mindestens so wichtig wie IT-Skills."

Permanente Frage: make or buy?

Während Kraus am Drehkreuz die Magnetstreifenkarte zückt, spricht er grundsätzlich über Outsourcing: "Es gibt eigentlich nur zwei Gründe dafür. Entweder man hat einen ganz harten Sanierungsfall und gibt die Drecksarbeit in fremde Hände, oder man kapituliert vor der Komplexität des Informatikgeschäfts." Outsourcing sei in ganz wenigen Fällen eine wirklich strategische Entscheidung. Kraus nutzt das Wort denn auch ungern und spricht wie seine Business-Kollegen viel lieber von Make-or-Buy-Entscheidungen. "Die stehen eigentlich permanent an", sagt der IT-Leiter. "Wir gucken ständig, was können andere besser und preiswerter als wir."

Die interne Teamentwicklerin Manuela Grund bedankt sich für den Cappuccino und erzählt vom Prozess der Zentralisierung, den sie seit Mai 2000 begleitet. "Wir sehen Widerstände als Ressource", erklärt die Psychologin. Entsprechend will Kraus auch weiterhin Workshops abhalten lassen, in denen seine Mitarbeiter ihre Bedenken über Standortgrenzen hinweg auflösen und dabei von Teamentwicklern begleitet werden. Schon zwischen Passau und dem norddeutschen Lemförde gebe es kulturelle Barrieren, die mit Moderation einfacher zu überwinden seien. Künftig will ZF die Kooperation von Managern und Experten auch transatlantisch verstärken.

Kraus nennt als eines seiner persönlichen Ziele, die internationalen Projekte besser steuern zu lernen. Zudem wil er das 2001 von ZF erworbene Unternehmen Mannesmann Sachs stärker integrieren, die Lieferantenbeziehungen straffen und die eigenen Mitarbeiter weiter schulen: "Wir bringen heute neue Systeme schneller in die Abteilungen, als wir die Kollegen darauf vorbereiten können", sagt Kraus, für den die Menschen im Mittelpunkt stehen. In der Praxis heißt das, dass er auch schon mal Mitarbeiter in Urlaub schickt, die gar nicht wollen, weil sie sich für unabkömmlich halten. Kraus sagt von sich selbst: "Ich bin stolz darauf, noch nie in meinem Berufsleben einen Urlaubstag verschenkt zu haben." Zuletzt war er im August mit Frau und Kindern am Bodensee zum Segeln. "Wer seinen Beruf so organisiert, dass er nicht weg kann, macht etwas falsch", sagt Kraus.