MITARBEITERSCHULUNGEN

Das sonnige Klassenzimmer

05.11.2001 von Holger Eriksdotter
Das Software-Unternehmen Danet schult jedes Jahr fast alle seine 800 Mitarbeiter in einem attraktiven Ferienhotel. Die Vorteile – Mitarbeitermotivation und höhere Lerneffizienz – wiegen die Mehrkosten bei weitem auf.

KÜRZLICH WAR beinahe die gesamte Danet-Belegschaft eine Woche lang ausgeflogen. Nicht etwa wegen Kurzarbeit oder verordneter Betriebsferien, sondern für eine Schulung – im Süden. Für 600 der knapp 800 Mitarbeiter des auf Telekommunikationsanwendungen spezialisierten Software-Hauses ging es nach Euböa in Griechenland. Kosten: gut 1,5 Millionen Mark. Doch um diese stolze Summe tut es Danet-Geschäftsführer Hans Georg Klaus nicht leid: „Der integrative Effekt und der Gewinn für die Unternehmenskommunikation sind unbezahlbar“, stellt der Manager aus dem hessischen Weiterstadt fest.

Leicht nachvollziehbar, dass auch die Belegschaft nichts gegen eine Woche fern vom gewohnten Schreibtisch einzuwenden hat. Neben dem durchaus vorhandenen produktiven Schulungsstress gewinnt die Danet-Crew der Seminarwoche im Süden den Charakter eines zusätzlichen Urlaubs ab. Das beirrt Klaus jedoch nicht. Für ihn steht fest, dass sich die ungewöhnliche Maßnahme nicht nur auf das Firmenklima, sondern auch auf den Lernerfolg ausgesprochen positiv auswirkt. Denn anders als in herkömmlichen Seminaren führe das gemeinsame Lernen mit Kollegen und Vorgesetzten zu einem konstruktiven Gruppendruck. „Alle kennen sich, und niemand will sich vor Kollegen oder Vorgesetzten blamieren.“

Klaus weiß, wovon er spricht: Der Griechenland-Trip war kein einmaliges Experiment; seit der Danet-Gründung vor mehr als zwanzig Jahren fährt die Belegschaft jedes Jahr in ein Seminarhotel oder gar in ein Feriencamp – anfangs mit knapp fünfzig Leuten. In den letzen Jahren ging es unter anderem nach Marrakesch, Travemünde, Rhodos, Marbella, Gran Canaria und Sonthofen.

„Wir arbeiten möglichst immer mit denselben Seminarleitern zusammen, um die Kontinuität der Ausbildung zu gewährleisten“, sagt Klaus. Es sind vor allem Professoren und IT-Experten verschiedener Fachrichtungen, die zum Danet-Tross gehören. IT-Themen stehen im Mittelpunkt der Schulungen: Data Warehouse, Datenbank-Tools, Middleware, IP-Technologie, LDAP-Workshop, Sicherheitstechniken, Java-Programmierung, objektorientierte Systementwicklung und GPRS/UMTS-Abrechnung.

Das Kapital steckt in den Köpfen

Aber auch nicht technische Lehrinhalte wie Arbeitstechniken und Zeit-Management, Vertragsrecht, Vertriebsschulung oder Präsentationstechniken gehören zum Angebot der insgesamt 29 Einzelveranstaltungen, die innerhalb der Danet-Woche ablaufen. Jeder Mitarbeiter kann sich in Abstimmung mit seinem Vorgesetzten entscheiden, an welchem Seminar er teilnehmen möchte. Mit Flipcharts, Beamern und Notebooks unterscheidet sich die Fortbildung im Feriencamp in Sachen Ausstattung nicht von herkömmlichen Veranstaltungen.

Danet legt großen Wert auf Aus- und Weiterbildung und die Identifikation der Beschäftigten mit ihrer Arbeit und der Unternehmenskultur, festgehalten in den „Rules of Life“. „Wir arbeiten ausschließlich im IT- und TK-Projektgeschäft; deshalb sind Engagement und Know-how der Mitarbeiter unser wichtigstes Kapital“, sagt Geschäftsführer Klaus. Die Danet-Woche ist für ihn dabei nur eines von mehreren motivierenden Elementen. Jeder Mitarbeiter kann eine Beteiligung an der GmbH erwerben; mehr als die Hälfte der Beschäftigten haben bisher davon Gebrauch gemacht. Zusätzlich fließt über leistungs- und funktionsabhängige Prämien ein Großteil des Jahresgewinns an die Belegschaft zurück.

Den kompletten Schulungsbedarf kann das Unternehmen während der Reisewoche freilich nicht abdecken. Zusätzlich gibt es deshalb in Deutschland Seminare für die Mitarbeiter wie in anderen Unternehmen auch. „Doch die sind meist nicht günstiger“, versichert Klaus. Mit Anreise, Hotel und Seminargebühren lägen die Ausgaben für Standardseminare kaum unter den 500 Mark, die sich in der Danet-Woche pro Tag und Teilnehmer ergeben. Verdienstausfall käme in beiden Fällen hinzu; und hier, lächelt der Manager, rechnet sich die Danet-Woche sogar besser als andere Seminare: Schon traditionell liegt die Ausbildungswoche so, dass darin ein Feiertag enthalen ist. Auf diese Weise trägt jeder Mitarbeiter einen kleinen Teil dazu bei – eine Regelung, die bei den Teilnehmern durchweg auf Verständnis stößt.

Diplom-Informatiker Stefan Coslar fuhr dieses Jahr zum ersten Mal mit und nahm am Seminar „Arbeitstechniken und Zeit-Management“ teil. Der Software-Entwickler war vor allem von der kooperativen und fast familiären Atmosphäre überrascht, die auch das Kennenlernen von Vorgesetzten und Kollegen erleichterte. Als besonders hilfreich empfand er auch den Informationstag, der ihm als Neuling einen guten Überblick über die gesamte Bandbreite der Aktivitäten seines Unternehmens gegeben hat. Für ihn war die Woche „eine gelungene Kombination von Arbeit und Freizeit“. Damit liegt er genau im Trend seiner Kollegen: Eine Umfrage im Unternehmens-Intranet ergab, dass die überwältigende Mehrheit rundum zufrieden war – nur ein einziger Teilnehmer beurteilte das Seminar als „verlorene Zeit“.

Dagegen tut Organisator Klaus, was er kann: Nach der Ankunft in Euböa am Samstag ging es Sonntag um den großen Info-Rundumschlag für alle: Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Jürgen Schröder, sprach über die Unternehmenslage und aktuelle Entwicklungen. Die Unternehmensbereiche und Geschäftsfelder stellten ihre Projekte an Info-Ständen vor. „So können die Leute über den Tellerrand des eigenen Projekts schauen und sehen, in welchen Bereichen wir tätig sind“, erläutert Klaus. Dieses Jahr schlug er mit derselben Klappe gleich noch eine Fliege: Nachdem die Danet-Gruppe 2000 mehrere Unternehmen aufgekauft hatte, gab das Seminar Gelegenheit, die neuen Kollegen aus England, Frankreich, Litauen, Österreich und der Schweiz kennen zu lernen.

Weitere Expansion geplant

Für Klaus steht fest, dass es bei der Danet-Woche bleibt. Allerdings, räumt er ein, werde es immer schwieriger, ein passendes Hotel oder Freizeit-Resort zu finden. Danet ist kräftig gewachsen, weitere Expansions- und Internationalisierungsschritte sind geplant. Langfristig soll die Hälfte des Umsatzes außerhalb Deutschlands erwirtschaftet werden. Nur wenige Anlagen verfügen über genügend Seminarräume und einen Vortragssaal für mehr als 600 Menschen.

Zumindest nächstes Jahr ist die Danet-Woche aber bereits gesichert, wenn auch „nur“ im deutschen Süden. Für den nächsten Mai hat Klaus ein Tagungshotel im bayerischen Sonthofen gebucht, das alle Bedingungen erfüllt. Für viele Danet-Mitarbeiter ein Déjà-vu: Auch vor Griechenland hieß das Ziel Sonthofen.

Danet-Kennzahlen