Outsourcing nicht als Sparmaßnahme

Das virtuelle Unternehmen

11.06.2004 von Christoph Lixenfeld
Von IT-Outsourcing im großen Stil hält man bei Adidas-Salomon nicht viel. Ausgelagert werden ausschließlich Commodity-Bereiche, die extern billiger zu machen sind. Sämtliche für die Marke erfolgskritischen Funktionen behält der Global Player aus Herzogenaurach dagegen in eigenen Händen.

Vor ein paar Jahren waren virtuelle Unternehmen ein Zukunftsthema: keine Büros mehr, keine Fabriken und keine Läden - globale Netzwerke vermarkten globale Marken. Dabei fiel kaum auf, dass es solche Firmen längst gab. Adidas ist ein Musterbeispiel dafür: "Wir produzieren nicht, und wir verkaufen nicht", bringt es CIO Gerben Otter auf den Punkt. Stattdessen lässt Adidas produzieren und verkaufen: Über 96 Prozent der Produkte entstehen in Fabriken, die nicht dem Unternehmen gehören. Die Konsequenz daraus: Der Drei-Streifen-Multi erzielt mit nur gut 15000 Mitarbeitern einen Umsatz von 6,3 Milliarden Euro.

Weniger IT- als Business-Outsourcing

Die IT-Abteilung, die etwa zwei Prozent davon (Stand 2002) ausgibt, verfolgt dagegen eine andere Philosophie als der Konzern insgesamt. CIO Gerben Otter spricht von "selektivem Outsourcing": Gemessen am Budget werden nur 25 Prozent aller IT-Leistungen von Externen erbracht. Geld zu sparen ist dabei gar nicht das primäre Ziel; vielmehr geht es dem Holländer in Diensten des Unternehmens mit Hauptsitz in der mainfränkischen Provinz darum, die Qualität und Effizienz bestimmter Prozesse zu verbessern.

Das Management der Netze ist ebenso ausgelagert wie das Hosting und der Betrieb von SAP-Systemen. Dazu kommen Programmierungsarbeiten, die zum Erhalt der vorhandenen SAP-Applikationen erforderlich sind. "Für mich lautet die entscheidende Frage immer: Ist das Commodity?", bekräftigt Otter. "Dann kann man es auch auslagern."

Das Implementieren neuer Softwarepakete aus Walldorf oder deren Anpassung an veränderte interne Prozesse zählt Otter bisher nicht zu den Leistungen, die er qualitätsgleich und kostengünstiger am Markt einkaufen kann. Zum Teil waren diese Funktionen bereits ausgelagert; Adidas-Salomon hat sie aber mittlerweile ins eigene Haus zurückgeholt.

Funktionen, die Dienstleister übernehmen, überlässt der Sportartikelhersteller aber keineswegs einfach ihrem Schicksal beziehungsweise dem beauftragten Partner. Adidas leistet sich eine eigene Abteilung, die Verträge mit Externen aushandelt und gestaltet sowie deren Umsetzung kontrolliert.

Eine ganze Reihe von spielentscheidenden Funktionen würde Otter allerdings nie outsourcen. Bei einem Unternehmen, das sich fast ausschließlich mit dem Vermarkten des eigenen Namens beschäftigt, gehören dazu naturgemäß das Kundenmanagement und die Marktetingunterstützung. Ebenfalls sakrosankt sind das Know-how der genuinen IT-Leistungen für die Geschäftsprozesse und deren Weiterentwicklung.

Hier stehen aktuell zwei Großprojekte an; zum einen das Produktdaten-Management (PDM) auf der Basis von SAP Material Management: Sämtliche Produktinformationen werden künftig an zentraler Stelle abgelegt, sodass unterschiedliche Funktionsabteilungen von der Produktion bis zum Marketing darauf zugreifen können. Noch im laufenden Jahr wird das System in den USA ausgerollt werden, weitere Länder folgen dann zu einem späteren Zeitpunkt.

Noch kein Standard für das Händlernetz

Das zweite zentrale Zukunftsprojekt heißt European Business Solution (EBS). Sein Ziel ist es, die internen Adidas-Kunden, also die Sportartikelhändler, enger und effektiver an den Konzern anzubinden. Auch hier bedient man sich der Software aus Walldorf: der Branchenlösung AFS (Apparel and Foodware) und des Supply-Chain-Pakets APO (Advanced Planner and Optimizer). Erste Teile dieser Lösungen sind in diesem Jahr produktiv gegangen, weitere Schritte folgen im nächsten und im übernächsten Jahr. "Die Internationalisierung hat dazu geführt, dass wir uns für die Abwicklung vieler Vorgänge mehrerer unterschiedlicher Prozesse bedienen", so Gerben Otter. "Das alles zu standardisieren wird einige Jahre dauern."

Ob auf dem Weg dahin auch in Zukunft ausschließlich Commodity-Funktionen outgesourct werden, ist fraglich. In dieser Beziehung deutet sich - wenn auch erst ganz zart - ein Umdenken an.

"Natürlich ließe sich bei der Anwendungsentwicklung noch einiges auslagern, und wir denken auch darüber nach, räumt Otter ein. "Ob ich neue oder zusätzliche Funktionen jedoch auslagere oder nicht, hängt immer auch davon ab, wie viele Leute ich für den entsprechenden Prozess benötige. Und das entscheidende Kriterium: "Bevor ich 100 neue Mitarbeiter einstelle, denke ich über Outsourcing nach."

Auch auf die Frage, ob er sich das Ausgründen einer eigenen IT-Tochter vorstellen könnte, ist Otters Nein nicht mehr so kategorisch: "Im Moment sehe ich das nicht, aber ich würde es auch nicht für immer und alle Zeit ausschließen."