Milliarden-Potenzial vermutet

Defizite in der Digitalisierung

05.07.2013 von Christiane Pütter
Die Digitalisierung der Unternehmen könnte in der deutschen Wirtschaft eine jährliche Wertschöpfung von zusätzlich mehr als zehn Milliarden Euro bewirken. Das will die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) ausgerechnet haben.
Durch Digitalisierung erreichen deutsche Unternehmen eine zusätzliche Wertschöpfung von rund zehn Milliarden Euro pro Jahr, behauptet zumindest die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW).
Foto: dinostock - Fotolia.com

Wie trägt Digitalisierung zum Wachstum bei - diese Frage wollte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) genauer beantwortet haben. Die VBW hat bei der Prognos AG eine Studie mit dem Titel "Digitalisierung als Rahmenbedingung für Wachstum" in Auftrag gegeben. Eines der Ergebnisse: Ein Drittel des jährlichen Anstiegs der Bruttowertschöpfung lässt sich direkt auf die Digitalisierung zurückführen.

Zum Verständnis: Grundlage der Studie ist die Analyse von Patenten. "Der Einfluss der technologischen Entwicklungen und Trends auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche lässt sich über den jeweiligen Digitalisierungsgrad ablesen. Dieser ergibt sich aus dem Anteil der digitalen Patente an der Summe aller Patente", so die Studienautoren.

Nach dieser Lesart ist der Digitalisierungsgrad über alle Branchen hinweg von etwa 15 Prozent Anfang der 1990-er Jahre auf knapp 23 Prozent im Jahr 2011 gestiegen.

Als hochdigitalisierte Branchen gelten beispielsweise audio-visuelle Medien und Rundfunk, Telekommunikation, Hersteller von Datenverarbeitungs-, Elektronik- und Optikgeräten und Hersteller elektrischer Ausrüstungen. Sie weisen einen Digitalisierungsgrad von mehr als 50 Prozent auf.

Generell sind Dienstleistungsunternehmen stärker digitalisiert als das produzierende Gewerbe. Neue Technologien wie etwa 3D-Printing können aber Impulse in der Produktion setzen. Als Beispiel für digitale Prozesse im Management-Bereich nennen die Studienautoren IT-gestützte Methoden in verwaltungstechnischen und betriebswirtschaftlichen Abläufen.

Nach Berechnungen der Marktforscher sorgt die Digitalisierung Deutschlandweit für eine zusätzliche Wertschöpfung von mehr als zehn Milliarden Euro. Bayern hält daran 1,5 Milliarden Euro.

"In einer reifen Volkswirtschaft mit einer schrumpfenden Bevölkerung wie unserer gehen Wachstumsimpulse in erster Linie vom technischen Fortschritt aus", erklärte Bertram Brossardt, VBW-Hauptgeschäftsführer. Er fordert nun den Ausbau einer hochleistungsfähigen IT-Infrastruktur und vor allem auch im ländlichen Raum eine flächendeckende und schnelle Breitbandversorgung. Wirksame Ansätze dafür seien die Schaffung von Rechts- und Planungssicherheit auf nationaler und europäischer Ebene. Das soll mehr private Investoren locken. "Wir müssen uns beim Breitbandausbau endlich auf einen Standard einigen", so der VBW-Chef weiter.

Die VBW will sich außerdem für neue Bildungsangebote stark machen, die die digitale Kompetenz vom Kindergarten bis zur Universität fördern sollen. "Erzieher, Lehrer und Ausbilder sind viel stärker als bisher gefordert, Medienkompetenz und neue Arbeitsweisen zu vermitteln", so Brossardt.

Gesetzliche Rahmenbedinungen hinken dem Arbeitsalltag hinterher

Stichwort neue Arbeitsweisen: Dem VBW-Chef ist bewusst, welche Risiken die Digitalisierung der Arbeit mit sich bringen. Die Vereinigung hat denn auch ein Positionspapier dazu erarbeitet. Unter dem Titel "Moderne Arbeitswelt - modernes Arbeitsrecht" schreibt die VBW beispielsweise zu flexiblen Arbeitszeiten und -orten: "Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Telearbeit sowie für die Arbeit mit Smartphones und internetfähigen Laptops sind nicht mehr zeitgemäß und müssen angepasst werden. Bei ihrer Einführung gab es diese Geräte häufig noch nicht."

Brossardt will hier keine Probleme sehen, lieber spricht er von "Herausforderungen". Wenn sich der Arbeitnehmer schon räumlich der Kontrolle des Arbeitgebers entzieht, will der VBW-Chef eine menschliche Dimension wieder einführen: "Wir müssen dem Individuum mehr vertrauen", sagt er.

In den kommenden Monaten wird die VBW in Sachen Digitalisierung Lobby-Arbeit betreiben. Der Austausch mit Unternehmen und Politikern solle intensiviert werden, kündigt Brossardt an.

Wachstum durch Digitalisierung
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) hat die Prognos AG mit einer Studie über den Einfluss der Digitalisierung auf das Wachstum beauftragt.
Zunahme digitaler Technologien
Laut VBW-Studie setzen sich digitale Technologien seit Anfang der 1990er-Jahre immer stärker durch. Das gilt nicht nur für Computertechnologie im engeren Sinne, sondern beispielsweise auch für IT-Unterstützung bei Management-Aufgaben. Weitere Felder sind digitale Kommunikation, Halbleiter und audio-visuelle Technologien.
Digitalisierung über die Branchen hinweg
Eine Gesamtbetrachtung zeigt, dass Digitalisierung in alle Branchen Einzug hält. Generell lässt sich jedoch sagen, dass Dienstleistungsunternehmen stärker auf Digitalisierung setzen als etwa das produzierende Gewerbe. Die VBW erwartet, dass neue Technologien wie etwa 3D-Drucker auch in der Produktion neue Impulse setzen.
Hoch-digitalisierte Wirtschaftsbereiche
Ein Vergleich einzelner Branchen verdeutlicht, wer die Vorreiter sind. Audiovisuelle Medien und der Rundfunk weisen einen besonders hohen Digitalisierungsgrad auf. Die Telekommunikationsbranche liegt auf Rang zwei, gefolgt von Herstellern von Datenverarbeitungs-, Elektronik- und Optikgeräten.
Bertram Brossardt, VBW-Hauptgeschäftsführer
Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der VBW (Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft), will in den kommenden Monaten Lobby-Arbeit in Sachen Digitalisierung betreiben. Insbesondere setzt er sich für den flächendeckenden Breitbandausbau ein, auch in ländlichen Regionen. Digitalisierung ist für die Wirtschaftsvereinigung ein wesentlicher Wachstumstreiber.