Der mobile Mensch

Deloitte-Modell zur post-digitalen Integration

26.06.2013 von Peter Ratzer
Post-digital sind neue Anwendungen, die soziale, mobile und analytische Informationen integrieren. Ein Modell zur Integration und ein Enterprise Mobility Lifecycle Framework stellen Peter Ratzer und Timm Riesenberg von Deloitte in ihrer Kolumne vor.
Peter Ratzer ist Partner bei Deloitte.
Foto: Deloitte Consulting GmbH

Die Entwicklung vom industriellen zum digitalen Zeitalter hat die letzten Jahre unter dem Stichwort "post-digital" geprägt.

Der Begriff "post-digital“ kennzeichnet die neuen Anwendungen, die soziale, mobile und analytische Informationen integrieren. Im Vordergrund steht der reale Nutzen von Informationen für den Anwender als "mobilen" Menschen.

Das Modell des mobilen Menschen besteht aus drei Treibern:

1. Technische Anbindung:
Der mobile Mensch ist jederzeit durch intelligente, mobile und intuitiv bedienbare technische Geräte mit dem Internet und Intranet verbunden.

2. Soziale Anbindung:
Der mobile Mensch lebt in sozialen Netzwerken, in denen er andere beeinflusst und von anderen beeinflusst wird. Das Kommunikationsverhalten ändert sich und Personen geben freiwillig Informationen über sich preis.

3. Verhaltensbezogene Anbindung:
Unternehmen besitzen immer detailliertere Informationen über einzelne Personen und können daher zum Beispiel Marketingaktionen gezielt an individuelle Verhaltensmuster der Vergangenheit und abgeleitete Prognosen anpassen.

Abbildung 1: Post-digitale Integration von sozialen, mobilen und analytischen Informationen.
Foto: Deloitte

Die Entwicklung zum mobilen Menschen wirkt sich auf alle Branchen, vom Einzelhandel über den Finanzsektor bis hin zu öffentlichen Einrichtungen aus. Der mobile Markt erlebt dadurch ein enormes Wachstum und Veränderungspotenzial. Die Trends betreffen keineswegs nur das B2C-Geschäft. Die Deloitte Digital Studie zeigt, dass Firmen das Potenzial für mobile Anwendungen nicht nur mit 34 Prozent im B2C-Fokus, sondern auch mit knapp über 30 Prozent im B2E- und mit 23 Prozent im B2B-Bereich sehen.

Sind extrem schnell verlaufende Trends nicht erkannt worden, führt dies oft zu massiven Umsatzeinbrüchen. Zur nachhaltigen Erfolgssicherung müssen Unternehmen dieser Entwicklung gerecht werden, die Treiber des mobilen Menschen verstehen und zukunftsfähige mobile und vor allem flexible Strukturen für ein post-digitales Unternehmen entwickeln.

Integrierter Zugang zu sozialen, mobilen, analytischen Daten

Das Modell der post-digitalen Integration von Unternehmensinformationen (siehe Abbildung 1) sieht für alle Geschäftsprozesse einen integrierten Zugang zu sozialen, mobilen, analytischen Daten und deren Verarbeitung in einer "Cloud" vor. Die soziale Ebene verbessert die Zusammenarbeit und hilft, Kunden und deren Anforderungen besser zu verstehen. Gleichzeitig liefert die analytische Ebene Entscheidungsgrundlagen in Form von Detailinformationen und Vorhersagen.

Die mobile Ebene unterstützt verstärkte Benutzerunabhängigkeit und schafft Grundlagen für neue Geschäftsmodelle. Als Basis garantiert die Cloud-Ebene eine Omnipräsenz aller vorhandenen Informationen. Unternehmen sollten alle diese Ebenen ausprägen und sich nicht nur auf eine fokussieren.

Zugriff auf Echtzeit-Daten nötig

Auf dem Weg zu neuen Geschäftsmodellen im post-digitalen Zeitalter gilt es, fachliche und technische Hürden und Risiken gezielt anzugehen. Beispielsweise entstehen operationelle Risiken durch fehlende Skills und mangelnde technische Standards. Auch datenschutzrechtliche Bedenken und regulatorische Anforderungen verlangen Berücksichtigung. Zudem benötigen mobile Geschäftsmodelle meist Zugriff auf Echtzeit-Daten. Der große Wandel in der B2C-, B2E- und B2B-Zusammenarbeit durch integrierte post-digitale Lösungen steht noch bevor.

Abbildung 2: Deloitte Enterprise Mobility Lifecycle Framework
Foto: Deloitte

Erste Anzeichen für die Umsetzung sind schon erkennbar, wie beispielsweise die Verwendung von Tablets im Geschäftsbereich. Außerdem entwickeln viele Firmen unternehmenseigene App-Stores mit intuitiven Vertriebs-, Entwicklungs- und Betriebsapplikationen für Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten.

Das Enterprise Mobility Lifecycle Framework

Zur Definition und Umsetzung solcher post-digitalen Lösungen wurde das Enterprise Mobility Lifecycle Framework entwickelt (siehe Abbildung 2), das vier Phasen beinhaltet:

  1. Definition der mobilen Strategie

  2. Planung, Organisation, Aufbau und Implementierung

  3. Betrieb und Support

  4. Monitoring und Reporting.

In der Phase "Define Mobile Strategy" werden unter anderem das Firmenumfeld analysiert und Business Cases berechnet, um strategische Entscheidungen treffen zu können. Nachfolgend werden in den Phasen 2. und 3. die mobilen geschäftlichen und technischen Anforderungen detailliert und durch konkrete Maßnahmen geplant, umgesetzt und implementiert.

Danach müssen Supplier ausgewählt, integriert und gesteuert werden. Das Vorgehen wird mit der "Monitor and Report"-Phase abgeschlossen. Außerdem sind Querschnittsaufgaben vorgesehen, die über den gesamten Lifecycle hinaus berücksichtigt werden sollen und die oft kritische Erfolgsfaktoren für das ganze Projekt darstellen (z.B. Risikomanagement, Change Management etc.).

Timm Riesenberg ist Manager bei Deloitte.
Foto: Deloitte

Als Praxisbeispiel dient die Implementierung einer "Unified Communication & Collaboration" (UCC)-Lösung im Mobility-Bereich: Hier wurden bisher isolierte Kommunikationsmedien wie Telefonie, E-Mail, Messaging und Videokonferenzen auf einer einheitlichen und mobil verfügbaren Plattform zusammengeführt.

Praxis: Dienstleistungsunternehmen führt UCC-Lösung ein

Ein globales, diversifiziertes Dienstleistungsunternehmen hat dazu beispielsweise intern eine UCC-Lösung eingeführt, nicht nur um einen wesentlichen Schritt hin zu einer globalen Strategie für Unternehmensmobilität zu realisieren, sondern auch, um ein neues, permanent genutztes Modell der Zusammenarbeit im Unternehmen zu manifestieren.

Klassische Unternehmensgrenzen verschwimmen beziehungsweise werden von einer schnellen und effizient vernetzten Interaktion mit Kunden, Partnern und Kollegen abgeschafft. Durch die Einführung der UCC-Lösung wird das Notebook zum Hauptkommunikationsmittel für Mitarbeiter. Sie sind dadurch zukünftig orts- und zeitunabhängig über eine Anwendung erreichbar, telefonieren mit ihrem Notebook, wechseln bequem per Mausklick vom Messaging zum Telefonanruf oder teilen Microsoft-Office-Applikationen mit ihren Kollegen in Echtzeit.

Unternehmen sind gefordert sich den Herausforderungen des post-digitalen Zeitalters strukturiert, effizient und flexibel zu stellen. Das Beispiel aus dem Bereich Mobility demonstriert, dass dieser Themenkomplex auch für Firmen, deren Hauptgeschäftsfelder nicht in Telekommunikation und IT liegen, von großer Bedeutung ist. Jedes Unternehmen sollte sich die Frage stellen, ob Mobility und andere post-digitale Weiterentwicklungsmöglichkeiten jetzt oder zukünftig positiven Einfluss auf das Geschäftsmodell ausüben können und dementsprechend handeln.

Peter Ratzerist Partner bei Deloitte, Timm Riesenberg ist Manager bei Deloitte.