Wie das Business in Australien läuft

"Den roten Teppich kann man vergessen"

29.09.2008 von Karsten Langer
In Australien gelten für Manager andere Gesetze: Gefragt ist nicht der Einzelkämpfer, sondern der Kumpeltyp. Die Autorinnen Ulrike Stilijanow und Lea Köhler berichten über Diplomatie und Diskretion, Hilfe und Humor und ein Leben ohne Statussymbole.

Australier gelten als besonders hilfsbereit. Erleichtert diese Eigenschaft Deutschen den Einstieg im Job?

Stilijanow: Die sprichwörtliche australische Hilfsbereitschaft kann man in Australien tatsächlich sehr häufig erleben. Das ist gerade für Neuankömmlinge eine ziemliche Unterstützung. Allerdings gibt es trotz der aufgeschlossenen Art der Australier für Deutsche einige Fallstricke beim Einstieg in das australische Berufsleben.

Inwiefern?

Stilijanow: Viele Dinge funktionieren ganz einfach anders als in Deutschland, wie etwa der Umgang mit Hierarchien oder Konflikten. Wenn man das nicht weiß, kann man nach der ersten Euphorie ein böses Erwachen erleben.

Das erwartet man ja auf den ersten Blick eigentlich nicht, wenn man an die entspannte australische Kultur denkt ...

Stilijanow: Genau das entspricht der Einschätzung vieler deutscher Fach- und Führungskräfte, die wir befragt haben: Die Schwierigkeiten sind unerwartet und offenbaren sich häufig erst, wenn man mit der Arbeit anfängt. Wenn Manager in Kulturen entsendet werden, die ganz offensichtlich von der deutschen verschieden sind, bekommen sie heutzutage in der Regel eine gute Vorbereitung. Das ist für Australien bisher noch nicht üblich. Neben den Schwierigkeiten gibt es aber auch Besonderheiten der australischen Kultur, die Deutschen als überraschend positiv auffallen - und dazu gehört auf jeden Fall die Hilfsbereitschaft.

Dieses Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.
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In Deutschland gilt es als Zeichen von Schwäche, wenn man sich helfen lässt. Warum ist das in Australien anders?

Köhler: Um Hilfe zu bitten zeigt, dass ich Wert auf die Meinung meines Kollegen lege. Das ist in Australien auch Teil der Beziehungspflege. Dieses Verhaltensmuster spielt eine große Rolle und wird nicht als Schwäche interpretiert. Sich helfen zu lassen, wird deutlich mehr geschätzt, als wenn man sich als Einzelkämpfer abkapselt und als omnipotenter Überflieger darstellt.

Australier gehen sehr unbefangen miteinander um, was dazu führt, dass man schnell viele Kumpel, "mates" hat. Was genau ist "mateship"?

Stilijanow: Unter "mateship" versteht man das Ideal von Kameradschaft und Loyalität unter Männern, das in Australien eine sehr große Rolle spielt. Mateship geht auf die Anfänge der australischen Besiedelung zurück, wo unter den widrigen Bedingungen die zumeist männlichen Strafgefangenen und ersten Siedler bedingungslos füreinander einstehen mussten, um zu überleben. Damit verbindet sich auch heute noch eine besondere Bedeutung von etwas "raubeinigen" Männerfreundschaften, die man am liebsten beim gemeinsamen Grillen, dem typischen Barbecue pflegt.

Humor hat in Australien hohen Stellenwert

Australier sind auch bekannt für ihren derben Humor. Was erwartet einen in Down Under?

Köhler: In Deutschland hat Humor einen relativ geringen Stellenwert. In Australien ist das anders. Wenn man dort einen flotten Spruch zu hören bekommt, sollte man nicht gleich entsetzt zusammenzucken. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass man akzeptiert wird.

Wie könnte denn so ein lustiger australischer Spruch klingen?

Köhler: Uns erzählte der deutsche Chef eines Unternehmens, dass er einmal mit den Worten "Hey you bloody bastard!" begrüßt wurde. Das war aber nicht böse gemeint, sondern im Gegenteil ein Zeichen von Anerkennung.

Aber der Spaß hört doch spätestens dann auf, wenn man sich nicht mehr ernst genommen fühlt.

Köhler: Genau damit müssen Deutsche, die nach Australien kommen, Geduld haben. Es ist durchaus üblich, dass bei einem Meeting die erste Viertelstunde Small Talk gemacht wird. Wenn man als pflichtbewusster deutscher Manager die Damen und Herren dann zur Ordnung ruft, kann es sein, dass man schnell den Spitznamen "Sklaventreiber" oder Ähnliches bekommt.

Wie sollte man sich in solchen Situationen verhalten?

Köhler: Man sollte versuchen, dieses typisch deutsche fakten- und zielorientierte Denken abzulegen, tief durchzuatmen und wenigstens für den Moment den Spaß mitzumachen. Später wird garantiert wieder zur Arbeit übergegangen. Man sollte solche Situationen dazu nutzen, eine gute Arbeitsbeziehung zu etablieren, auf die man dann auch in schwierigen Situationen zählen kann.

Sind denn alle Witze wirklich witzig gemeint?

Köhler: Das kommt sehr auf den Kontext an. Hinter einer humorvollen Bemerkung kann auch subtile Kritik stecken. Australier würden nie auf die Idee kommen, Ihren Kollegen oder Geschäftspartnern auf den Kopf zuzusagen, dass ihnen dieses oder jenes nicht gefällt. Da wird dann eher gesagt: "Na, süße Träume gehabt?", wenn jemand zu spät kommt. Das ist dann aber schon ein Warnschuss.

Humor ist eine Temperamentsfrage, die kann man nicht verordnen. Was macht ein Manager in Australien, der komplett humorlos ist?

Statussymbol Luxusauto: In Australien ist das nicht schick.
Foto: Daimler AG

Köhler: Nicht beleidigt sein oder drei Tage darüber nachgrübeln, wenn man eine Antwort zu hören bekommt, die im ersten Moment respektlos klingt. Man wird im Grunde auch akzeptiert, wenn man eher der nüchterne Typ ist. Australier sind im Allgemeinen sehr tolerant.

Erfolg hat derjenige, der die Mitarbeiter einbindet

Wie reagieren Australier auf autoritäres Gebaren?

Stilijanow: Mit einem autoritären Auftreten können sich Deutsche in Australien sehr schnell unbeliebt machen. Damit sind vor allem deutsche Führungskräfte konfrontiert, wenn sie nach Australien gehen.

Wenn es darum geht, etwa einen Businessplan zu erfüllen, muss man aber manchmal direktiv sein. Da macht sich ein Manager doch lächerlich, wenn er dauernd "Bitte, bitte" sagt.

Stilijanow: Das wird auch gar nicht verlangt. Aber man ist gut beraten, wenn man sich schon im Vorfeld Gedanken macht, wie die Arbeitsabläufe eines Unternehmens funktionieren. Es wird derjenige Erfolg haben, der die Mitarbeiter einbindet, anstatt sich darauf zu verlassen, dass er in der Hierarchie ganz oben steht und die Mitarbeiter seinen Anweisungen sowieso folgen.

Aber es gibt nun einmal Hierarchien. Oder sind die in Australien abgeschafft?

Stilijanow: Die Hierarchien sind durchaus vorhanden, aber sie spielen im Umgang keine so große Rolle. In Australien gilt vor allem: Der Ton macht die Musik. Australier mögen keinen Kasernenton oder Vorgesetzte, die es als selbstverständlich empfinden, dass Untergebene Befehle ausführen. Mit den typisch deutschen, hierarchischen Vorgehensweisen stößt man schnell auf Widerstände.

Welche Widerstände könnten das sein?

Stilijanow: Das reicht vom subtilen Arbeitsboykott bis hin zur Kündigung. In Australien gibt es nicht so viele Arbeitslose wie in Deutschland, man findet schnell einen neuen Job. Die Hemmschwelle, zu kündigen, ist daher wesentlich niedriger als in Deutschland. Generell ist auch die Bindung an eine Firma geringer.

Was sollte man nun tun, wenn man möchte, dass etwas schnell erledigt wird ?

Stilijanow: Es ist auf jeden Fall sinnvoll, häufiger freundlich nachzufragen, wenn ein Mitarbeiter einen Job in time abliefern soll, und zwar nicht erst kurz vor der Deadline, sondern ruhig auch schon mal zwischendurch. Druck zu machen oder ärgerlich zu werden, hilft dagegen nicht weiter.

Das klingt so, als wenn sich alle "ganz lieb" haben sollen. Ist das so?

Köhler: Es ist einfach eine kulturell geprägte Form des Umgangs, bei der darauf geachtet wird, dass die anderen ihr Gesicht wahren können. Es wird insgesamt mehr Wert auf höflichen Umgang gelegt. Man kommt mit Australiern auch relativ schnell in einen freundlichen Kontakt. Das heißt aber noch lange nicht, dass man miteinander befreundet ist. Das ist ein Irrglaube, dem Deutsche gerne aufsitzen. Es dauert lange, bis private Kontakte und Freundschaften entstehen.

Worüber redet man, wenn man sich trifft?

Köhler: Über das Wetter, Sport, die Familie oder das vergangene Wochenende. Sport ist ganz wichtig, vor allem die australische Form des Rugby und Cricket.

Stilijanow: Auf keinen Fall über persönliche Probleme. Besonders befremdlich ist es für Australier, wenn man auf die Frage "Wie geht’s dir?" mit einer Aufzählung der aktuellen Gesundheitssorgen antwortet. Man sollte auch nicht typisch deutsch antworten: "Kann nicht lauter klagen" oder "Muss ja", sondern einfach sagen "Fein, danke". Mehr wollen Australier nicht hören.

Redet man denn gar nicht über persönliche Dinge?

Köhler: Das kommt darauf an, was man zu den persönlichen Dingen zählt. Es ist durchaus üblich, sich am Montag über die Erlebnisse des Wochenendes zu unterhalten, über Wanderungen, Segeltörns oder Zechgelage. Aber über Probleme in der Familie oder der Beziehung wird nicht geredet. Das gilt als uncool.

Manager: Australier schätzen den Kumpeltypen

Und wer gilt als cool?

Stilijanow: Der typisch australische Held ist der "underdog", derjenige, der nichts hat, aber für die Gerechtigkeit kämpft. Ned Kelly etwa ist so eine Art Robin Hood Australiens und wird als Nationalheld verehrt.

Welchen Typ Manager schätzen Australier?

Stilijanow: Am ehesten den Kumpeltypen. Einen, der auch mit dem Müllmann redet, der mit seiner Mannschaft essen geht oder ein Bier trinkt. Der Chef muss nicht unbedingt der bestangezogenste Mann im Betrieb sein, wichtiger ist, dass er mit anpackt, wenn es brennt. Wenn man es schafft, als Führungskraft ein kameradschaftliches Verhältnis zu seinen Kollegen aufzubauen, ist man auf der sicheren Seite.

Und was passiert, wenn man es nicht schafft?

Köhler: Nicht jeder ist ein Kumpeltyp. Aber solange man seine Mitarbeiter respektvoll und wertschätzend behandelt, muss man sich keine Sorgen machen. Es ist ja nicht so, dass die Mitarbeiter nicht wissen, dass sie auch Leistung bringen müssen. Aber es gibt eben auch andere Prioritäten.

Welche sind das?

Stilijanow: Wenn eine Sache funktioniert, ist das in der Regel ausreichend. Es muss nicht immer alles 100-prozentig sein, 95 Prozent reichen auch. Australier haben da einfach einen pragmatischeren Ansatz als Deutsche. Viele Dinge werden nicht so verbissen gesehen. Man arbeitet zwar viel, aber nicht bis zur totalen Erschöpfung. Außerdem hat die Freizeit einen höheren Stellenwert.

Verbringt man die Freizeit auch gemeinsam mit seinen Kollegen?

Köhler: Üblicherweise treffen sich Kollegen am Freitagabend zum Bier in der Kneipe. Viele Deutsche, mit denen wir gesprochen haben, fanden dieses Ritual etwas befremdlich. Trotzdem ist es günstig, zumindest ab und zu mitzugehen, um sich nicht auszugrenzen.

Stilijanow: Ein Manager, der diese Treffen gemieden hat, wurde im Laufe der Zeit immer seltener für Projekte vorgeschlagen. Es ist schon wichtig, Kontakte zu pflegen, wenn man nicht aufs Abstellgleis geschoben werden will.

"Wichtig ist es, freundlich zu bleiben"

Was passiert, wenn man einem Angestellten ins Gesicht sagt, dass er nicht genug leistet?

Köhler: Diese Situation wird man in Australien kaum erleben. Eventuell unter vier Augen, aber nie in der Gruppe. Jemanden bloßzustellen gilt als größtmöglicher Affront. Das führt vor allem auch nicht zu einer Leistungssteigerung. Und wenn man Pech hat, verliert man sogar einen Mitarbeiter.

Wie sollte man Kritik verpacken, damit sie ankommt?

Köhler: Wichtig ist, freundlich zu bleiben. Wenn man die Kritik als Witz oder als Motivation verpackt, etwa wenn man sagt, "Das kannst du aber besser", dann ist das wesentlich effizienter, als jemandem die Anschuldigungen einfach so an den Kopf zu werfen.

Stößt es auf Gegenliebe, wenn man den Workaholic gibt?

Stilijanow: Auf keinen Fall, das verstößt gegen zahlreiche Prinzipien. Es ist nicht opportun, bis zum Anschlag zu arbeiten. Wer die Nächte am Schreibtisch sitzt, wird eher Mitleid ernten.

Dann sollte man auch nicht erwarten, dass einem in Australien der rote Teppich ausgerollt wird, wenn man die Karriereleiter steil nach oben gestiegen ist und dann als Direktor in Down Under landet?

Stilijanow: Den roten Teppich kann man getrost vergessen. Statussymbole und Titel sind verpönt. Wer zu sehr auf seinen Status pocht, hat schnell den Ruf des Emporkömmlings weg. Es gibt in Australien keinen Starkult, und wer sich wie ein kleiner König aufführt, wird misstrauisch beäugt. Wenn man sich profilieren will, sollte man nicht unbedingt nach Australien gehen.