Analyse durch Bain

Der Bankkunde - Mythos und Wahrheit

08.08.2012 von Christiane Pütter
Der Bankkunde des Web-Zeitalters schaut nur auf den Preis und es muss schnell gehen - so das Bild in den Köpfen mancher Banker. Der Berater Bain & Company klärt auf.

Gringotts heißt die Bank, die in einem schneeweißen Haus mit blankpoliertem Bronzetor residiert. Kommt ein Kunde herein, verbeugt sich ein überaus höflicher Kobold, angetan in scharlachroter Uniform. Geld und Wertgegenstände lagern sicher in unterirdischen Verliesen. Klingt höchst unmodern - doch wenn man den Analysten von Bain & Company aus München glaubt, können sich Banken durchaus ein Vorbild nehmen an der Zaubererbank aus "Harry Potter". Denn: die Verbraucher verlieren das Vertrauen.

Bain hat für die Studie "Was Bankkunden wirklich wollen" knapp 3.000 Deutsche befragt. Ziel der Analysten ist die Demontage falscher Klischees. Eine derzeit gängige Vorstellung allerdings hat sich bestätigt: Bankkunden sind "unzufrieden wie nie zuvor", schreibt Bain.

Die Studienautoren messen die Kundenzufriedenheit mit dem sogenannten Net Promoter Score (NPS). Diese Kennzahl ergibt sich aus den Antworten auf folgende Frage: "Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Bank einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?"

Bain lässt nur Werte von neun oder zehn als Indikator für wirklich loyale Kunden gelten ("Promotoren"). Wer sieben und acht vergibt, ist ein eher "passiv Zufriedener". Bewertungen von sechs und niedriger kennzeichnen einen "Kritiker". Zieht man den Anteil der Kritiker von dem der Promotoren ab, ergibt sich der NPS. Minuswerte bedeuten also, dass es mehr Kritiker als Anhänger gibt.

Das heißt in diesem Fall: Die Banken verzeichnen einen NPS von Minus 13. Im Branchenvergleich schneiden sie damit auffallend schlecht ab. So liegen Versicherungen "nur" bei Minus 8 - ebenso wie Baumärkte. Telekommunikationsanbieter (Festnetz) liegen bei Minus 7.

Wer nun aber glaubt, dass miesepetrige Verbraucher mit allem und jedem unzufrieden sind, der irrt. Denn der NPS von Computerhardware-Anbietern erreicht ein sattes Plus 15. Die Automobilindustrie verzeichnet sogar Plus 23.

Walter Sinn, Partner und Leiter der Deutsch/Schweizer Banking-Praxisgruppe bei Bain & Company, kommentiert, "ein so schwaches Ergebnis wie derzeit bei den deutschen Banken" habe man selten gesehen. "Im Vergleich zu unserer Erhebung im Jahr 2006 ist der NPS noch einmal um zehn Prozentpunkte gesunken, so dass man mit Fug und Recht von der schwersten Vertrauenskrise der Nachkriegszeit sprechen kann", erklärt Sinn.

Ein Blick auf die verschiedenen Institute zeigt, dass vor allem Großbanken enttäuschen - hier liegt der NPS bei Minus 23. Rund 40 Prozent der Befragten geben denn auch an, die Bank wechseln zu wollen. Sparkassen verzeichnen einen Wert von Minus 17, Genossenschaftsbanken von Minus 7.

Große Ausnahme Direktbanken

Ganz anders die Direktbanken: Sie erreichen einen positiven NPS von Plus 13. Bain führt das auf "eine klare Positionierung mit niedrigen Gebühren und schlanken Strukturen" zurück. "Die Kunden verstehen, wofür Direktbanken stehen und honorieren dies. Bei den anderen Instituten klafft hier teils eine erhebliche Lücke", kommentiert Dirk Vater, Partner und weltweiter Leiter für Retail-Banking bei Bain & Company.

Das heiße aber nicht, dass Bankkunden nur auf den Preis achteten und keinen persönlichen Kontakt mehr wollten, stellen die Analysten klar. Sie haben untersucht, was Kundenloyalität fördert - und was nicht. Viele Banken sähen Beratungsgespräche immer noch primär als Plattform für den gezielten Verkauf bestimmter Produkte, so Bain. Dazu Vater: "Eine Rückkehr zu alten Tugenden ist überfällig! Nur wenn die Banken wieder auf Qualität der Beratung und Service setzen, können sie das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen."

Bain fasst "Mythen und Wahrheiten" über Bankkunden zusammen wie folgt:

Mythos 1: Persönliche Beratung ist im heutigen Zeitalter nicht mehr so wichtig. Die Wahrheit: Beratungsqualität ist für den Kunden wichtiger denn je!

Mythos 2: Der Preis ist das ausschlaggebende Kriterium. Die Wahrheit: Nur bei Basisprodukten ist der Preis das wichtigste Kaufkriterium, entscheidend ist vor allem eine transparente und nachvollziehbare Preispolitik!

Mythos 3: Effizienz und Schnelligkeit sind entscheidend im Kundenservice. Die Wahrheit: Empathie und Zuverlässigkeit sind die Haupttreiber von Loyalität und Begeisterung im Kundenservice!

Verständlichkeit wichtiger als Innovation

Mythos 4: Der Kunde kann mit innovativen Produkten begeistert werden. Die Wahrheit: Ein modulares, verständliches und individualisierbares Produktangebot macht den Unterschied!

Mythos 5: Banken können sich nicht über ihre Marke differenzieren. Die Wahrheit: Das Image ist einer der wichtigsten Loyalitätstreiber!