Das Anforderungsprofil wird komplexer

Der CIO als Anthropologe

17.05.2013 von Werner Kurzlechner
CIOs müssen ihre Teams dazu bringen, den Kontakt mit anderen Abteilungen zu suchen. Von Marketing- und Vertriebsleuten lasse sich beispielsweise wichtiges über den Umgang mit Menschen lernen, meinen IT-Chefs aus den USA.
Technologisches Know-how reicht heute nicht mehr. IT-Profis müssen wissen, wie man auf Leute zugeht.
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IT-Manager müssen immer mehr Skills beherrschen, technologisches Know-how alleine reicht nicht mehr. Das wissen CIOs mittlerweile aus eigener Erfahrung, das zeitgemäße Anforderungsprofil ist überdies immer wieder beschrieben worden. Unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com spitzt die veränderte Rolle des IT-Chefs nun auf Basis von Erfahrungen mehrerer CIOs auf drei besondere Idealtypen zu. Gefragt sei derCIO demnach als Business Partner, Co-Collaborator und Anthropologe.

Die Anthropologie ist bekanntlich die nicht triviale Wissenschaft vom Menschen. Vom CIO wird nun keineswegs verlangt, auf akademischem Niveau humanwissenschaftliche Expertisen erstellen zu können. Die Botschaft hinter dem Etikett „Anthropologe“ ist weitaus simpler: Es wird auch für IT-Profis immer wichtiger, mit anderen Menschen zu können sowie Austausch und Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen zu pflegen. Der IT-Manager als Anthropologe muss es hinbekommen, dass das gelingt.

Als Ausgangspunkt denkt man am besten an das uralte Klischee-Bild vom ITler als käsigem Nerd mit viereckigen Augen und ausgeprägter Kontaktunfähigkeit. Carl Ebeling, CIO von Encore Capital, spielt darauf an. Sein Unternehmen habe einen offenen Treffpunkt für die Mitarbeiter entwickelt. Als cool, hip und spaßig habe er den neuen Treff in seiner Abteilung angepriesen. Ein Kollege habe darauf geantwortet: „Carl, siehst du hier irgendjemanden, der witzig ist?“

„CIOs und IT-Leute tendieren dazu, sich zu isolieren und voll in den Features und Funktionen ihrer Technologie aufzugehen“, heißt es im Artikel. Sie mögen es demnach nicht, auf andere Abteilungen zuzugehen und beispielsweise mit Marketing- und Vertriebsleuten den Austausch zu suchen. Aber gerade diese Kollegen hätten die besten Skills im Umgang mit Menschen. Dieser Teufelskreis müsse durchbrochen werden, lautet der einhellige Tenor der befragten IT-Chefs.

Wie CIOs Gehör finden
Wie es IT-Führungskräfte hinbekommen, mit dem CEO auch über Strategie und Innovationen zu sprechen, darüber hat sich Chris Curren von PwC Gedanken gemacht.
1. Stellen Sie sich vor, alles wäre mobil:
Nehmen Sie sich die Zeit und suchen Sie quer durchs Unternehmen nach Gelegenheiten für mobiles Arbeiten. Anschließend helfen Sie Ihrem CEO dabei, sich diese Gelegenheiten ebenfalls vorstellen zu können.
2. Räumen Sie die IT-Budgets vom Tisch:
Es gleicht einem endlosen Stellungskrieg darüber zu diskutieren, welche Abteilungen zur Finanzierung der IT beizutragen hat. Zudem lassen sich mit solchen Debatten innovative und förderungswürdige IT-Initiativen und Projekte prima blockieren. Schlagen Sie in einer solchen Situation vor, eine separate Finanzquelle für solche IT-Initiativen anzubohren, die abteilungsübergreifend ausgestattet wird. Damit leiten Sie solche Diskussionen zurück zum Kern: der Innovation.
3. Das Ausmaß der gemeinsamen Anstrengungen wird über Erfolg und Misserfolg entscheiden:
Reden Sie mit Ihrem CEO darüber, wie er Sie am wirkungsvollsten unterstützen kann, alle Ressourcen und Prozesse zu mobilisieren, die für die strategischen Arbeiten nötig sind. Tun Sie das, bevor Ausgaben anfallen.
4. Wecken Sie Erwartungen auf umfassende Effekte des strategischen IT-Einsatzes:
Hören Sie Ihrem CEO genau zu, wenn er bei Innovationsthemen über seine Erwartungen an die Unterstützung durch die IT-Abteilung spricht. Gleichen Sie diese Wünsche mit den Fähigkeiten der IT ab, damit ihre Prioritäten mit denen des CEO.
5. Technologie kann auch ein Hindernis für Innovationen sein:
Veraltete Technik oder starre Policies etwa für den Umgang mit E-Mail oder Social Media können auf dem Weg hin zu besserer Kommunikation mit Kunden und Mitarbeitern eine echte Barriere bilden. Warten Sie nicht darauf, dass Ihnen Ihr CEO erzählt, wie die IT dem Gesamtunternehmen im Weg steht.

Ralph Loura, CIO bei The Clorox Company, erinnert an vergangene Zeiten. IT-Management sei früher recht einfach gewesen. Man musste die User fragen, was sie benötigen; das dann dokumentieren, entsprechende Projekte aufsetzen, irgendwann liefern und hinterher noch ein bisschen nachbessern. Das habe fast 90 Prozent der CIO-Arbeit ausgemacht, rekapituliert Loura.

Schimpansen in der Wildnis

In diesen guten alten Zeiten konnte man problemlos in eine fremde Branche wechseln, weil IT und Business weitgehend voneinander abgekapselt agierten. Zusätzliche Skill-Anforderungen entwickelten sich schrittweise. Als ERP groß aufkam, musste man sich Projektmanagement-Kenntnisse aneignen. Als der Outsourcing-Trend einsetzte, musste man Vendor- und Vertragsmanagement lernen.

Im Mittelpunkt der IT-Management-Geschichte stand laut CIO.com immer die Integration von Software und Prozessen sowie von IT-Systemen aufgekaufter Firmen, außerdem noch die IT-bezogene geographische Expansion. Aktuell müssten CIOs immer noch erstklassige Integratoren sein, die vorgefertigte Lösungen, cloud-basierte Modelle und On-Premise-Modelle zusammenbringen.

Allerdings komme man anders früher nicht mehr ohne den Blick fürs Business aus. „Wahrscheinlich ist heute der größte Part derRolle, die technologischen Möglichkeiten zu verstehen und zu erklären, warum sie gerade im eigenen Unternehmen das Geschäft voranbringen können“, sagt Dan Willey, CIO des Agrarprodukte-Händlers Wilbur-Ellis. „Die Rolle des CIOs ist wichtiger denn je“, befindet Loura. „Aber nur dann, wenn man sie transformiert in die eines Co-Collaborators und Business Partners mit dem Auftrag, Wertpotenzial zu entdecken.“

Dabei helfen nach Einschätzung Louras auch anthropologische Kenntnisse im eigentlichen Sinne. Er verweist darauf, dass sein IT-Marketing-Team mit den Lehren der Jane Goodall-Schule vertraut sein. Die Anthropologin Goodall machte sich einen Namen, indem sie die sozialen Beziehungen von Schimpansen in Tansania erforschte. „Mein Team geht gewissermaßen auch hinaus in die Wildnis und lernt dort, welche Ziele wirklich zu erreichen sind“, so Loura. „Und von dort kommen sie mit Ideen zurück, die uns weiterhelfen.“