Analysten-Kolumne

Der CIO als Gestalter des Reorganisations-Prozesses

11.10.2006 von Andre Scholz und Tim Habermann
Unternehmen passen sich laufend durch Reorganisationen (merger oder carve-outs) an neue Herausforderungen des Marktes an, um im immer aggressiveren Wettbewerb zu bestehen. Die CIO-Funktion ist dabei in zweifacher Hinsicht betroffen. Der CIO muss sowohl seine eigene Unternehmensfunktion neu aufstellen, als auch die Reorganisation der fachseitigen Unternehmensstrukturen unterstützen.

Dem CIO kommt folglich eine entscheidende Rolle zu. Er gestaltet den gesamten Reorganisationsprozess von den Vorbereitungen und dem Reorganisationsstichtag ("Day One") über eine Übergangs- bis zur Ziellösung.

Vorbereitung der Reorganisation und "Day One"

Die Planungen im Bereich der Informationstechnologie beginnen schon vor der eigentlichen organisatorischen Veränderung. Auf Basis der avisierten gemeinsamen Geschäftsstrategie werden Optionen für die notwendigen IT-Anpassungen am "Day One" und den folgenden Phasen entwickelt. In diesem Kontext können dringende Angleichungen (beispielsweise Anpassungen bei Briefköpfen, Anpassungen in der Gehaltsabrechnung) identifiziert und vorbereitet werden. Darüber hinaus kann mit einem System-Baselining begonnen werden, welches später als Basis für die Konzeption der neuen IT-Zielarchitektur dient. Ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung von Vollständigkeit und ausreichender Detailtiefe in dieser Phase sind Best Practice-Checklisten.

Sobald die Reorganisation juristisch vollzogen ist, sind im Rahmen des "Day One" alle rechtlich nötigen Veränderungen vorzunehmen. Der CIO trägt die Verantwortung dafür, dass alle betroffenen IT-Systeme rechtzeitig angeglichen und umgestellt werden. Besonders kritisch ist hierbei eine zeitlich eng abgestimmte Taktung aus Kommunikationsmaßnahmen und Prozess-/IT-Anpassungen. Als wichtiges Instrument werden in dieser Phase Drehbücher verwendet, in denen der Ablauf der Maßnahmen geplant und detailliert festgehalten wird.

Übergangslösung - die ersten 100 Tage

Nachdem alle rechtlich notwendigen Schritte vollzogen sind, müssen elementare wirtschaftliche Ziele der Reorganisation kurzfristig in der IT abgebildet werden, wie beispielsweise der gemeinsame Auftritt gegenüber dem Kunden (CRM und Billing) und ein korrektes Berichtswesen gegenüber den Finanzbehörden und dem Kapitalmarkt. In der Rolle des "Business Enablers" unterstützt der CIO hierbei die Geschäftsbereiche. Für eine Übergangszeit müssen häufig spezifische Prozesse und Systeme kurzfristig als Zwischenlösung aufgebaut werden. Für deren Konzeption hat sich als pragmatische Vorgehensweise ein iterativer Top-Down-Ansatz mit einer frühzeitigen Priorisierung nach Kosten-/Nutzenaspekten bewährt. Schrittweise können die tatsächlich relevanten Maßnahmen dann weiter ausgearbeitet werden.

In seiner originären Rolle wird vom CIO frühzeitig erwartet, zumindest operativ ein integriertes Anforderungs-Management gegenüber der neuen Organisationsstruktur zu etablieren, um die neue Systemlandschaft aus einer Hand bedienen zu können. Eine Projektorganisation mit integrierten Teams aus IT und Fachbereichen unter fachseitiger Leitung hat sich bewährt, das Fehlen der entsprechenden Aufbauorganisation zu kompensieren. Parallel dazu ist festzulegen, aus welchen Budgets die Maßnahmen für die Übergangslösung finanziert werden sollen.

Ziellösung

Für die Ziellösung ist auf Basis der Geschäftsanforderungen eine neue IT-Strategie bestehend aus IT-Zielarchitektur, IT-Governance und IT-Controlling-System zu entwickeln. Insbesondere für die Zielarchitektur sind von der IT-Abteilung Szenarien für Funktionalität, Kosten/Change-Aufwand, Migrations-Risiko, Realisierungszeit und technische Eignung zu entwickeln.

Hierzu bietet sich unter anderem das bewährte Funktionsmodell an, mit dessen Hilfe Überlappungen oder Brüche in der bestehenden Systemlandschaft leicht identifiziert werden können. Für die Optimierung der IT-Governance bzw. des IT-Controllings sollten ebenfalls Best Practice-Modelle (und bei einem Merger als Quelle die in beiden betroffenen Unternehmen bisher verfolgten Ansätze) betrachtet werden.

IT-Erfolgsfaktoren bei Reorganisationen

Die folgenden Faktoren tragen typischerweise zu einem Gelingen der Umsetzung einer Reorganisation im IT-Bereich bei:

Fazit

Eine Reorganisation stellt die IT vor Herausforderungen, in denen Unternehmen häufig wenig erfahren sind. Obwohl jede Reorganisation einzigartig ist, lassen sich doch mit einer strukturierten Vorgehensweise, mit gewissen Tools und aus Erfahrung abgeleiteten Best Practices grobe Fehler vermeiden und die Weichen für eine erfolgreiche Umsetzung richtig stellen.

Dr. André Scholz ist Senior-Projektleiter im europäischen Informationstechnologie-Team von Booz Allen Hamilton. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich strategische IT-Transformation des Finanz- und Telekommunikationssektors.

Dr. Tim Habermann ist Senior-Projektleiter im europäischen Informationstechnologie-Team von Booz Allen Hamilton. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in der Konzeption von IT-Architekturen im Kontext von Reorganisationen, insbesondere in der Telekommunikations- und Energieindustrie.