Potenziale des Technology Business Management

Der CIO als Unternehmer

25.08.2015 von Dirk Eichberg
Die Diskussion um den Value of IT ist so alt wie die IT selbst. Eine Reihe internationaler Großkonzerne will nicht länger nur darüber sprechen: Mit den Mitteln des Technology Business Management (TBM) schaffen sie eine neue Management-Disziplin, über die sich die IT wie ein ganz normales Geschäft steuern lässt.

Die Ansprüche steigen: CIOs sollen Unternehmer sein. Sie sollen Leistungen flexibel managen, in Zukunftstechnologien investieren, Kosten reduzieren und das Geschäftsergebnis verbessern. Reine Utopie, werden vor allem diejenigen sagen, die der Diskussion um den "Value of IT" längst überdrüssig sind.

Davon unbeeindruckt haben sich rund 120 internationale Großunternehmen auf den Weg gemacht, die Utopie zu verwirklichen. Mit den Mitteln des Technology Business Management (TBM) bauen sie eine unternehmensweite Management-Disziplin auf, über die sich die IT wie ein ganz normales Geschäft steuern lässt. Via TBM erschließen sich die CIOs die Fähigkeit, die Performance ihrer Services direkt auf die Geschäftsprozesse herunterzubrechen. Somit wird es ihnen erst­mals möglich, ihre Leistungen unmittelbar in der Sprache der Fachbereiche aus­zudrücken. Gemeinsam mit ihren internen Kunden teilen sie die zur Verfügung stehenden Etats nun genau denjenigen Projekten und Geschäftsprozessen zu, die den höchsten Wertbeitrag, den höchsten ROI erwirtschaften.

Die IT-Abteilung im Mittelpunkt der Fachbereiche.
Foto: higyou-shutterstock.com

Teil 1 dieser dreiteiligen Serie untersucht die Potenziale des Technology Busi­ness Management. Teil 2 geht auf die hierzu erforderliche Transformation in den Unternehmen ein. Teil 3 wendet sich der praktischen Arbeit mit TBM und den da­zu erforderlichen organisatorischen Veränderungen zu. Zusätzlich zur Allokation der Ressourcen geht es dabei dann auch um die Frage, wie sich IT-Leistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in beinahe Echtzeit steuern lassen. Sobald dies gelingt, entwickelt sich TBM zu einer Art ERP-Lösung für das IT-Management.

Vom Cost Center zum Business Enabler

Wissen CIOs, welchen Teil ihres Budgets sie für die Kollegen im Vertrieb, in der Produktentwicklung, im Einkauf oder im Service aufwenden? Können sie sogar beziffern, wie viele Euros sie dafür ausgeben, damit ein ganz bestimmter Geschäftsprozess anforderungsgemäß abläuft und welchen Ertrag das Unter­nehmen damit erzielt? Welche Hardware-, Software- und Personalkosten fallen denn zum Beispiel an, damit die Kunden eines Autovermieters den Mietwagen ihrer Wahl digital reservieren können?

Durchaus knifflige Fragen. Und wer ehrlich ist, wird kaum bestreiten können, dass es IT-Managern bisher kaum möglich war, die Performance ihrer Services unmittelbar auf das Business zu beziehen. In der aktuellen Praxis beschränkt sich das Reporting darauf, die Informationen so zu erheben, wie sie das Con­trolling einfordert.
Gerade in Großunternehmen haben CIOs ein entsprechend ausgefeiltes Berichtswesen aufgebaut, das präzise ausweist, in welche Systeme und Services sie welchen Teil ihrer Budgets hineinstecken. Oftmals sind die bestehenden Reports mühsam aus einer Vielzahl von Quellen zu konsolidieren und geben schlussendlich doch nicht die gewünschten Informationen wieder. Da die Reportings meist eindimensional, zum Beispiel rein finanzbezogen ausgelegt sind, lassen sie keine validen holistischen Rückschlüsse darauf zu, wie IT-Ressourcen einzusetzen sind, um die Geschäftsprozesse bestmöglich zu unterstützen.

Antworten auf genau diese Fragestellung werden jedoch immer dringlicher. Mit zunehmendem Selbstbewusstsein forden die Fachbereiche die IT auf, die Geschäftsprozesse und Liefermodelle des Unternehmens zu digitalisieren. Ziel ist es, die bisherige Wertschöpfung so weit zu flexibilisieren, dass sich Wett­bewerbsvorteile kontinuierlich erschließen lassen.

Ob sie es wollen oder nicht - die IT-Verantwortlichen müssen den Schutz ihrer Black Box verlassen und die Rolle des Business Enabler annehmen. Wer seine IT auch weiterhin eher als Cost Center begreift und lediglich verhaltene Schritte auf das Business zu macht, verliert zusehends den Kontakt. Je mehr die Fachabteilungen den Eindruck gewinnen, dass sie mit ihren Anforderungen auf kein ausreichendes Verständnis stoßen, desto mehr werden sie sich alternativen Angeboten zuwenden. Pass­genau erscheinende Cloud-Dienste und die Consumerization der IT entfalten eine Eigendynamik, denen die CIOs nur dann etwas entgegensetzen können, wenn sie sich auch als Business Enabler einen Namen machen (vgl. Abbildung).

Entwicklungsstufen zur Business-orientierten IT
Foto: ISG

TBM verlangt Stehvermögen

Eine solche Entwicklung ist sicherlich nicht von heute auf morgen zu machen. Keineswegs erschöpft sie sich in der Einführung geeigneter Analyse- und Steu­erungssysteme. Letzteres stellt eher eine grundlegende Basisaufgabe dar, die in drei bis sechs Monaten zu schaffen ist. Ohne Zweifel liefern diese Werkzeuge die erforderliche Transparenz, um geschäftsbezogene IT-Entscheidungen auf eine belastbare Basis zu setzen. Doch um TBM tatsäch­lich als unternehmensweite Management-Disziplin zu etablieren und anzuwen­den, gilt es eine Vielzahl organisatorischer Dinge zu klären und in der Praxis einzuüben. Für diese Transformationsphase müssen CIOs eine Strategie mit einem klaren Fahrplan entwickeln.

Der Wandel hin zu einer Performance-orientierten IT-Kultur verlangt somit einiges an Stehvermögen. Um gleich zu Beginn ausreichend Fahrt aufzunehmen, empfiehlt sich zunächst, vor allem auf das Thema Transparenz zu setzen und schnelle Erfolge mit Pilotprojekten einzufahren. Im Kern geht es für die CIOs darum, beinahe in Echtzeit zu messen, welche business-bezogenen Leistungen die Assets ihrer Wertschöpfungskette erbringen und welche Deckungsbeiträge damit einhergehen.

Quer über alle Tower ihrer Systemlandschaften hinweg ist hierzu ein durchgängiges IT-Performance-Framework aufzusetzen und mit den Geschäftsprozessmodellen der Fachbereiche zu verknüpfen. Ein ambitioniertes Vorhaben, für das es eines regelmäßigen monatlichen, quartalsweisen und jährlichen Abgleichs der IT-KPIs auf taktischer, operativer und strategischer Ebene mit den Fachbereichen bedarf. Wie es gelingt, zeigt Teil 2 unserer Artikelserie.

Auf Tuchfühlung mit dem Business

Die solchermaßen erreichte Transparenz bildet das Fundament für die weiteren Ausbaustufen des TBM. Gleichzeitig gibt sie den CIOs die kommunikativen Mittel an die Hand, um von den Fachbereichen als ein auch in betriebswirtschaftlichen Fragen relevanter Gesprächspartner gesehen zu werden. Dank TBM können IT-Manager den Umfang, die Kosten und die Qualitäten ihrer Leistungen nun auch auf der Ebene der zu produzierenden Business-Güter diskutieren.

Ohne TBM erscheint die IT für das Business wie eine Black Box, aus der sich keine hin­reichenden Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit ihrer Unterstützung ableiten lassen. Stattdessen lässt sich jetzt unmittelbar prozess- und produktbezogen aufzeigen, wie die IT die an sie gerichteten Business-Anforderungen in der Praxis löst.

Die solchermaßen gewonnene Transparenz beschränkt sich keineswegs nur auf die Darstellung des IST-Zustands. Da die IT ihre Leistungen nun in der Sprache des Kunden zu beschreiben vermag, kann sie die Fachbereiche viel unmittel­barer in ihre Investitionsentscheidungen einbeziehen. Gleiches gilt für das gemeinsame Aufdecken von Einsparpotenzialen. Über das TBM verschaffen sich IT-Manager und ihre Business-Kollegen eine streng geschäftsprozessbezogene Sicht darauf, welche Teile des IT-Budgets in die Aufrechterhaltung des Status quo und welche tatsächlich in Innovationen fließen.

Gerade für die Fachseite verbindet sich damit ein echtes Aha-Erlebnis. Immer mit Blick auf die eigenen Prozesse erkennt sie, dass im Schnitt 60 bis 70 Prozent der Gelder auf den Betrieb der bereits vorhandenen IT-Lösungen entfallen. Und auch das verbleibende Drittel birgt keineswegs so viel Neuerungspotenzial, wie es die Mehrzahl der Außenstehenden erwarten würde: Gerade einmal 10 bis 20 Prozent des Innovationsbudgets kommen tatsächlichen Neuentwicklungen zugute. Die verbleibenden 80 bis 90 Prozent dienen der technologischen Weiterentwicklung der Altsysteme.

Vor diesem Hintergrund entwickeln die Fachbereiche eine völlig andere Perspektive dafür, was sie von der IT einfordern können beziehungsweise einfordern sollten, um ihre jeweiligen Geschäftsziele zu erreichen. Erstmals erkennen sie, an welchen Punkten ihrer Wertschöpfung sie welches Maß an Prozessunterstützung erhalten. Mit diesem Wissen können sie zum Beispiel valide einschätzen, inwieweit es sich lohnt, beim Status quo etwas abzuspecken, um zusätzliche Gelder für das Innovationsmanagement freizumachen.

Dank der Zuordnung des Business-Nutzens lassen sich die zur Disposition stehenden Vorhaben sinnvoll priorisieren. Gemeinsam mit dem Business wählt die IT exakt diejenigen Projekte aus, welche die strategische Roadmap des Unternehmens am weitreichendsten unterstützen. Auf diese Weise entwickelt sich die IT dann tatsächlich zum Business Enabler.