Der CIO wird zum Effizienzvorstand

Der CIO macht Platz für sich selbst

05.10.2005 von Gabriel  Andrade und Dirk Mundorf
Im Finanzdienstleistungssektor – Banken und Versicherungen – finden nicht nur in Deutschland wesentliche inhaltliche und organisatorische Veränderungen im "klassischen“ Verantwortungsbereichs des CIOs statt. Heutzutage ist die effektive und effiziente Erfüllung von Anforderungen der Fachbereiche und das reibungslose "Laufen“ der Systeminfrastruktur nicht mehr alleiniger Maßstab der Effizienz und Effektivität einer IT-Organisation.

Seit vielen Jahren gehören Veränderungen im IT-Umfeld für CIOs zum Tagesgeschäft. Heute jedoch stehen CIOs großer Banken und Versicherungen vor organisatorischen und geschäftspolitischen Veränderungen. Grundsätzlich wird der CIO in seinen Fähigkeiten und seiner Rolle innerhalb des Unternehmens mit neuen Anforderungen konfrontiert.

Eine Studie der Firma Egon Zehnder International zu dem Thema "The CIO Challenges of the Future“ im Finanzdienstleistungsbereich in Deutschland – es wurden ca. 20 CIOs der größten deutschen Banken und Versicherungen in persönlichen Gesprächen interviewt – führte zu einer Reihe interessanter Ergebnisse:

Die Interviews mit den deutschen CIOs führten zu folgenden übergeordneten Beobachtungen:

Um die Validität dieser Aussagen auch in anderen Sektoren zu erhärten, hat Egon Zehnder z. B. im Automobil-, Telekommunikations-, Handels- und Konsumgüterumfeld auf weltweiter Ebene punktuell Interviews mit führenden CIOs geführt. Die im Finanzdienstleistungssektor gemachten Beobachtungen werden in diesen Industrien im Wesentlichen bestätigt, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung (weiter fortgeschritten in der Automobil- und Konsumgüterindustrie, gerade beginnend in der Telekommunikationsindustrie). Es zeigte sich in diesen Industrien in über 60 Prozent der Fälle, dass die dortigen CIOs im Vorstand agierten und Geschäftsverantwortung über den IT-Bereich hinaus trugen. Eine zentralisierte IT-Organisation ist in nahezu allen Fällen bereits implementiert.

Nicht nur diese Studie, sondern auch eine Vielzahl von globalen CIO-/CTO-Suchen, die Egon Zehnder International durchgeführt hat, lassen folgende Hypothese plausibel erscheinen:

"Der CIO von heute“ bewegt sich in Richtung eines "Chief Efficiency Officers“ (CEFO), d.h. eines Managers mit eigener Geschäftsverantwortung (P&L-Verantwortung), der nicht mehr ein "klassischer CIO“ mit Geschäftsverständnis ist, sondern ein erfahrener, breit denkender und agierender Business Manager mit solidem Prozess- und technischem Verständnis. Er sitzt im Vorstand eines Konzerns, und von ihm wird erwartet, dass er wesentliche Veränderungsprozesse konzernweit initiiert und treibt und nicht nur eine zentrale IT-Organisation führt.

Letztendlich sind Unternehmen geprägt von der betriebswirtschaftlich sinnvollen Maximierung des Wertbeitrages. Um den Wertbeitrag zu maximieren, scheinen sich Unternehmen der neuen CEFO-Rolle in unterschiedlichen Entwicklungsphasen zu nähern. Unternehmen sind historisch gewachsen und mit der Historie der Ausgangspunkt für die Positionierung eines CIOs "alter Prägung“.

Das Schaubild stellt diese unterschiedlichen Entwicklungen und Phasen in abstrakter Form dar. Mit "Scope of Responsibility“ wird eine reine IT-Verantwortung bzw. eine Geschäftsverantwortung inklusive IT abgebildet. Die IT-Organisationsstruktur lässt sich als dezentral versus zentral darstellen.

Es bewegen sich heute nur noch sehr wenige Unternehmen in einer dezentralen, IT-fokussierten Struktur – Phase 1 -, in der der CIO eines Konzerns mit indirekter Führungsverantwortung wesentliche strategische und organisatorische Richtlinien vorgibt für dezentrale operative Einheiten, die das Geschäft dezentral und autark führen. CIOs einer solchen dezentralen, eher IT-fokussierten Organisation zeigen wesentliche Kompetenzausprägungen in der Durchsetzungsfähigkeit, Kunden- und Marktorientierung und strategischen Kompetenz. Sie sind in der Lage, weltweit Initiativen voranzutreiben durch Reife, Erfahrung und Beharrlichkeit und ein überdurchschnittlich ausgeprägtes Verständnis der Kundenbedürfnisse und des Kundengeschäfts.

Die Effizienz der Organisation wird in einer solchen Struktur gesichert durch eine klare strategische Ausrichtung und pragmatische Führungsrichtlinien. Allerdings, so das Ergebnis der Egon-Zehnder-Studie, ist eine Maximierung des Wertbeitrages der IT-Organisation in einer solchen Struktur nicht optimal gewährleistet. Die meisten Unternehmen haben sich konsequent in Richtung des Modells in der Phase 2 verlagert.

In der Phase 2 haben CIOs zwar im Wesentlichen noch einen IT-Fokus in ihrem Verantwortungsspektrum, führen aber eine weltweit zentralisierte IT-Abteilung, in der die regionalen oder dezentralen IT-Verantwortlichen in direkter Linie an den globalen CIO berichten. Wesentliche Kompetenzmerkmale solcher CIOs sind Team- und Mitarbeiterführung und eine überdurchschnittlich ausgeprägte Ergebnisorientierung. Sie zeigen ein sehr hohes Maß an Führungskompetenz und Vertrauenswürdigkeit und sichern die Effizienz der Organisation durch eine systematische, prozessorientierte und strukturierte Mitarbeiterführung und –entwicklung.

Eine gewisse Anzahl von Unternehmen entwickelt sich bereits in die Phase 3, in der CIOs vom Verantwortungsspektrum und Kompetenzprofil her eher die Rolle eines CEFO gemäß Definition von Egon Zehnder innehaben. Sie steuern eine zentrale Organisation, in der IT und IT-relevante Geschäftsverantwortung zusammen gelegt wurden. Wesentliche Kompetenzmerkmale solcher CEFOs sind eine ausgeprägte generalistische Geschäftsorientierung, ein überdurchschnittlich hohes Maß an Veränderungsbereitschaft und –fähigkeit und erneut ein überdurchschnittlich ausgeprägtes Maß an Ergebnisorientierung. CEFOs denken und agieren ganzheitlich über alle Funktionen und Geschäftseinheiten eines Konzerns hinweg und sind bereit und in der Lage, den Status Quo in Frage zu stellen und einen wesentlichen Beitrag zu dem Pfad und der Geschwindigkeit der Veränderung beizutragen. Sie kommen aus dem operativen Geschäft und sind mit den Kernprozessen des Unternehmens gut vertraut.

In dem Schaubild soll die Entwicklung der CIOs und der Schwerpunkte ihrer Fähigkeiten durch die unterschiedlichen Phasen hindurch zusammgefasst werden.

Dabei ist ganz links das Egon-Zehnder-Kompetenzmodell zu sehen, wie es in dem Buch “Management Appraisal – Kompetenzen von Führungskräften bewerten und Potenziale erkennen”, (Campus Verlag 2004) von Tilman Gerhardt and Jörg Ritter, zwei Beratern von Egon Zehnder, dargestellt und erläutert wird.

Die wichtigsten Veränderungen werden in den jeweiligen Phasen dargestellt. Die mittlere Spalte stellt das nötige Maß an Kompetenzausprägung dar – "core to succeed“ -, die linke Spalte Kompetenzen, die zwar wichtig für den Erfolg sind, aber nicht ausschlaggebend, und die rechte Spalte Kompetenzen, die in ihrer Ausprägung herausragend sein müssen, damit der CIO in der jeweiligen Phase entsprechende Wertbeiträge leisten kann.

Aus der Aufstellung wird ersichtlich, dass CIOs, die sich von Phase 1 in Phase 2 verändern, Entwicklungsschwerpunkte auf Mitarbeiter- und Ergebnisorientierung setzen müssen. Bei einer Veränderung von Phase 2 zu Phase 3, d.h. von einem CIO eher klassischer Prägung zu einem von Egon Zehnder definierten CEFO, sind eine generalistische Ausprägung und ein überdurchschnittliches Maß an Veränderungsbereitschaft und –fähigkeit die Kompetenzen, die im Mittelpunkt der persönlichen Entwicklung des CIOs stehen müssen.

Zusammenfassend sind wir der Meinung, dass sich CIOs im Finanzdienstleistungssektor in einem sehr spannenden, in diesem Ausmaß bisher nicht da gewesenen Veränderungsprozess befinden und vor der Chance stehen, in einer CEFO-Rolle wesentliche Beiträge zur Wertsteigerung ihrer Unternehmen zu leisten.

Dafür sollte:
Ø der CEFO ein Mitglied des Zentralvorstands sein,
Ø eine zentrale IT-Organisation führen
Ø und zusätzlich Verantwortung für einen Geschäftsbereich mit wesentlicher IT-Bedeutung und –abhängigkeit tragen.