Die Erfolgseigenschaften

Der ideale CIO

08.03.2004 von Marita Vogel
Kommunikationstalent, versierter Umgang mit Business-Fragen, analytisches Denken, gepaart mit IT-Kenntnissen, sowie Führungserfahrung zeichnen einen Top-CIO aus. Der Diplomat unter den CIOs scheint besonders gute Karten zu haben. CIOs, CEOs und Personalberater zeichnen ihr Bild vom zeitgemäßen IT-Manager.

Diese Horrorgeschichten kennt jeder: Die vom CIO, der alle zwölf Monate seinen Job wechselt. Die vom Unternehmen, das nach einmaligem Versuch die Position des CIOs nicht mehr besetzt. Oder die vom IT-Kollegen, der unter dauerndem Störfeuer seiner Abteilungsleiterkollegen leidet und nichts richtig auf die Reihe bringen kann. Ganz zu schweigen von etlichen CIOs, die nach gescheiterter Tätigkeit mehr oder weniger erfolgreich als Berater unterwegs sind.

"Der CIO hat wohl die schwierigste Leitungsposition im Unternehmen", fasst Michael Proft von der Frankfurter Personalberatung Ray & Berndtson zusammen. "Er steht ständig unter kritischer Beobachtung und muss oft gegen vermeintliche Interessen anderer Abteilungen arbeiten. Wenn dann noch der Rückhalt der Geschäftsleitung fehlt, weil er mangels Spielraum als besserer Projektleiter die Erwartungen gar nicht erfüllen kann, wird es eng."

Diese Sandwich-Position zeigt sich auch in einer Studie, die die Hamburger Handelskammer im Herbst 2003 zusammen mit Deloitte & Touche verfasste. Das Ergebnis: Zwar sagen 36 der 60 befragten mittelständischen Unternehmenschefs, ein IT-Leiter habe die operative Verantwortung. Verantwortlich für Investitons- und Richtungsentscheidungen ist allerdings nur ein Drittel der IT-Chefs. "Die Frage bleibt offen, wie diese Diskrepanz im täglichen Arbeitsumfeld bewältigt wird", lautet das Fazit der Studie.

Kern des Problems ist, dass CEOs oft nur vage Vorstellungen davon haben, wie ihr CIO sein soll, welche fachlichen Erfahrungen und persönliche Kompetenzen er mitbringen sollte, um die Unternehmensstrategie mit Hilfe der IT umzusetzen. Proft machte ähnliche Erfahrungen: "Laut Auftrag benötigt das Unternehmen vor allem einen strategisch denkenden CIO, der die IT parallel zum Business entwickelt. Sind dann Chef und Bewerber im Gespräch, erscheint der CIO plötzlich als zu abgehoben, weil er die Problemlage strategisch angehen will. Häufig breche hier der Kontakt ab, das Unternehmen entscheide sich später für einen eher technisch orientierten Leiter - und hat für die zu lösenden Aufgaben den falschen Mann ausgewählt. Um dem zu entgehen, hilft eine erste Bedarfsdefinition. Luis Praxmarer, Senior Vice President beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Metagroup, hat vier CIO-Typen ausgemacht: "Wir unterscheiden zwischen den Verwaltern (Caretaker), den Arbeitern (Harvester), den Wende-Spezialisten (Turnaround Artist) und den Wachstums-Experten (Growth Specialist). Welche Rolle der CIO wahrnehmen soll oder muss, hängt natürlich von der Firma ab."

Unabhängig von dieser Einteilung sei der CIO für die optimale Unterstützung der Geschäftsbereiche und der -strategie zuständig. "Er ist nicht für die Technologie per se, sondern für die korrekte betriebswirtschaftliche Verfügbarkeit von IT-Leistungen, deren effektive Nutzung und damit für den Wertbeitrag der IT zum Unternehmenserfolg verantwortlich", so Praxmarer.

Doch welche Erwartungen hat die Geschäftsführung an seinen CIO? Die Basics sind - wie eine kleine "CIO"-Umfrage unter CEOs und CFOs zeigt - schnell benannt:

Orientierung an den Bedürfnissen des Business: "IT-Leiter müssen den Brückenschlag zwischen technischer Innovation und dem Verständnis für die Bedürfnisse der IT-Kunden schaffen", sagt Jan-Christoph Maiwaldt, der im Vorstand des Hamburger Brillenfabrikanten Fielmann AG neben Organisation und Controlling auch für IT zuständig ist. "Die Kundenorientierung steht ganz oben auf der Wunschliste an den CIO - zumal noch immer große Sprachbarrieren bestehen."

IT nicht primär mit Technologie in Verbindung bringen: "Der ideale CIO sieht die IT nicht als Selbstzweck. Er geht unternehmensstrategisch vor: Seine Arbeit steht unter der Fragestellung, wie er mithilfe der IT die strategischen Ziele unterstützen kann", sagt Axel Knobe, CEO des IT-Dienstleisters der Volkswagen AG, Gedas. Dazu gehöre, zur Stärkung der Marktposition Umsatz zu generieren und die Kostenpositionen zu optimieren.

Funktionierende IT: "Voraussetzung für wirtschaftliches Handeln sind weltweit harmonisierte und funktionierende Prozesse, die in einer standardisierten IT-Infrastruktur abgebildet werden", sagt Hans Sudkamp, stellvertretender CEO und CFO des Lippstädter Automobilzulieferers Hella KG Hueck & Co. Nur so ließe sich ein globales Unternehmen profitabel steuern. Deshalb habe IT als Corporate Function die gleiche Wertigkeit wie die Bereiche Finanzen und Controlling.

Diese Anforderungen würde vermutlich jeder CIO unterschreiben: Business-Affinität zählt heute zu den Standards. Das ergab auch die Studie "The State of the CIO: The Changing Role of the Chief Information Officer 2003/2004" unserer Schwesterzeitschrift CIO USA. Dort antworteten im Jahr 2003 76 Prozent der befragten CIOs, dass strategisches Denken und Handeln unbedingt zu den Eigenschaften eines CIOs gehöre. 2002 lag der Anteil noch bei 46 Prozent. Auch deutsche Kollegen sehen das so: "Eine der wichtigsten Voraussetzungen für CIOs sind breite Kenntnisse von IT und Business, gepaart mit unternehmerischem Denken und Führungsqualitäten", sagt Thomas Tribius, CIO der Axel Springer AG. Und Stefan Osterhage, CIO der Hella KG, ergänzt: "Das Wichtigste ist, die Bedürfnisse des Business und das Business selbst zu verstehen."

Für Jürgen Sturm, als CIO beim Münchener Hausgerätehersteller BSH für 700 IT-Mitarbeiter verantwortlich, hat der CIO drei Aufgaben: "Ganz oben steht der robuste IT-Betrieb, um die Prozesse des Unternehmens zu unterstützen. Der CIO hat die Kosten im Griff, indem er auf Kostentransparenz und -exzellenz achtet. Hier geht es darum, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten und besser als vergleichbare Firmen zu sein. Als Drittes soll er den Wertbeitrag durch fortgeschrittene IuK-Technologien sichern."

Welche Voraussetzungen muss ein erfolgreicher CIO erfüllen, welche Eigenschaften ein IT-Leiter auf dem Karrieresprung zum CIO vorweisen? Hier zeigen sich Unterschiede in den Antworten der von uns befragten CIOs. Einigkeit herrscht jedoch in vielen Punkten, etwa in den Top-6-Fähigkeiten, die ein CIO mitbringen sollte - und zwar diplomatisches Geschick, Kommunikationsfähigkeit, Führungserfahrung, Projekterfahrung aus Nicht-IT-Projekten, Business-Verständnis und -Sprache sowie analytisches Denken (siehe Kästen).

Diese Basics decken sich fast mit den Top-10-Eigenschaften, die eine Studie des US-amerikanischen Fachmagazins Techrepublic 2003 herausstellte. Danach zählen neben Kommunikationsfähigkeit und diplomatischem Geschick auch die Fähigkeit zur Vorausschau, Motivationsfähigkeit und das Talent, ein gutes Team zusammenzustellen, zu den wichtigsten Attributen. Auf Rang neun folgen gutes betriebswirtschaftliches Know-how, auf Rang zehn exzellente Kenntnisse von IT-Lieferanten.

Als Einbahnstraße funktioniert die CIO-Position aber nicht. Was erwarten sich also CIOs von ihren CEOs? Hier sind sich die CIOs einig: Um IT-Projekte durchsetzen zu können, benötigen CIOs Rückendeckung ihrer Chefs. "Damit wird manchmal viel verlangt, weil sich der Firmenchef gleichzeitig gegen die Eigenverantwortung anderer Bereiche wenden muss", sagt Hella-CIO Osterhage. Springer-Mann Tribius wünscht sich zusätzlich "ausreichend Möglichkeiten zur Gestaltung der IT innerhalb eines strategischen Leitbildes", während für den IT-Vorstand der Baumarktkette Hornbach Bernd Lübcke die Wahrnehmung als Business-Partner wesentlich ist. "Stolpersteine drohen auch hier, sagt Personalberaterin Katja Hollaender-Herr von Heidrick & Struggles: "CIOs sollten sich vor der Umsetzung wichtiger Projekte so schnell wie möglich den Rückhalt der Geschäftsleitung holen. Wenn der nicht da ist, kann jedes Projekt schnell zum politischen Thema werden."

Alles Wissen um die Erwartungen der jewiels anderen Seite macht die Situation des CIO nicht besser: Am E-Business-Hype, der für viele Firmen mit horrenden IT-Kosten verbunden war, verbrannten sich CEOs die Finger. "Oft besteht deswegen ein Vertrauensmangel gegenüber IT", so Proft. Wenn Arbeitsbeziehungen scheitern, liege das manchmal an einer Technikverliebtheit des CIO, der IT nicht als Business-Faktor wahrnehmen könne. Andere vermögen es nicht, die Geschäftsführung von der IT-Relevanz zu überzeugen. Fast immer spielt ein Faktor eine Rolle, den weder CEO noch CIO beeinflussen könnten. Proft: "Wenn eine Trennung bevorsteht, sind meistens zwischenmenschliche Dissonanzen der Grund."