Emerging Technologies

Der neue Gartner Hype Cycle 2013

17.09.2013 von Christiane Pütter
Der Einsatz von Maschinen statt Menschen ist das große Thema des diesjährigen Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies.
Gartner verortet insgesamt 43 Technologien im neuen Hype Cycle.
Foto: Gartner

Das Zusammenwachsen von Mensch und Maschine ist das prägende Thema des diesjährigen Hype Cycle for Emerging Technologies aus dem Hause Gartner. Die US-Analysten haben insgesamt 43 Technologien unter die Lupe genommen. Darunter finden sich allerdings mit Cloud Computing und Near Field Communications (NFC) auch Entwicklungen, die gar nicht mehr so "jung, neu entstehend" (emerging) sind.

Gartner verortet jede Technologie in einem von fünf Stadien des Hype Cycle. Sie beginnen stets als Innovation und erleben dann einen Gipfel überzogener Erwartungen. In Schritt drei fallen sie folgerichtig ins Tal der Enttäuschungen, um nach einer Phase der nüchternen Betrachtung schlussendlich ihre Produktivität zu entfalten.

Im Stadium der Innovation beziehungsweise schon fast auf dem Weg zum Gipfel der hohen Erwartungen befinden sich folgende Trends:

Volumetrische und holografische Displays

Architekten und Mediziner, aber auch Hersteller von Computer-Spielen dürften sich für volumetrische und holografische Displays interessieren. Diese kreieren einen bisher nicht erreichten plastischen Eindruck von Objekten. Noch stecken solche Displays im Embryonal-Stadium, wie Gartner schreibt. Bis sie sich durchsetzen, dürften mehr als zehn Jahre vergehen. Bisher haben sie rund ein Prozent ihres potentiellen Marktes durchdrungen. Noch sind sie schlicht zu teuer.

Automobile Autos

Das selbstfahrende Auto bringt den Halter von A nach B, während dieser arbeitet, schläft oder fernsieht - Traum vielbeschäftigter Manager. Möglich wird das durch Laser, Radar und Kamera sowie Driver Assistance-Systeme samt Software, Kartendaten, GPS und drahtloser Kommunikation. Diese Fahrzeuge werden die Welt entscheidend verändern, sagt Gartner. Das dauert allerdings noch etwa fünf bis zehn Jahre. Ein Blick auf die Anbieter zeigt, welch unterschiedliche Player von der neuen Technologie profitieren wollen: Bosch, Continental Automotive Systems, Google, Mobileye, Nokia und Valeo zum Beispiel.

Martin Jetpack
Jetpacks alias Raketenrucksäcke sind bald keine Zukunftsmusik mehr. Der Martin Jetpack soll Mitte 2013 auf den Markt kommen und ungefähr 100.000 Dollar kosten. Er soll sie mit bis zu 100 km/h 50 km weit durch die Lüfte tragen. Allerdings variieren die gesetzlich erlaubten Einsatzgebiete von Land zu Land. Ins Büro pendeln per Jetpack ist also nicht ohne weiteres möglich
Hamburger aus dem 3D-Drucker
Biotinte aus Stammzellen, künstlich gewachsenes Muskelfleisch aus dem 3D-Drucker - der Hamburger von morgen ist vielleicht nicht nach jedermanns Geschmack.
3D-Drucker druckt Waffen
Pistolen und Sturmgewehre aus dem heimischen 3D-Drucker? Die Idee gefällt beileibe nicht jedem - ist aber schon heute umsetzbar.
Hand als Touchscreen
Zusammen mit Microsoft haben Wissenschaftler einen Projektor entwickelt, der von der Schulter des Anwenders Bilder auf beliebige Flächen strahlt. Eine Kamera erkennt die Auswahl des Nutzers. Vielleicht wird die Hardware künftig klein genug für die Brille? Oder die Halskette?
Fotografieren ohne Fokusieren
Bei der Lichtfeld-Fotografie müssen Sie nicht auf den Autofokus warten oder gar manuell fokusieren. Einfach abdrücken - fertig. Erst nach dem Foto entscheiden Sie sich für den Bereich, der scharf dargestellt werden soll. Die Firma Lytro baut dazu in die Objektive sehr viele Mikro-Linsen ein, die mehr Licht einfangen können als klassische Linsen.
Pentagon baut angeblich „Avatar“ ähnlich wie im Kinofilm
Im Kinofilm „Avatar“ von 2009 steuert ein Soldat einen künstlich erzeugten Alien-Körper per Gedankenkraft. Das Pentagon-Projekt „Avatar“ soll in die gleiche Kerbe schlagen.
Smartphone erkennt Gefühle
Samsung arbeitet an einer Technik, die über die Tippgeschwindigkeit und die eingegebenen Befehle den Gemütszustand des Nutzers erkennen soll. Spielt mir mein Smartphone künftig beruhigende Musik vor, wenn ich nervös oder wütend bin?
Dampfbad macht Smartphones wasserdicht
Hersteller Liquipel bedampft Smartphones mit einer Nano-Schicht, die Wasser abhält. Wasser kann zwar in das Gehäuse eindringen, CPU & Co. kommen aber nicht zu Schaden. Das Gerät läuft einfach weiter. Liquipel will die Nanoschicht zusammen mit Samsung, HTC & Co. während der Fertigung auftragen, bietet aber aktuell schon eine Nachbehandlung bereits gekaufter Modelle an.
Computer bringt lange Mails auf den Punkt
Sicher kennen Sie das auch: Ihr Kollege oder Ihr Freund schreiben ellenlange Mails. Aber lange Rede, kurzer Sinn - mit einem Satz wäre es oft auch getan. Ein 16jähriger Australier hat sich das wohl auch gedacht und arbeitet an einem Algorithmus, der lange Texte automatisch kürzen soll. Finanziert wird er übrigens durch einen in Hong Kong lebenden Milliardär namens Li Ka-shing.
Internet aus der Glühbirne
Zumindest aus der LED-Birne - durch extrem schnelles Blinken werden Daten übertragen. Lampe aus bedeutet 0 und Lampe an 1. Daraus lässt sich ein Datenstrom aus Einsen und Nullen generieren. In Testreihen wurden durch diese Technik schon DSL-Geschwindigkeit erreicht. Problem ist noch der Upload von Daten. Direktes Licht sei dagegen nicht unbedingt nötig, da auch über reflektiertes Licht Daten übertragen werden. Spenden Straßenlaternen in einigen Jahren nicht nur Licht, sondern auch Internetzugang?
PC mit den Augen steuern
Das Unternehmen Tobii lässt Sie mit den Augen durch Webseiten scrollen oder im Spiel Asteroids Himmelskörper per Blick vernichten. Tobii werkelt schon länger an der Technik, will sie aber jetzt zur Marktreife bringen.
Biegsame Smartphones
Statt auf Silizium setzen die Wissenschaftler des Laboratory of Nanoscale Electronics and Structures auf Molybdänsulfit. Dessen einzelne Schichten sind nur drei Atome hoch und das Material ist flexibel. Theoretisch wären damit aufrollbare Smartphones und Tablets denkbar - wenn man auch für das Display eine Lösung findet.
Kontaktenlinsen als Display
Amerikanische Forscher haben eine Kontaktlinse entwickelt, die als Display fungiert. Das eingeblendete Bild scheint einen Meter vor dem Betrachter zu schweben. Die Mini-Auflösung und die Stromversorgung bereiten den Forschern derzeit noch Kopfzerbrechen.

Mobile Roboter

Mobile Roboter bewegen sich entweder komplett selbstständig oder per Fernbedienung. Es gibt rein funktionale Varianten (zum Beispiel staubsaugende Roboter) oder solche mit menschenähnlichem Aussehen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Möglicherweise ersetzen Drohnen irgendwann den Ausfahrer des Pizza-Service. Mobile Roboter können Wachdienste übernehmen, im Schuhgeschäft Kartons wegräumen und in der Altenpflege Patienten heben. Sie können dem Menschen gefährliche Tätigkeiten abnehmen. Ihr Einfluss wird sehr groß sein und binnen fünf bis zehn Jahren sichtbar werden.

Diesen Weg im Hype Cycle hat eine weitere Technologie bereits hinter sich. Sie rutscht nun ins Tal der Enttäuschungen ab, bleibt aber relevant:

Virtuelle Assistenten

Der Begriff des virtuellen Assistenten umschreibt computer-generierte Schnittstellen, die Gespräche mit Kunden simulieren. Sie können einfache Fragen beantworten. Diese Technologie ist dabei, sich zu etablieren, auch wenn sie bisher nicht mehr als fünf Prozent ihres Potenzials abgeschöpft hat. Binnen zwei bis fünf Jahren wird sie sich stärker durchsetzen.

Darüber hinaus hat Gartner In-Memory auf dem Schirm. Der Blick der Analysten:

In-Memory Database Management Systems

Das Management von In-Memory-Datenbanken wird in naher Zukunft einige Entscheider desillusionieren. Die Technologie hatte eben zu hohe Erwartungen geweckt. Zum einen stellt sich nun heraus, dass In-Memory-Datenbanken weit komplexer und komplizierter sind als gedacht, zum anderen fehlt es an Erfahrungen und Skills. Gartner gesteht der Technologie aber einen hohen Reifegrad und erhebliches Transformations-Potenzial zu. In den kommenden zwei bis fünf Jahren werden immer mehr Entscheider damit arbeiten.

In-Memory Analytics

Was In-Memory Analytics betrifft, so ist die Enttäuschung im Moment groß. Entscheider stellen fest, dass sie mit dem Instrument auch umgehen müssen - In-Memory ist kein Selbstzweck. Tools zur visuellen Darstellung können helfen, die Daten besser zu verstehen und zu interpretieren.

Binnen zwei Jahren wird sich die Haltung der Unternehmen wandeln. Sie werden In-Memory sachlicher betrachten und lernen, besseren Nutzen aus den Analysen zu ziehen.

1. Die Soziale Matrix verstehen.
Soziale Medien betreffen bei weitem nicht nur Konsumenten, sie vernetzen auch Unternehmen intern und untereinander. Mehr noch: Social Media ist heute ein riesiges Biotop mit eigenen Regeln, und wer sie begreift, dem eröffnen sich enorme Businesschancen.<br/><br/> McKinsey beschreibt das Beispiel <b>Boehringer Ingelheim</b>: Das Pharmaunternehmen hat einen Wettbewerb auf Kaggle gesponsort, einer Plattform, auf der Datenanalyse-Wettbewerbe ausgetragen werden. Boehringer wollte wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein bestimmter neuer Bestandteil eines Arzneimittels genetische Mutationen auslöst. Die beste Analyse (unter fast 9000 Teilnehmern) lieferte ein Team, das Kenntnisse im Versicherungswesen, in Physik und in Neurowissenschaften miteinander verband. Boehringer lernte dabei eine Methode der Risikoabschätzung kennen, die um 25 Prozent zuverlässiger war als die bisher genutzte.
2. BigData nutzen.
Wer das Thema Datenanalyse unterschätzt oder gar ignoriert, riskiert seine Wettbewerbsfähigkeit. Einerseits wachsen die Herausforderungen, die damit verbunden sind, weil immer mehr Daten entstehen: <br/><br/> Die US-Firma <b>Acxiom </b>bietet ihren Kunden – etwas Banken oder Autoherstellern – Profile von 500 Millionen Kunden an, jedes von ihnen angereichert mit etwa 1500 Merkmalen. Solche Datenberge wollen ausgewertet werden, was aber – andererseits – durch technischen Fortschritt zu immer geringeren Kosten möglich ist. Durch die Analyse von Daten aus ganz unterschiedlichen Quellen sind Unternehmen in der Lage, ihre Produkte individueller auf immer schmalere Kundensegmente zuzuschneidern.
3. Das Internet der Dinge verstehen.
McKinsey spricht bewusst vom Internet ALLER Dinge, um zu verdeutlichen, dass es in absehbarer Zukunft eigentlich kein Gerät mehr geben wird, das nicht mit dem Internet verbunden werden kann. Gerade auf diesem Gebiet habe sich seit der vorigen Analyse 2010 viel verändert. Ein Beispiel: <br/><br/>Der Versender <b>FedEx</b> hat ein Programm mit dem Namen SenseAware aufgelegt. Dabei stecken die FedEx-Kunden ein Handheld von der Größe eines Handys in jedes Paket. Dieses Gadget enthält ein GPS-Modul, außerdem Sensoren, um Temperatur, lichtverhältnisse, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit zu messen. Im Falle von sensiblen Gütern kann der Kunde so ständig nachvollziehen, ob die vereinbarten Transportbedingungen eingehalten werden. Darüber hinaus lassen sich mit solchen intelligenten RFID-Tags Logistikketten leichter als je zuvor intelligent und automatisiert steuern.
4. Alles wird geteilt.
Nicht nur Rechnerkapazitäten, sondern fast alles lässt sich mittlerweile übers Web teilen. Prominentes Beispiel sind internetgestützte Car-Sharing-Modelle wie <b>Car2Go</b>, also Mobility-as-a-Service sozusagen. Autos werden nur dann genutzt und bezahlt, wenn man sie bewegen will. <br/><br/> Ladekapazitäten auf LKWs lassen sich dank Internet preiswert auch für geringe Transportmengen buchen. Und teilen lässt sich mittlerweile so ziemlich alles: Die <b>Los Angeles Times </b>etwa vermietet regelmäßig Räume an Filmcrews.
5. Auch Wissensarbeit wird automatisiert.
Physische Arbeit und standardisierte IT-Services sind in den zurückliegenden drei Jahrezehnten weitgehend automatisiert worden. Jetzt führen fortschrittliche Datenanalyse, preiswerte Rechenleistung und die Lernfähigkeit der Systeme dazu, dass die Automatisierungswelle auch die Arbeitsplätze der Kopfarbeiter erreicht. Maschinen können immer häufiger Sprache und Zusammenhänge verstehen, daraus schneller Rückschlüsse ziehen als Menschen. <br/><br/> Bei <b>Clearwell Systems </b>im Silicon Valley, einem Unternehmen, das juristische Akten analysiert, haben vor einiger Zeit Supercomputer eine halbe Million Dokumente durchsucht und jene 0,5 Prozent von ihnen herausgefiltert, die für einen anstehenden Prozess relevant sind. Der Vorgang dauerte nur drei Tage, ohne die Technik hätte ein größeres Anwaltsteam dazu mehrere Wochen gebraucht.
6. Mehr Chancen durch mehr Digital Citizens.
Obwohl viele sogenannte Entwicklungsländer in puncto Internet-Durchdringung weit höhere Wachstumsraten aufweisen als zum Beispiel Europa, liegen hier noch immer riesige Potentiale Brach. In Indien zum Beispiel nutzt nur jeder zehnte Einwohner das Internet. Diese Zahl wird rasant ansteigen, auch weil die Preise für Smartphones schnell fallen. Daraus ergeben sich unzählige neue Business-Chancen, etwa im Bereich des Mobile Payment: <br/><br/> Die <b>Dutch–Bangla Bank Limited (DBBL)</b> in Bangladesh hat mehr als eine Million Nutzer seines mobilen Zahlungssystems. Und die Standard Bank in Südafrika konnte die Kosten für die Gewinnung eines Neukunden durch die Nutzung von mobilem Marketing via Smartphone um 80 Prozent senken.
7. Die Offline-Welt wird digital
Smartphones erlauben uns zunehmend, Dinge aus unserem alltäglichen Leben zu scannen oder zu fotografieren, um anschließend via Internet mehr über sie zu erfahren. <br/><br/> In <b>Südkorea</b>können Menschen in Bahnhöfen über ihr Mobilphone Codes unter Produkte auf Plakaten einscannen, das auf diese Weise Eingekaufte wird anschließend direkt nach Hause geliefert. Spielekonsolen lassen sich über Gesten und Bewegungen, also über Instrumente der Offline-Welt steuern.
8. Personalisierung und Vereinfachung.
Nach fast zwei Dekaden des Einkaufens, Lesens, Suchens und Kommunizierens im Internet haben sich die Konsumenten daran gewöhnt, dass Angebote umsonst, personalisiert und leicht zu nutzen sind. Das ist für die Anbieter insofern eine große Herausforderung, als die Kunden nicht nur schnelle Ergebnisse, sondern auch Transparenz und Datensicherheit wollen. Wer gegen diese Regeln verstößt, kann ganz schnell seine Kunden verlieren. <br/><br/> Spieleanbeiter <b>Electronic Arts </b>verlor 2012 400.000 Gamer, nachdem die Firma ihr Sar Wars-Game kostenpflichtig gemacht hatte. Zurückgewonnen wurden die Verlorenen durch ein “Freemium”-Angebot, bei dem die ersten 50 Level des Spiels kostenlos blieben.
10. Das Internet verändert auch das Gesundheits- und Bildungswesen.
Viele Länder nutzen das Internet bereits intensiv, um auch die Dienstleistungen des Staates effizienter und gezielter an den Bürger zu bringen. Indien hat ein Programm zur biometrischen Erkennung für 380 Millionen Menschen aufgelegt. Internettechnologie verbessert auch die Gesundheitsversorgung: <br/><br/> Im ländlichen<b> Bangladesh</b> werden 90 Prozent aller Kinder außerhalb von Krankenhäusern geboren. Seit einiger Zeit führt ein mobiles Frühwarn-System dazu, dass die der Gebährenden nächstliegende Klinik der werdenden Mutter in den meisten Fällen rechtszeitig eine Hebamme schicken kann.

Predictive Analytics

Einen Schritt weiter sind Predictive Analytics. Diese haben die Konfrontation mit zu hohen Erwartungen und die nachfolgende Desillusionierung bereits hinter sich. Mittlerweile haben die Unternehmen gelernt, mit Predictive Analytics umzugehen. Die Technologie wird sich in Kürze zum Mainstream entwickeln.

Cloud Computing

Außerdem nimmt sich der Hype Cycle des Themas Cloud Computing an. Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich die Wolke verhangener, das heißt, Cloud Computing steckt momentan fast am Tiefpunkt der Enttäuschungen. Erhoffte Kostensenkungen haben sich nicht erfüllt, so die Beobachtung von Gartner. Entscheider sollten die Technologie dennoch auf dem Schirm haben. In den kommenden zwei bis fünf Jahren werden Unternehmen realistischere Strategien für den Umgang mit der Cloud erarbeiten und diese auch umsetzen.