Medizin im Zeichen großer Umwälzungen

Der Roboter im OP-Saal

13.11.2016
Ein Roboterarm hilft bei einer Gewebeprobe-Entnahme oder beim Entfernen eines Tumors. Robotische Systeme unterstützen Mediziner und nutzen Patienten. Was schon geht und wie die Zukunft aussehen könnte, zeigt sich zum Start der weltgrößten Medizinmesse Medica.
Roboterassistiertes OP-System da Vinci: Der Arzt ist trotz Unterstützung derjenige, der operiert, nicht der Roboter.
Foto: Gerd Lorenzen, Essen

Ein Roboter bringt sich im Operationssaal in Position. Beim Patienten besteht Krebsverdacht, eine Gewebe-Entnahme soll Aufschluss bringen. Bei dieser Biopsie kommt der Roboterarm ins Spiel. Er manövriert - eine sonst schwierige, zeitaufwendige Aufgabe für den Arzt - die Nadel schnell und präzise an die optimale Stelle. Dann führt der Mediziner die Biopsie-Nadel durch eine Führung ein, die der Roboter hält.

Verwackeln ist ausgeschlossen. Die Hand des Arztes wird bei Kontrollbildern keinen Röntgenstahlen ausgesetzt, die bekommt der Robo ab. Auch für den Patienten sinkt die Strahlenbelastung. Forscher einer Fraunhofer-Projektgruppe haben den Roboterarm von Kuka für diesen medizischen Zweck weiterentwickelt und stellen das System auf der am Montag startenden Messe Medica vor. In einigen Jahren soll es auf dem Markt sein.

Das Mensch-Maschine-Team steht bei der weltgrößten Medizinmesse mit im Fokus. Die Messe Düsseldorf weist auf einen "feinfühligen" Roboter" hin, der Injektionen setzten kann oder auch auf einen robotischen "Wurm". Der bohrt um die Ecke und soll minimal-invasiv schon bald bei einem Innenohr-Tumor zum Einsatz kommen. Einiges, was nach Zukunftsmusik klingt, ist schon Realität. Kliniken modernisieren derzeit ihre OP-Säle und lassen öfters auch Roboter-Assistenzsysteme einziehen, schildert die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin.

"Roboterassistierte Systeme spielen schon länger eine Rolle", sagt Klaus-Peter Jünemann, Direktor des Universitätsklinikums Kiel. Beispiel: "Hochpräzisionsroboter nutzt man, um Röntgenstrahlen exakt auf das zu bestrahlende Gebiet zu richten." Die Urologie, aber auch die Neurochirurgie, setzten zunehmend auf roboterunterstützte Eingriffe. Roboter müsse man in Einheit mit computergestützten Systemen und Computeranimationen sehen. "Das wird die Medizin nachhaltig verändern", ist der Urologe überzeugt. "Operationen in Hohlräumen, im Bauch- oder Brustraum, werden sukzessive nicht mehr offen durchgeführt, sondern künftig nur noch minimal-invasiv mit robotergesteuerten Systemen."

Der Chirurg sitzt dabei einige Meter vom OP-Tisch entfernt an einer Konsole und steuert damit via Roboterarm die Mini-Instrumente im Körper des Patienten. Er bewegt so Schere oder Nadel. Dabei kann er mit extrem hoher Beweglichkeit vorgehen und auf Basis dreidimensionaler Bilder, die ihm eine Spezialkamera liefert. Das alles ist bis zu zehnfach vergrößert. "Sie haben den Eindruck, Sie stehen im Menschen drin", sagt Jünemann. In mehr als 80 Kliniken werde mit diesem System schon gearbeitet. Kiel gilt als Vorreiter, hat komplett umgestellt. "Der Gewinn für die Patienten ist gewaltig." Da kaum noch aufgeschnitten werde, sei Wundheilung fast kein Problem mehr, der Blutverlust gering, die Präzision enorm.

Die Zukunft heiße "augmented reality" (erweiterte Realität), meint Jünemann: Das Diagnosebild - etwa ein markierter Hirntumor - soll in das OP-Bild projiziert werden. "Der Operateur weiß dann ganz genau, wo der Tumor verborgen ist und entfernt ihn, ohne gesundes Gehirngewebe zu zerstören." Der Experte ist sicher: "Das kommt. Das ist in der Entwicklung." Weltweit erstmals werde in seiner Klinik nun - zunächst an Körperspendern - auch in der Unfallchirurgie roboterunterstützt operieren. Jünemann spricht von einem "Quantensprung."

Bernhard Kübler vom Robotik-Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erläutert: "Unser großes Ziel ist, die Handhabung mittels roboterassistierter Systeme für den Chirurgen zu vereinfachen und damit das operative Spektrum drastisch zu erweitern." Sein DLR-Institut tüftelt seit 15 Jahren an diesen Systemen und sieht noch großes Potenzial.

"Aus robotischer Sicht sind auch spezialisierte Geräte denkbar, die Service-Aufgaben übernehmen, beispielsweise bei der Sterilisierung von OP-Instrumenten." Bereits im Einsatz - nicht im Operationssaal, sondern auf den Stationen - seien Roboter als fahrerlose Transportsysteme, die Essen ausgeben oder Tablets abräumen und in die Klinikküche fahren. Der Experte hebt die Vorteile für die Medizin hervor - die Schonung des Patienten und die erhöhte Präzision der Operationen. Und Kübler betont: "Der Arzt ist und bleibt derjenige, der operiert, nicht der Roboter." (dpa/rs)