Virtuelle M&A-Transaktion

Der ungewöhnliche Weg der IT-Optimierung

14.08.2012 von Peter Ratzer
Wie Sie mit einer simulierten Fusion Kosten reduzieren sowie IT und Organisation optimieren, erklärt Peter Ratzer von Deloitte in seiner Kolumne.
Peter Ratzer ist Partner CIO Advisory Services bei Deloitte und Autor zahlreicher Kolumen auf cio.de
Foto: Deloitte Consulting GmbH

M&A-Transaktionen sind eine gute Gelegenheit, die IT des Unternehmens - Organisation und Prozesse, Anwendungslandschaft und Infrastruktur - zu optimieren. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass sich die mit M&A-Transaktionen assoziierten Optimierungen auch ohne das tatsächliche Abschließen des Deals realisieren lassen.

Das typischerweise sehr stringente Vorgehen bei M&A-Deals ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg. Gleichzeitig wird auf das Risiko einer hochkomplexen M&A-Transaktion verzichtet. Dieser methodische Ansatz wird als "virtuelle M&A-Transaktion" bezeichnet.

6 Erfolgsfaktoren

Typischerweise hängt eine M&A-Transaktion von mehreren wesentlichen Erfolgsfaktoren ab. Diese Faktoren gelten analog für eine virtuelle M&A-Transaktion. Dazu zählen:

1. Bedingungsloses Engagement des Top-Managements

2. Klare M&A-Strategie angelehnt an die Geschäftsstrategie

3. Klare, verpflichtende und messbare Einsparziele

4. Ambitionierte und eindeutige Zeitplanung

5. Erfahrenes M&A-Team

6. Stringente Umsetzung und transparente Kommunikation

Das Engagement des Top-Managements zu einer M&A-Transaktion spielt eine zentrale Rolle. Bei einer typischen M&A-Transaktion wird implizit intern sowie extern eine Erwartungshaltung aufgebaut. Dadurch entsteht ein "Druck" auf die M&A-Programmbeteiligten. Dieser wirkt sich meist positiv auf die Umsetzung aus.

Top-Management muss Druck aufbauen

Um auch bei einer virtuellen M&A-Transaktion diesen Druck zu erzeugen, kann das Top-Management zusätzlich zu klaren internen Vorgaben Presse, Analysten und Anteilseigner über das Vorhaben informieren. Auf diese Weise findet - analog zu tatsächlichen M&A-Deals - eine externe Leistungsbewertung statt. Für eine erfolgreiche virtuelle M&A-Transaktion muss das Top-Management den aufgebauten Druck leistungsfördernd ins Programmteam einsteuern.

Die möglichen Einsparziele müssen offen und damit verbindlich kommuniziert werden. Diese sollten dabei genauso gründlich wie bei einer echten M&A-Transaktion ermittelt werden. Dafür "muss jeder Stein in der IT Organisation umgedreht" werden. Die entstehenden Kosten müssen in einem ganzheitlichen Business Case berücksichtigt werden.

Zeitplan ohne Verzögerungen einhalten

Entgegen internen Projekten, bei denen der Zieltermin häufig verschoben wird, ist die Zeitplanung einer M&A-Transaktion mit einem unveränderbaren Zieltermin versehen. Gleiches muss auch für eine virtuelle M&A-Transaktion gelten. Bei Verzögerungen müssen schnellstmöglich pragmatische Maßnahmen zielgerichtet entwickelt und umgesetzt werden. Spätestens zum Fälligkeitstermin sind die Verantwortlichen in der Pflicht, Rechenschaft über die Ergebnisse abzulegen.

Schlüssel zu einer gelungenen virtuellen M&A-Transaktion ist, die notwendigen Ressourcen bereit zu stellen. Dafür muss sichergestellt werden, dass beteiligten Mitarbeitern die notwendige Zeit, z.B. durch vollständige Freistellung von ihren Linienaufgaben, eingeräumt wird. Entstehende Personallücken sollten, zur Vermeidung von Risiken im Tagesgeschäft, gezielt durch externe Mitarbeiter gefüllt werden.

Abbildung 1: Fallstudie Versicherung
Foto: Deloitte Consulting GmbH

Virtuelle M&A-Transaktionen können signifikante Einsparziele erreichen. Beispielsweise konnte der CIO eines führenden Versicherungskonzerns Einsparungen in Höhe von ca. 80 Millionen Euro erzielen (s. Abb. 1).

3 Schritte der virtuellen M&A-Transaktion

Die typischen Hebel für die Erreichung von Einsparzielen in der IT bei M&A-Transaktionen werden analog auch bei einer virtuellen M&A-Transaktion untersucht. Zu diesen Hebeln gehören u.a. die Neuausrichtung des Operating-Models, die Konsolidierung von IT-Anwendungslandschaften, der Abbau redundanter Infrastrukturen und die Optimierung des Sourcing-Mix. Die Abbildung 2 zeigt ausgewählte Hebel für IT-Einsparpotenziale - Grundlage für eine Checkliste. So können die Verantwortlichen die Kostenreduktionsmöglichkeiten strukturieren und analysieren.

Eine virtuelle M&A-Transaktion ist nicht identisch zum Lebenszyklus der typischen M&A-Transaktion. Dennoch kann ein Großteil des Vorgehens und die jeweiligen Tools und Methoden analog angewendet werden. Insbesondere folgende Schritte kommen in Frage:

1. Entwicklung einer M&A-Strategie

2. Due Diligence

3. Integration und Erfolgsmessung

Die M&A-Strategie muss bei einer virtuellen M&A-Transaktion die organischen Veränderungsmöglichkeiten des Unternehmens fokussieren. Die Erwartungen sollten möglichst hoch gesteckt sein - wie bei der typischen M&A-Strategie. Bei der Festlegung der Ziele müssen CIOs die Auswirkung der Veränderungen in der IT auf das Geschäft, z.B. auf die Gewinn- und Verlustrechnung und die Bilanz, im Blick haben.

Abbildung 2: Ausgewählte Hebel für IT-Einsparpotenziale bei M&A-Transaktionen.
Foto: Deloitte Consulting GmbH

Besondere Bedeutung kommt der Due Diligence zu. Während bei tatsächlichen M&A-Transaktion die Due Diligence auf die detaillierte Überprüfung des zu übernehmenden Ziel gerichtet ist, muss diese bei einer virtuellen M&A-Transaktion auf die detaillierte Analyse von internen IT-Optimierungsmöglichkeiten ausgerichtet sein. Auch hier gilt, dass die Due Diligence mit der nötigen Stringenz und Sorgfalt durchgeführt wird, da hier der Grundstein für eine bestmögliche IT-Optimierung gelegt wird. Prozessbegleitend empfiehlt sich der Einsatz von erprobten Due Diligence-Checklisten.

Erfolgsmessung stringent durchführen

Desweiteren gilt, dass Integration und Erfolgsmessung genauso stringent, wie bei einer normalen M&A-Transaktion, vollzogen werden. Hier ist insbesondere die Unternehmensführung gefordert, die Mitarbeiter ausreichend zu mobilisieren und langfristig für ein solches Projekt zu begeistern. Abschließend wird der Beweis angetreten, dass die Umsetzung erfolgreich vollzogen worden ist. Eine Rückschau, nach einer längeren Periode zwischen ein bis drei Jahren, liefert den Einblick, ob die versprochenen Zielsetzungen erreicht wurden.

Das Konzept der virtuellen M&A-Transaktion ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Unsere Erfahrungen zeigen, dass gerade die konsequente Anwendung von ausgewählten Vorgehen, Methoden und Tools einer typischen M&A-Transaktion Optimierungspotenzial bietet. Aber nur unter der Berücksichtigung der wesentlichen Erfolgsfaktoren, wie das bedingungslose Engagement des Top-Managements, eine klare (virtuelle) M&A-Strategie, verpflichtende und messbare Einsparziele, eine ambitionierte Zeitplanung, ein erfahrenes M&A-Team und die stringente Umsetzung, kann eine virtuelle M&A-Transaktion gelingen.

Peter Ratzer ist Partner CIO Advisory Services bei Deloitte.