IT-Einkauf bei der Deutschen Bahn

Deutsche Bahn setzt auf 40 externe IT-Provider

20.06.2014 von Karin Quack
Ihr Kunde ist der interne IT-Dienstleister DB Systel, der 40 Rahmenverträge mit externen IT-Providern geschlossen hat. Als Chefeinkäuferin für IT-Dienstleistungen bei der Deutschen Bahn setzt Helma Göbel auf Sicherheit durch Vielfalt.
Leiterin Einkauf IT-Dienstleistungen - so lautet der offizielle Titel von Helma Göbel. Sie sorgt dafür, dass die Deutsche Bahn ihre IT-Services in ausreichender Quantität und Qualität sowie zum bestmöglichen Preis bekommt. Aufgrund dieser Kompetenz hat die Computerwoche Göbel zur Beirätin für den diesjährigen "Sourcing Day" berufen.

Im Zusammenhang mit dem IT-Einkauf ist oft die Rede vom Sourcing-Modell eines Unternehmens. Was macht ein gutes Sourcing-Modell aus?

Helma Göbel: Ein Sourcing-Modell ist, grob gesagt, die Antwort auf die Frage: Wie kommt das Unternehmen schnell und effizient sowie zu einem möglichst günstigen Preis an das, was es braucht? Ein gutes Modell leitet sich ab aus der Unternehmensstrategie, die wiederum die IT-Strategie prägt.

Wer entwickelt dieses Modell?

Helma Göbel: Soweit es die IT-Dienstleistungen der Deutschen Bahn betrifft, machen das der Einkauf und der interne IT-Dienstleister DB Systel, der mein interner Kunde ist.

Die Deutsche Bahn hat einen eigenen IT-Dienstleister und verfügt sie damit bereits über einen stattlichen Service- und Consulting-Pool. Welche Rolle spielt das externe Sourcing?

Helma Göbel: Die rund 3400 Mitarbeiter der DB Systel können längst nicht alles liefern, was die Fachbereiche brauchen, auch wenn sie ständig etwa 250 Projekte am Laufen haben - und im Übrigen die Fachbereiche gegenüber der DB Systel einem Insourcing-Gebot folgen.

Wie sind die Aufgaben zwischen Einkauf, DB Systel und externen Providern aufgeteilt?

Helma Göbel: Zu den Aufgaben der DB Systel gehört es, die Anforderungen der Fachbereiche zu bündeln und zu erfüllen - entweder mit eigenen oder externen Ressourcen. Dazu hat sie Rahmenverträge mit einer Reihe von strategischen Partnern über den IT-Dienstleistungseinkauf geschlossen.

Die Fachbereiche kommen also gar nicht direkt zum Einkauf, wenn sie etwas brauchen?

Die Deutsche Bahn hat mit der DB Systel einen eigenen IT-Dienstleister mit 3400 Mitarbeitern, arbeitet aber auch mit mehr als 40 externen IT-Providern zusammen.
Foto: Deutsche Bahn

Helma Göbel: Ja, richtig, wir sprechen mit der DB Systel. Wir überblicken deren Verträge mit externen Dienstleistern - über uns wurden die ja geschlossen -, und wir lassen es uns durch einen "Negativbescheid" bestätigen, wenn DB Systel etwas nicht selbst machen kann.

In diesem Fall kommen dann die Rahmenverträge ins Spiel. Wozu ist diese Art von Abkommen gut?

Göbel: Als öffentlicher Auftraggeber - die DB AG ist zu 100 Prozent in Staatsbesitz - sind wir verpflichtet, Aufträge ab einem Wert von 414.000 Euro EU-weit auszuschreiben. Das ist ein langwieriger Prozess, der schon mal ein halbes Jahr in Anspruch nehmen kann. Eine intelligente Sourcing-Strategie vermeidet es deshalb, jeden Auftrag einzeln auszuschreiben.

Warum haben Sie mehrere unterschiedliche Rahmenverträge geschlossen statt einen strategischen Partner zu suchen?

Helma Göbel: Zum einen kann nicht jeder Provider alles. Zum anderen brauchen wir Versorgungssicherheit. Wenn es ein Überangebot an IT-Dienstleistungen am Markt gibt, kann man sich ja vielleicht an einen einzigen Provider binden. Aber derzeit haben wir einen Nachfragemarkt. Da ist es besser, man legt nicht alle Eier in einen Korb.

Wie viele Eier beziehungsweise Vertragspartner haben Sie in Ihrem Sourcing-Korb?

Helma Göbel: Da gibt es Spezialisten für Applikationsentwicklung und für den IT-Betrieb - jeweils eine ganze Handvoll. Insgesamt haben wir etwa 40 Rahmenverträge ausgeschrieben und abgeschlossen. Und das sind nur die Hauptlieferanten. Die können wiederum Subunternehmer beauftragen. Allerdings sind diese Unteraufträge zustimmungspflichtig. Wir haben also ein Vetorecht, von dem wir in Ausnahmefällen auch schon Gebrauch gemacht haben. Zeitweilig erhöhen wir so die Anzahl der für uns tätigen IT-Spezialisten auf mehrere Tausend.

Braucht das Unternehmen dann nicht eine Art Retained Organisation, die eine Schnittstelle zum Business bildet?

Helma Göbel: Diese Aufgabe erledigen bei uns die ICT-Plattform-Manager. Das sind eigentlich Einheiten von mehreren IT-Managern der DB Systel, die für bestimmte Bereiche der IT-Architektur zuständig sind. Diese Organisation hat die DB Systel neu eingeführt.

Welche Art von Know-how und welche Fertigkeiten benötigen diese Manager?

Helma Göbel: Diese Leute sind gleichzeitig IT-affin, aber auch mit den Prozessen vertraut. Sie wissen, was das Business braucht, kennen sich aber theoretisch auch mit dem IT-Doing aus.

Und wo findet man solche Leute?

Helma Göbel (lacht): Die sind tatsächlich schwer zu finden, gerade an Standorten wie der Bankenmetropole Frankfurt, wo wir im Personalmarkt im harten Wettbewerb mit Geldhäusern und großen Beratungsgesellschaften stehen. Wir suchen immer gute Leute, und die Bahn hat gute Perspektiven und Sozialleistungen zu bieten.

Multi-Provider-Management: Sechs Tipps aus der Praxis
6 Tipps aus der Praxis
Treibende Kraft für den Aufbau eines Multi-Provider-Managements ist der schnelle technische Wandel. Verträge mit einem einzigen Provider und langer Laufzeit sind nicht mehr tragbar. Die Flexibilität durch den Bezug bei kleineren, fachlich spezialisierten Providern und das geringere Risiko, das die zentrale Steuerung mit sich bringt, haben das Multi-Provider-Sourcing befördert. Es muss aber auch nachhaltig und transparent (prüfbar!) aufgebaut und gesteuert sein. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Multi-Provider-Strategie lassen sich in sechs Tipps zusammenfassen.
1. Klare Aufgabenabgrenzung ...
... zwischen den Anbietern und dem Provider-Management des Kunden sowie innerhalb des an die einzelnen Provider auslagerten Scope! Die Anbieter müssen ihre Zuständigkeiten kennen, damit nicht einer dem anderen die Aufgaben abnimmt - beziehungsweise manche Aufgaben unerledigt bleiben. Auch sollte es möglichst kein "Finger-Pointing" zwischen den Providern und dem Provider-Management des Kunden geben. Sonst drohen langwierige Diskussionen und Problembehebungen.
2. Zurückhaltung der Fachbereiche:
Sie dürfen nicht am zentralen IT-Provider-Management vorbei IT-Services mit Dauerleistungen in Auftrag geben. Sonst läuft das Unternehmen, besonders in regulierten Branchen, Gefahr, die Steuerungsmöglichkeiten zu verlieren - der Scope wird vermischt, das Risiko durch Outsourcing ist nicht mehr klar zu beurteilen.
3. Zentrale Steuerung der Provider ...
... im auslagernden Unternehmen bedeutet vor allem: klar definierte Rollen und Prozesse für den taktischen und operativen Bereich. Der Aufwand dafür ist höher als bei einer Single-Provider-Strategie. Außerdem notwendig: eine offene Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Sie sollten "dieselbe Sprache sprechen", wofür sich wieder ITIL anbietet. Darüber hinaus ist ein regelmäßiger Austausch zwischen den verschiedenen Provider-Teams und dem auslagernden Unternehmen notwendig.
4. Eine manifestierte IT-Governance ...
... beim auslagernden Unternehmen ist eine der wichtigsten Herausforderungen. Sie muss mit den steuernden Einheiten der Provider verzahnt werden. Dazu gehören zum Beispiel ein zentrales Vertrags-, Risiko- und Service-Level-Management beim Kunden zur Klärung von Schwierigkeiten an den Schnittstellen und in den Prozessen sowie definierte Reportings, um das Risiko zu verringern. Hier kann - aufbauend auf ITIL-Prozessen - der Steuerungskatalog von CoBIT weiterhelfen.
5. Qualifiziertes und erfahrenes Personal ...
... ist im Multi-Provider-Management unerlässlich. Nicht nur für die Planung (Auslagerung, Aufbau Vertrags-Management etc.), sondern auch für das langfristige Multi-Vendor-Sourcing. Wenn es dieses Personal noch nicht gibt, lässt es sich mit einem Coaching durch erfahrene Externe aufbauen.
6. Alle Kosten von Anfang an einrechnen:
Das heißt, nicht etwa nur die Kosteneinsparungen sehen, die sich durch ein Outsourcing an mehrere Provider ergeben, sondern auch die Zusatzkosten, die durch das Provider-Management entstehen. Dauerhafte adäquate Rollen und Prozesse sind ein kostentreibender Faktor. Doch eine nicht besonders qualifizierte Steuerung vergrößert die Folgekosten noch mehr.