Solarstrom-Modell

Deutsche bringen Licht in den Dschungel

08.07.2013
Im armen Laos macht ein deutscher Unternehmer Licht für Bewohner abgelegener Dörfer bezahlbar. Das Solarstrom-Modell macht jetzt auch in anderen Ländern Schule.

Für Keo Noy war der Tag früher mit Einbruch der Dunkelheit gelaufen. Strom ist für die 300 Einwohner in ihrem Dorf Bong Nam im laotischen Dschungel bis heute ein unerreichbarer Traum. Spärliches Licht gab es abends nur aus gefährlichen Kerosinlampen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute hellt Keo ihre Holzhütte mit einem Strahler auf. Der Saft kommt aus einer solarbetriebenen Ladestation.

Dahinter steckt ein ungewöhnliches Konzept: Es sorgt nicht nur für erneuerbare Energie ohne Abfallprodukte, sondern schafft auch Arbeitsplätze im Dorf und einen nachhaltigen Wirtschaftskreislauf. Die Dorfbewohner betreiben die Ladestation in Eigenregie, die Familien zahlen für das Aufladen ihrer Strahler einen kleinen Betrag. Mit dem Geld werden Lichtmeister entlohnt, die Ladestation und Solarkollektor in Ordnung halten. Der Rest dient als Rücklage für Reparaturen oder den Austausch etwa der Batterien.

"Ich komme mindestens dreimal in der Woche zum Aufladen", sagt Keo. "Wir können uns die Abende ohne Licht kaum mehr vorstellen. Früher haben wir abends manchmal noch beim Licht der Kerosinlampen abgewaschen, aber eigentlich sind wir immer früh ins Bett", sagt die 40-Jährige, Mutter von sieben Kindern zwischen zwei und 21 Jahren. Heute machen die Kinder abends bei Licht ihre Hausaufgaben.

Die Elektrifizierung der Welt ist nach Meinung der Vereinten Nationen der Schlüssel auf dem Weg aus der Armut. 1,4 Milliarden Menschen - 20 Prozent oder ein Fünftel der Weltbevölkerung - haben keinen Strom. Viele arme Länder brauchen aber noch Jahre, um entlegene Regionen an ein Stromnetz anzuschließen. Wie Laos.

Keo Noys Dorf liegt 200 Kilometer östlich der Kleinstadt Pakse im dünn besiedelten Süden des Landes. 52 Familien wohnen hier am Rande des Dschungels. Ein paar Jungen kicken einen zerbeulten Ball zwischen den Hütten hin und her. Viele Erwachsene arbeiten auf den Feldern.

Die Holzhütten auf Stelzen stehen über rötlichem Lehmboden. Sie sind kärglich ausgestattet. Pöey, etwa 50 Jahre alt, steht in der Tür mit einer langen Bambuspfeife und betrachtet Besucher neugierig. In ihrer Hütte gibt es ein paar Regale an der Wand und eine Stange für Kleider, mitten drin ein offenes Feuer. Geschlafen wird auf Matten auf dem Fußboden. Tagsüber werden sie aufgerollt. Es ist ziemlich dunkel. "Mein Strahler ist in der Ladestation", sagt sie.

Viel Geld ist in Bong Nam nicht zu machen, die Menschen leben von der Hand in den Mund. Sie verkaufen Eier oder Gemüse, wenn die Ernte gut war. Dieses Dorf und ähnliche stehen bei der Elektrifizierung auf der Prioritätenliste der Regierung nicht gerade oben.

Deshalb sind kleinere, lokale, bezahlbare Lösungen gefragt. "Nachhaltige Energie ist der goldene Faden, der Wirtschaftswachstum, soziale Fairness, das Klima und die Umwelt verbindet und der Welt zur Blüte verhilft", sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Das Konzept mit Strahlern und Aufladestation hat Andy Schroeter entwickelt. Der Elektroingenieur ist gebürtiger Hamburger, die Pico-Strahler kommen von der Firma Phocos aus Ulm. Nach Laos kam Schroeter 1995 mit seiner Frau, die als Entwicklungshelferin im Einsatz war. Bei Reisen durch das Land sah er die bitterarmen Dörfer ohne Strom. Im Jahr 2000 startete er seine Firma Sunlabob.

Schroeter hat mit vielen Leuchten experimentiert. Die ersten Prototypen sehen wie Grubenlampen in Bergwerken aus. Heute kommen leuchtend orange-farbene Strahler etwa in Form überdimensionaler Taschenlampen zum Einsatz. Feuchtes Dschungelklima, Regengüsse, Hinfallen - das Gehäuse ist dicht, der Strahler unverwüstlich. "Wunderschön", sagt Keo Noy. Sie hat am Design nichts auszusetzen.

Es gibt andere Solarlampen auf dem Markt. Leuchten, die Interessierte sich selbst kaufen können, für relativ wenig Geld. Allerdings sind die billigen Modelle oft nicht dschungelgeeignet. Kaputte Lampen landen im Abfall. Dann muss Nachschub her.

Sunlabobs Strahler kosten 48 Euro. Das garantiert zwar Unverwüstlichkeit, ist für arme Dörfler aber nicht zu zahlen. Deshalb brauchen die Sunlabob-Projekte eine Initialspende. Im Fall von Ban Nam und sechs umliegenden Dörfern gab die deutschen Botschaft in der Hauptstadt Vientiane 10 000 Euro, für sieben Ladestationen mit je 50 Strahlern. Dafür gehören Aufladestation und Strahler dem Dorf, der einzelne zahlt nur für das Licht. Auch am Geschäftsmodell hat Schroeter lange gebastelt. "Wir wollten zeigen, dass auch mit den Ärmsten nachhaltige Geschäftsmodelle entwickelt werden können."

Keo Noy, die die Familienfinanzen verwaltet, spart durch die Strahler richtig Geld. Das Aufladen ist billiger als früher bei den Kerosinlampen. "Einmal laden kostet 1000 Kip" - umgerechnet keine zehn Cent, sagt einer der Lichtmeister, Nyot Many. Das gibt 55 Stunden Licht. "Früher haben wir Kerosin gekauft, den Liter für 10 000 Kip - das reichte für etwa 13 Stunden."

Keo Noy steckt das eingesparte Geld in die Ernährung ihrer Familie: "Ich kaufe jetzt Fischsoße. Und Geschmacksverstärker." Das weiße Pulver gilt hier als Luxusprodukt. "Ein bisschen Geld lege ich auch zurück, wenn mal jemand krank wird", sagt sie.

Für den Lichtmeister rechnet sich das Geschäft auch. In seinem Haus steht die kleine Ladestation. Zwei Strahler sind gerade angeschlossen. "Im Dorf gibt es 50 Stahler, die laden wir etwa 350 Mal im Monat auf", sagt er. Macht 350 000 Kip, fast 35 Euro im Monat. Die Hälfte teilt er sich als Salär mit drei Kollegen, die abwechselnd die Ladestation bedienen. Der Rest kommt in die Rücklagen, über die Buch geführt wird. Jeder im Dorf hat Einblick in das rote Ringbuch.

Laos liegt in Südostasien zwischen Thailand und Vietnam und gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die kommunistische Regierung schafft es nur langsam, die 6,3 Millionen Menschen aus der Armut zu holen. 1992 lebte 45 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, 2008 waren es noch 27 Prozent. Die Regierung will bis 2015 etwa 85 Prozent der Menschen mit Strom versorgen. Sie gibt mit Unterstützung der Weltbank ärmeren Familien zinslose Darlehen, damit sie sich selbst ans Stromnetz anschließen können. Doch müssen sie dafür in der Nähe einer Leitung wohnen. Und sie sitzen später auf den Schulden.

Schroeters Konzept hat sich bewährt. Sunlabob-Stationen in ähnlicher dörflicher Eigenregie gibt es auch schon in Uganda und Tansania. In Mikronesien installierte die Firma 70 Dorf-Ladestationen mit 3 500 Strahlern. Sunlabob hat schon Preise der Weltbank und des UN-Entwicklungsprogramms UNDP gewonnen. Das Unternehmen mit 70 Mitarbeitern ist profitorientiert, wenn auch mit sozialer Ader.

Es baut auch Solar-Stationen für die Weltbank oder die Asiatische Entwicklungsbank (ADB), oder für Konzerne, die sich in der Umgebung ihrer Fabriken oder Bergwerke mit einem Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung sozial engagieren wollen. "Corporate Social Responsibility" heißt das auf Neudeutsch. In der Nähe von Bong Nam finanzierte die ADB zum Beispiel eine Sunlabob-Solarstation, die für die Gesundheitsstation Strom für eine Tiefkühltruhe liefert.

"Wir können jetzt Impfstoff lagern", sagt der Arzt Kham Many. "Wenn ich früher Serum angefordert habe, kam es in Kühltaschen und ich musste es in zwei Tagen aufbrauchen. Kinder konnten erst geimpft werden, wenn die nächste Ladung kam. Heute halten wir alles Nötige auf Vorrat." Er sieht viel weniger Kranke, sagt er. Das liege am Impfen, aber auch an den Solarstrahlern: "Früher kamen viel mehr Leute mit Husten", sagt er. "Vom Rauch der Kerosinlampen."

Davon kann Keo Noy ein Lied singen. "Weil das Licht der Lampen so spärlich war, musste man sich entscheiden: Entweder man geht ganz nah ran und bekommt eine schwarze Nase und fängt an zu husten, oder man sieht nicht viel." Gefährlich waren die Lampen auch. "Mein Haus ist vor vier Jahren abgebrannt", sagt Lichtmeister Am Mawn. Seine Kinder waren allein zu Hause. Dann ist plötzlich die Kerosinlampe umgekippt. "Sie sind aber alle noch rausgekommen", sagt er.

Die Leute von Ban Nam träumen nun davon, abends bei Strahlerlicht vielleicht mehr für den Markt, Handarbeiten etwa, zu produzieren, um mehr Geld verdienen zu können. "Oder mehr Babys zu machen", albert Am Mawn herum. "Die jungen Leute verbringen sehr viel Zeit im Schlafzimmer, jetzt wo sie Licht haben." Keo Noy, die Mutter von sieben Kindern, winkt ab. "Ich bin seit 21 Jahren verheiratet, ich kenne meinen Mann - im Schlafzimmer brauche ich kein Licht." (dpa/rs)