Feindbild Kunde

Deutsche Call Center nicht kontaktfreudig

01.09.2005 von Tanja Wolff
Deutsche Call Center arbeiten am langsamsten in Europa. Laut einer Studie des Lösungsanbieters Interactive Intelligence sind dafür die Manager verantwortlich, die ihren Mitarbeitern keine entsprechenden Vorgaben geben. Dafür ist Deutschland jedoch führend bei der Einführung von VoIP und bei der Automatisierung des Kundenkontakts.

Nicht einmal die Hälfte der deutschen Call Center schaffen es alle aufgelaufenen Anrufe in weniger als fünf Minuten zu beantworten. Der Befragung zufolge liegen in Großbritannien fast 74 Prozent aller Antwortzeiten unterhalb der Fünf-Minuten-Grenze. Fast ein Zehntel der deutschen Call Center braucht schon durchschnittlich eine halbe Stunde, um sich überhaupt zu melden.

Die Studie zeigt, dass die Vorgaben durch das Management in Deutschland viel lockerer als bei den europäischen Nachbarländern sind. So gibt es nur in einem Drittel der Unternehmen die Anweisung, dass alle Anrufe binnen fünf Minuten abgearbeitet sein müssen. In Großbritannien besteht diese Vorgabe in 65 Prozent der Telefonzentralen.

Bei Anfragen, die per E-Mail oder Fax ankommen sieht die Situation ähnlich aus, so die Befragung. Nur ein Viertel der deutschen Call Center beantwortet eine E-Mail in weniger als zwölf Stunden, 64 Prozent brauchen dazu 24 Stunden. Am schnellsten sind wiederum die Briten, die innerhalb eines halben Tages die Hälfte des Posteingangs abarbeiten. Das Problem liegt auch hier wieder bei der Führung. Nur 18 Prozent der deutschen Call-Center-Manager halten die Beantwortung der elektronischen Post binnen zwölf Stunden für geboten.

Laut der Studie ist die Situation bei der Faxkommunikation noch dramatischer. Nicht ein einziges der befragten Call Center in Deutschland schafft es, auf Faxanfragen im Zeitraum von zwölf Stunden eine Antwort zu formulieren. Immerhin 46 Prozent erledigen dies an einem Tag.

VoIP und Automatisierung

Die Befragung zeigt, dass die deutschen Call Center zwar den langsamsten Service anbieten, dafür aber die Schnellsten bei der Einführung von neuen Technologien sind. 57 Prozent aller Firmen haben bereits die Internet-Telefonie eingeführt und sind damit führend beim VoIP-Einsatz. Europaweit arbeiten zwölf Prozent der Telefonzentralen mit reinen VoIP-Systemen, weitere 39 Prozent verwenden Hybridanlagen, die die herkömmliche und die Internet-Telefonie unterstützen.

Ein Drittel der hiesigen Call Center, die noch ohne VoIP-Systeme arbeiten, planen die Einführung der Internet-Telefonie in den nächsten zwei Jahren. Europaweit wollen nur 19 Prozent bis 2007 auf das Telefonieren über das Internet umstellen.

Der Untersuchung zufolge arbeiten 67 Prozent der deutschen Telefonzentralen mit einem Touchtone- oder Spracherkennungssystem. Dieses führt den Anrufer zum richtigen Ansprechpartner oder beantwortet einfache Kundenanfragen. Europaweit verfügt nur die Hälfte über eine Lösung zur Selbstbedienung durch den Kunden.

Als Nachteile von Interactive Voice Response (IVR) und Touchtone nannten die befragten Unternehmen unter anderem die mangelnde Kundenakzeptanz und die unausgereifte Technik. Dennoch planen 40 Prozent der europäischen Call Center, die noch ohne Selbstbedienung arbeiten, innerhalb den nächsten zwei Jahre den Kauf einer Automatisierungslösung. Motor dieser Entwicklung sind bei 78 Prozent der hiesigen Call Center Kostenüberlegungen. Außerdem fallen weniger Routineanfragen an, die personalaufwändig von Mitarbeitern beantwortet werden müssen.

European Contact Center Report 2005

An der Studie "European Contact Center Report 2005" beteiligten sich 101 europäische Call Center Manager. Befragt wurden Vertreter von Banken, Versicherungen, der öffentlichen Verwaltung sowie der IT- und Telekommunikations-Branche.