CIO Survey 2008 von Gartner/State of the CIO 2008

Deutsche CIOs ignorieren Nachwuchssorgen

04.04.2008 von Andreas Schmitz
Hiesige CIOs interessieren sich weit weniger für die Entwicklung und Rekrutierung von geeigneten IT-Mitarbeitern als die internationalen Kollegen. Dabei ist schon heute klar, dass der Bedarf an IT-Managern in den kommenden Jahren immer weiter zunehmen wird.

Während das Thema Personal weltweit bei den CIOs nach dem aktuellen CIO Survey von Gartner mit Platz drei unter den Top Zehn der CIO-Strategien eine hohe Bedeutung bekommt, sehen Europäische CIOs dieses Thema mit Rang sechs schon etwas gelassener. Unter deutschen CIOs landet dieses Thema nicht einmal auf der Liste. Inhaltlich verbirgt sich hinter dem Thema bei Gartner sowohl, für geringe Fluktuation beim Personal zu sorgen, als auch die Mitarbeiter zu motivieren und zu entwickeln.

Die Studie State of the CIO 2008 bestätigt diese Ergebnisse: Nur auf Rang zehn der IT-Management-Prioritäten rangiert das Thema Personalentwicklung, weit abgeschlagen hinter den dominierenden Themen Prozessbeschleunigung durch IT, Business-Alignment und Verbesserung der internen Nutzerzufriedenheit auf den ersten drei Plätzen. Auf die Frage, welche Arbeitsgebiete die meiste Zeit in Anspruch nehmen, landet das Thema gerade mal auf Rang sechs. Nicht einmal jeder Fünfte zählte das Thema "Einstellen, Entwickeln und Managen des IT-Personals" zu den drei zeitintensivsten Aufgaben.

Management-Audits oft nicht gemacht

Für Philipp Hölzle, Partner bei Kienbaum Management Consultants, ist das kein Wunder. "Wird ein neuer IT-Leiter gesucht, schauen Unternehmen meist erst einmal darauf, ob er schon mal eine große SAP-Einführung gemacht hat, statt mit Verfahren wie Assessment Centern oder Management-Audits tiefere Einblicke in die Management-Fähigkeiten zu bekommen", so Hölzle, der in den Ergebnissen eine Bestätigung dafür findet, dass in der obersten IT-Etage häufig keine Manager, sondern die besten Fachleute unterwegs sind. "Führen muss die Hauptaufgabe sein, und dazu gehört das Managen des IT-Personals", so Hölzle, "denn das IT-Business ist ein People-Business".

Und das ist gerade jetzt wichtiger als in den Jahren zuvor. Denn nach Beobachtung von Kienbaum hat die verbesserte Wirtschaftslage im vergangenen Jahr für eine höhere Fluktuation in den IT-Abteilungen der Unternehmen gesorgt. Es sollte also sowohl im Interesse des Unternehmens und auch des CIOs sein, die Belegschaft mit ihrem Know-How halten zu können und dafür auch Strategien zu entwickeln.

Der schwedische Spezialist für Autogurte und Airbags Autoliv hat in dieser Hinsicht offenbar vorgesorgt. Im Gegensatz zu Deutschland sei bei dem skandinavischen Konzern zu spüren, dass Business und IT harmonischer miteinander umgingen, konstatiert Olaf Schwartz, IT-Chef für Deutschland und Osteueropa. Hier gibt es den "Organisationsprogrammierer" wirklich, von dem Schwartz im Studium einmal gehört habe. Ein Informatiker also, der sich erst in die Organisation hineindenkt und dann anfängt zu programmieren. Und nicht umgekehrt.

Die Personalentwicklung spielt für CIOs eine Nebenrolle. Das zeigen die Antworten auf die Frage, welche Eigenschaften für den beruflichen Erfolg am wichtigsten sind.

Im Umgang mit dem Personal sieht Schwartz, eine besondere Stärke - "wahrscheinlich weil wir ein skandinavisches Unternehmen sind". Dafür ist es nicht nötig, sehr viel Arbeitszeit dafür zu nutzen. So gibt der Betriebswirt zu, dass er einen Großteil der Arbeit an die Abteilungsleiter delegiert, die beispielsweise die Vorauswahl für neue Mitarbeiter treffen. "Mehr als eine Stunde am Tag fällt dafür sicher nicht an", sagt Schwartz und liefert so die Erklärung dafür, warum das Thema nicht unter den drei zeitintensivsten Aufgaben zu finden sein könnte.

"Da gehören Leute dazu"

Josef Richter zeigt sich hingegen überrascht, dass in der Umfrage State of the CIO 2008 die Themen Personalentwicklung und besonders auch Change Leadership eine geringe Rolle spielen. Zwar sei das "langfristige strategische Denken und Planen wichtig": "Aber der CIO sitzt doch nicht nur in seinem Kämmerlein und denkt und plant - da gehören doch Leute dazu", sagt der CIO des Modeherstellers Hugo Boss. Mit seinem Hintergrund als ehemaliger Personaler bekommt das Thema bei dem gelernten Betriebswirt entsprechend eine höhere Bedeutung.

Richter überlässt die Personalentwicklung nicht der Personalabteilung. Die Auswahl neuer IT-Mitarbeiter in Deutschland bewerkstelligt die Personalabteilung gemeinsam mit Abteilungsleitern aus der IT. Und auch das Thema Change Leadership ist bei ihm weit wichtiger als im CIO-Durchschnitt. Der Grund dafür dürfte nicht zuletzt im Großprojekt Columbus bei Hugo Boss liegen. Die zurückliegenden drei Jahre haben die Manager des Metzinger Modemachers damit verbracht, das Unternehmen komplett umzukrempeln - harmonisierte IT-Systeme und -Strukturen, eine Neuausrichtung der Unternehmensprozesse von der Finanzbuchhaltung bis zur Auslieferung. "Was, wenn nicht Change-Leadership, ist hier nötig?", fragt CIO Richter.

"Den Change zu bewältigen und zu managen ist das Kernproblem in größeren Unternehmen und Konzernen", sagt Bernhard Holtschke, der das Thema auf jeden Fall unter den Top-Drei-Themen erwartet hätte. Der Partner der IT-Beratung Accenture wundert sich über die Priorisierung der CIOs: "Die Prozessänderungen im Unternehmen zu definieren und voranzutreiben ist sehr wichtig, davon hängt oft der Erfolg von IT-Projekten ab".

Change-Management, ein Team zusammenhalten, Kommunikation und Personalentwicklung sind sogenannte Soft Skills. "Diese Fähigkeiten sind enorm wichtig, um Leute an das Unternehmen binden zu können", sagt Kienbaum-Partner Hölzle, der davon überzeugt ist, dass eine gute Unternehmens- und Führungskultur sowie eine gute Stimmung weit wichtiger sind als die Höhe der monatlichen Überweisung: "Es gibt zu wenige Konzepte für gute Leute." Zwar gibt es Unternehmen, in denen auch die sogenannten Fach- oder auch Projektkarrieren möglich sind, "doch da hapert es noch". Ein IT-Projektleiter wird heute vor allem Projektleiter, um sich zu profilieren und dann flugs in eine Leitungsposition befördert zu werden. Die Projektleitung wird häufig als Sprungbrett, nicht als "long stay function" angesehen. Klappt es nicht mit dem Sprungbrett für mehr Verantwortung im Unternehmen, steht nicht selten der Abschied vom Arbeitgeber an.