Europas größter Papierproduzent

Deutschland reduziert Altpapier-Export massiv

16.01.2022
Deutsches Altpapier, das nach Asien verschifft wird? Jahrelang war das ein Massengeschäft, vor allem China war ein Abnehmer. Doch das ist lange her.
Der Verkauf von Altpapier in Staaten außerhalb der EU spielt kaum noch eine Rolle. Im Gegenteil: Der Importhunger ist in Deutschland größer geworden.
Foto: Shu Ba - shutterstock.com

Deutschlands Papierbranche hat noch nie so viel Altpapier importiert wie im vergangenen Jahr. Die Einfuhren beliefen sich auf schätzungsweise 5,2 Millionen Tonnen und damit ein Fünftel mehr als im Jahr 2020, wie der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) am Sonntag in Berlin mitteilte. Der bisherige Höchstwert lag 2019 bei 4,6 Millionen Tonnen. Die meisten Einfuhren kommen aus Deutschlands Nachbarstaaten, vor allem aus den Niederlanden und aus Polen.

Zugleich brach der Altpapier-Export 2021 um ein Sechstel auf 1,7 Millionen Tonnen ein - das war der niedrigste Wert in der Statistik. Die Zahlen für die Monate Januar bis Oktober des vergangenen Jahres sind vom Statistischen Bundesamt, die Monate November und Dezember sind Schätzungen des BDE. Altpapier ist zum Beispiel wichtig für die Herstellung von Paket-Kartons, Müsli-Packungen, Druckpapier und Industrieverpackungen.

Online-Handel steigert Bedarf an Kartons enorm

Grund für die Entwicklung der Handelsströme ist nach Auskunft des Branchenverbandes "Die Papierindustrie" die Tatsache, dass die heimischen Fabriken ihre Kapazitäten deutlich vergrößert haben. 980 Millionen Euro betrug der Handelswert des importierten Altpapiers im vergangenen Jahr, das war fast doppelt so viel wie 2020 (520 Millionen Euro). Der hohe Preis resultiert aus dem steigenden Bedarf an Kartons in Zeiten des boomenden Online-Handels und aus der Umstellung des Einzelhandels von Plastik- auf Papierverpackungen und Kartons.

Jahrelang war Asien für die deutsche Abfallbranche wichtig beim Verkauf von Altpapier. China war bis 2017 einer der größten Importeure, danach verschärfte der Staat seine Einfuhrregeln. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass Asien kaum noch eine Rolle spielt. Indien bezog im Jahr 2020 rund 161 000 Tonnen Altpapier aus Deutschland, 2021 waren es nur noch 34.000 Tonnen. Thailand, das bis 2019 noch nennenswerter Abnehmer war, ist nicht mehr unter den zehn wichtigsten Importeuren von deutschem Altpapier - außer Indien auf Platz acht findet sich in dieser Liste kein anderer asiatischer Staat.

Hauptimporteur sind schon seit langem die Niederlande, 2021 waren es rund 627.000 Tonnen Altpapier aus Deutschland, dahinter kommen Österreich (378.000 Tonnen), Frankreich (348.000) und die Schweiz (93.000 Tonnen).

Recyclinggeschäft wichtig wie nie

BDE-Präsident Peter Kurth sprach von einer positiven Nachricht, die sich in der Statistik erkennen lasse. Die Entsorgungsbranche sei ein unverzichtbarer Rohstofflieferant, sagte er. Die Bedeutung von Rezyklaten - also Rohstoffen, die aus Abfall gewonnen werden - steige. "Das Recyclinggeschäft war für die Papierindustrie noch nie so wichtig wie heute." Außerdem zeige sich, dass der Abfallhandel zunehmend eine innereuropäische Angelegenheit werde.

Deutschland im Altpapiereinsatz weltweit an der Spitze

Henri Vermeulen vom Verband "Die Papierindustrie" wies darauf hin, dass die Bundesrepublik der größte Papierproduzent in Europa sei. "Jede dritte Tonne Altpapier in Europa wird in Deutschland recycelt", sagte der Vorsitzende des Altpapier-Ausschusses des Verbandes. "Die Altpapiereinsatzquote liegt bei 79 Prozent und ist weltweit Spitze." Das heißt, dass für eine Tonne Papier, die in Deutschland produziert wird, 0,79 Tonnen Altpapier eingesetzt werden, der Rest sind Zellstoff, Pigmente und andere Stoffe.

BDE-Chef Kurth appellierte an die EU-Politik, den europäischen Abfallhandel zu erleichtern. Derzeit gebe es noch hohe bürokratische Hürden, wenn man Altpapier oder Plastikabfall zum Beispiel vom Rheinland in eine Verwertungsanlage in Belgien bringen wolle. Verkäufe innerhalb Deutschlands seien einfacher, obwohl der Transportweg häufig viel länger sei als in Städte im angrenzenden EU-Nachbarland. Das sei nicht nur schlecht für den Binnenmarkt, sondern angesichts der beim Transport freigesetzten CO2-Emissionen auch schlecht für den Klimaschutz. "Die neue EU-Abfallverbringungsverordnung sollte das Problem entschärfen und den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU erleichtern." (dpa/rs)