Business Process Management

Die BPM-Prognosen 2011 von Gartner

25.02.2011 von Werner Kurzlechner
Entdecken von Prozess-Defekten, Context-aware Computing, Templates und ein Augenmerk auf qualifiziertes Personal: Das sind laut Gartner die aktuellen BPM-Trends. Wer sie verschläft, hat nach Prognose der Analysten von der Zukunft nichts Gutes zu erwarten.

Beim Prozessmanagement wird sich in den kommenden Jahren die Spreu vom Weizen trennen – mit negativen Konsequenzen für diejenigen Unternehmen, die in diesem Bild kein wertvolles Getreidekorn sind. Zu dieser Einschätzung kommen die Analysten von Gartner in einer neuen Studie. Die klare Botschaft: Bald schon wird Business Process Management (BPM) für die führenden Unternehmen auf dem Planeten keine „Nice-to-have“-Angelegenheit sein. Die Kluft zwischen exzellenten Firmen und Nachzüglern wird bis Ende 2014 immer größer werden.

Gartner-Analyst John Dixon: Schlafmützigkeit bedroht die Existenz.
Foto: Gartner

„Diejenigen, die BPM annehmen, können Dinge anstellen, die andere nicht können“, sagt John Dixon, Research Director bei Gartner. „Das stimmte schon 2010, aber 2014 wird sich BPM-Kompetenz klar auszahlen.“ Schlafmützigkeit komme Unternehmen dann teuer zu stehen. Zumindest wenn sie der von Gartner untersuchten Gruppe der Global 2000 auf der Forbes-Listen angehören, also zu den größten Firmen weltweit zählen. Jedes zehnte Unternehmen wird laut Gartner wegen BPM-Mängeln in existenzielle Turbulenzen geraten.

Ein Schlüsselthema in diesem Jahr sei es, aus dem Bereich Business Process Improvements (BPI) eine Kernkompetenz zu machen, so Dixon. Wer seine Prozess-Skills ausbaue, könne sich als aufgeklärter „Experte“ von den Firmen abgrenzen, die nur über Basiskompetenz verfügten.

Die bevorzugte Organisationsform für die Bündelung von Fertigkeiten, Tools und Ressourcen im BPM-Bereich wird nach Einschätzung die Einrichtung eines Business Process Competency Center (BPCC) sein – also eines Kompetenzzentrums aller Beteiligten, wie es etwa im Bereich Business Intelligence (BI) schon verbreitet ist. Gartner prophezeit, dass bereits 2012 die Mehrzahl der Konzerne über ein BPCC verfügen wird.

4 Top-Trends 2011

Darüber hinaus identifizieren die Analysten vier weitere BPM-Top-Themen für 2011.

1. Aufspüren erkennbarer Prozessdefekte: Fehlgeleitete Geschäftsprozesse sind für ein Vielzahl größerer Debakel und Peinlichkeiten in der Wirtschaft verantwortlich. Laut Gartner bleiben selbst bei den führenden Firmen des Planeten eine Menge der Defekte unentdeckt, obwohl sie mit Hilfe moderner BPM-Techniken und –Technologien aufzuspüren wären.

Nachdrücklich raten die Analysten deshalb zum Aufbau von „Business Process Excellence“. Das bedeutet Investitionen in Personal wie Analysten für Geschäftsprozesse, in Tools und Techniken wie Business Process Simulation und in die Organisation, etwa durch ein BPCC.

2. Context-aware Computing: Tools, die geschäftliche Zusammenhänge „verstehen“ können, sind im Kommen – etwa zur Präsenzanalyse, Analyse von historischen Mustern und Emotion Detection. Gartner geht davon aus, dass derartige Prinzipien mindestens ein Viertel totgelaufener und keinen Wertbeitrag mehr liefernder Prozesse mit neuem Leben erfüllen können. Diese Prozesse könnten so auch stärker auf Kundenwünsche ausgerichtet werden.

Als Beispiel nennt Gartner die Effizienz im Call Center. Dort kann Emotion Detection eingesetzt werden, um an der Stimmlage von Kunden deren Gemütszustand abzulesen. Parallel lassen sich über Context-aware Computing Informationen wie Wohnungswechsel, Mahnhistorien und Beschwerden eines Nutzers auswerten und zu einem genaueren Bild des Kunden zusammenfügen.

Konkurrenz für große Anbieter

3. Neue Chancen für unbekannte Anbieter: BPM ist ein Markt, der nach Einschätzung Gartner auch auf Dauer nicht allein den etablierten Softwaregiganten überlassen bleibt. Das gilt insbesondere für das Segment der Prozess-Templates. Derartige Schablonen für Design und Steuerung von Geschäftsprozessen seien für die BPM-Entwicklung und -Integration oft wertvoller als klassische Anwendungen, meint Gartner. Die Vorzüge: größere Flexibilität, Transparenz und die Möglichkeit, wissensbasierte und unstrukturierte Prozesse zu automatisieren.

Die Analysten gehen davon aus, dass mit der nächsten Generation an BPM-Lösungen die Grenzen zwischen Templates und klassischen Applikationen allmählich verschwimmen. 2014 würden zu 70 Prozent Lösungen unbekannter Anbieter zumindest in die engere Produktauswahl kommen, meint Gartner.

BPM-Zertifizierung erst ab 2015 wesentlich

4. BPM-Zertifizierung: Um das Management von Geschäftsprozessen wirklich zu verbessern, braucht es neben Tools auch fähige Experten auf diesem Gebiet. Auf lange Sicht werden die Unternehmen nach Gartner-Einschätzung dazu übergehen, von Kandidaten nachgewiesene Expertise zu verlangen. Die Zertifizierung von BPM-Erfahrung nehme schon jetzt an Bedeutung zu, werde aber erst 2015 eine wirkliche Rolle in der Rekrutierungspolitik spielen, so Gartner.

Die Studie „Predicts 2011: Business Process Management Competencies Will Expose the ‚Haves’ and ‚Have-Nots’“ ist bei Gartner erhältlich.