Zankapfel TTIP

Die Chancen des Handelspakts nach Obama

09.10.2016
Clinton springt im Zickzack, Trump will das Handelsabkommen am liebsten ganz kappen. Ist TTIP dem Tod geweiht, sobald Präsident Obama aus dem Weißen Haus auszieht? Die Unterhändler drücken aufs Tempo. Doch was ihre Arbeit bringen wird, kann keiner genau sagen.
Die Chancen für TTIP stehen mit der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton am höchsten.
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"Die Ära ökonomischer Kapitulation wird endlich vorbei sein." So beschreibt Donald Trump das goldene Zeitalter der amerikanischen Wirtschaft, das kommen soll, wenn er am 20. Januar 2017 als Präsident ins Weiße Haus einzieht. Die USA würden sich aus internationalen Handelsströmen zurückziehen; Protektionismus lautete das Gebot der Stunde und dem noch unfertigen Freihandelsabkommen TTIP mit der EU hätte vermutlich das letzte Stündlein geschlagen.

So manchen der rund 200 Fachleute, die in New York fünf Tage lang erneut über dem mächtigen Vertragswerk brüteten, dürfte dieses Szenario Kopfzerbrechen bereiten. Immerhin versuchen die Unterhändler aus Brüssel und Washington, den vorläufigen Vertragstext des höchst umstrittenen Deals in den letzten Amtsmonaten von US-Präsident Barack Obama noch so weit wie möglich voranzubringen. Dessen Nachfolger oder Nachfolgerin sollen so viele ausformulierte Textpassagen wie möglich vorgelegt werden. Denn dass der Vertrag vor dem Regierungswechsel unterzeichnet wird, scheint ausgeschlossen. Doch was kommt danach?

"Wir verfolgen ganz stark die Ziele dieser Regierung", sagt US-Verhandlungsführer Dan Mullaney am Freitag lediglich. "Ich werde die Politik in den Vereinigten Staaten nicht kommentieren", sagt Ignacio Garcia Bercero, der für die EU am Verhandlungstisch sitzt.

Ausführlich haben zu TTIP weder Trump noch seine demokratische Rivalin Hillary Clinton Stellung bezogen. Doch der Baulöwe wettert gern gegen die Entfesselung des Welthandels, sei es gegen das 1994 unterzeichnete NAFTA-Abkommen der USA mit Mexiko und Kanada oder das transpazifische Handelsabkommen TPP mit elf Pazifik-Anrainerstaaten. Die USA würden durch TPP "vergewaltigt von wohlhabenden Menschen, die uns ausnutzen wollen", sagte Trump im Juni etwa.

Unter dem Protektionismus eines Präsidenten Trump können Verfechter von TTIP wohl kaum hoffen, dass der seit Jahren diskutierte Pakt noch Wirklichkeit wird. "Trumps Strategie ist im Wesentlichen ein Rückzug von der Weltwirtschaft. Er will weniger Handel und weniger Auslandsinvestitionen auswärts", schreibt Gordon Hanson, Wirtschaftsprofessor der University of California. Wie die USA den Exportweltmeister China einholen wollen, während die US-Exporte weltweit an zweiter Stelle vor Deutschland stehen, sagt Trump nicht.

Unter einer Präsidentin Clinton hätte das 30 Kapitel zählende Vertragswerk da wohl schon bessere Chancen auf Unterzeichnung. Clinton würde in vielerlei Hinsicht in Obamas Fußstapfen treten, der für TTIP geworben hat und auch auf einen TPP-Abschluss dringt. "Wir machen fünf Prozent der Weltbevölkerung aus, wir müssen mit den anderen 95 Prozent handeln. Und wir müssen kluge, faire Handelsabkommen haben", sagte Clinton in der TV-Debatte mit Trump.

Doch ihre Haltung ist zweideutig. Zwar hatte sie TTIP zu ihrer Zeit als Außenministerin im Jahr 2012 als "Wirtschafts-Nato" gepriesen, die dadurch neu entstehenden Jobs und erhofften Wachstum gelobt und das Transpazifik-Abkommen TPP im selben Jahr als "Goldstandard" für internationale Handelsabkommen bezeichnet. Doch dann, vergangenen Herbst, ruderte sie plötzlich zurück. Begründung: Sie habe erst die Verhandlungen abwarten müssen, um TPP genauer zu bewerten.

Ähnlich lief es bei NAFTA. Als ihr Mann Bill Clinton das Abkommen 1994 als US-Präsident mit seiner Unterschrift in Kraft treten ließ, begrüßte sie es, doch 2008 in ihrem erstem Wahlkampf - damals gegen Barack Obama - bezeichnete sie es dann als "Fehler". Während ihrer acht Jahre als Senatorin stimmte sie sowohl für als auch gegen Handelsabkommen. Das "Time"-Magazin bezeichnete ihre Sprunghaftigkeit beim Thema Handel als "behutsamen Stepptanz".

Chancen für TTIP mit Clinton am höchsten

Die besten - wenn auch geringen - Chancen hätte TTIP wohl, wenn Clinton die Wahl gewinnen sollte, wie nach derzeitigen Prognosen zu vermuten ist. Doch bis dahin muss sie erst einmal ihre eigene Glaubwürdigkeit retten, die nach dem Herumeiern in Sachen TPP einen Kratzer bekommen hat. Kritiker warfen ihr vor, dass sie ihre Haltung nach dem Einzug ins Weiße Haus wieder ändern würde und nur gegen das Handelsabkommen Stimmung mache, um die Gunst der Wähler zu gewinnen.

"Ich werde jedes Handelsabkommen stoppen, das Jobs tötet oder Löhne unten hält, darunter auch die Transpazifische Partnerschaft", bemühte sich Clinton im August klarzustellen. "Ich werde jetzt dagegen sein, ich werde nach der Wahl dagegen sein und ich werde als Präsidentin dagegen sein." Sollte das auch für TTIP gelten, hätten die Experten aus Brüssel und Washington drei Jahre lang umsonst verhandelt.

Angesichts massiver Proteste in Europa und kritischer Töne auch aus Berlin und Paris scheint es nicht die beste Zeit zu sein, um ein so gewaltiges Handelsabkommen voranzutreiben. "Das politische Umfeld für Handel ist herausfordernd", gesteht Mullaney ein. Die Handelsminister der EU und der USA wollen sich trotzdem wieder treffen, um weitere Chancen für TTIP auszuloten, allerdings erst am 11. November - wenn feststeht, wie der nächste Präsident der Vereinigten Staaten heißt. (dpa/rs)