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Die Entwicklung der E-Mail

07.08.2018 von David Wolski
Die E-Mail ist der Veteran unter den Kommunikationswegen im Internet. Trotz Spam, sozialen Netzen und Instant Messaging bleibt die E-Mail einer der meistgenutzten Internet-Dienste.

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die bewegte Geschichte der E-Mail. Vor weit über 45 Jahren ging die erste E-Mail über die Leitung - allerdings noch zwischen zwei Computersystemen, die im gleichen lokalen Netzwerk hingen. Der Programmierer Ray Tomlinson verschickte 1971 eine Nachricht über das Netzwerk von einem System zu einem anderen. Die Entfernung betrug ganze drei Meter Netzwerkkabel, markierte aber trotzdem einen riesigen Schritt. Denn vorher konnten E-Mails nur zwischen zwei Benutzer-Accounts auf dem gleichen Computersystem verschickt werden.

Als Trennzeichen zwischen Benutzernamen und Computernamen nahm er dabei das @-Zeichen, das kaum genutzt wurde. Wenig beeindruckt waren zunächst die Kollegen, denn eigentlich ging es ihnen gerade um ein Packetswitching-Protokoll des Arpanet und nicht um netzwerkfähige Mailsysteme. Für sein frühes Experiment wurde Tomlinson trotzdem geehrt: 2012 wurde er in die "Internet Hall of Fame" aufgenommen, in der unter anderem auch Web-Wegbereiter Sir Tim Berners-Lee und Linux-Pionier Linus Torvalds einen Platz bekamen.

In den 80er-Jahren begann die Transformation des Arpanet zum Internet und dessen Öffnung für einen größeren Anwenderzirkel aus der Wirtschaft. E-Mail bekam 1982 das eigene Übertragungsprotokoll "Simple Mail Transfer Protocol" (SMTP). Einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der elektronischen Post legte 1981 Eric Allman mit der Software "Sendmail". Damit war es erstmals möglich, Nachrichten mit einem Mailprogramm gleichzeitig in verschiedene Netze zu senden. Sendmail ist heute noch auf vielen Unix- und Linux-Servern im Betrieb, obwohl ihm zu Recht der Ruf einer nicht unkomplizierten Konfiguration anhaftet.

So wird die E-Mail transportiert: für den Empfang und für den serverseitigen Versand kommt SMTP zum Einsatz. Auf der Empfängerseite werden die Nachrichten über PoP oder IMAP vom Mailprogramm abgeholt.
Foto: PC-Welt

Mehrere Protokolle für Versand und Empfang

Die E-Mail-Kommunikation zwischen zwei Anwendern basiert auf drei Protokollen: SMTP dient zum Versenden und für die Kommunikation unter den Mail-Servern, die Protokolle POP und IMAP besorgen den Nachrichtenempfang im Mailprogramm des Anwenders. Die Aufgabe des Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) ist der zuverlässige Transport von Nachrichten zwischen Mail-Servern, aber auch die Annahme von EMails von Anwendern. SMTP entspricht dem Weg zum Briefkasten und dem Postfahrzeug, POP/IMAP ist der Briefträger, der zur Haustür kommt.

Für den serverseitigen Transport von Nachrichten über SMTP sind sogenannte Mail Transfer Agents (MTA) wie Sendmail zuständig. Nachdem dieser MTA auf dem Server eine Nachricht vom Client-Programm entgegengenommen hat, ist er für das Routing der E-Mail verantwortlich. Anwender kommen mit diesem Part des Mailverkehrs nicht in Kontakt. Mail-Clients wie Thunderbird, Outlook, Outlook Express, Windows Live Mail und Webmail-Dienste übernehmen die Übertragung der elektronischen Post vom und zum Mail-Server.

Das ältere POP, das seit 1984 zur Verfügung steht, holt die Mails einfach auf das lokale Gerät und löscht sie auf dem Server. Das etwas jüngere IMAP (seit 1986) kann dagegen das Mailprogramm mit dem Postfach auf dem Server synchronisieren und die Mails auf dem Server belassen. Die Aufteilung des Mailverkehrs in mehrere Protokolle geschah deshalb, da Anwender selten permanent online sind und einen Mail-Zwischenspeicher auf dem Server brauchen.

E-Mail-Etikette
Besser nicht ohne Betreff...
Moderne E-Mail-Clients (wie hier der Mozilla Thunderbird) geben eine Warnung aus, wenn der Nutzer die Nachricht ohne Betreff abschicken will.
Ohne Betreff: Schlecht einzuordnen
Und so sieht es beispielsweise unter Outlook aus, wenn die Nachricht ohne Betreff nicht gleich im Spam-Filter hängenbleibt: Wenig informativ für den Nutzer
Einfach und sinnvoll: eine Signatur
Alle E-Mail-Clients und Web-Mailer erlauben das Anlegen und automatische Einbinden einer Signatur. Im privaten Bereich sollten Anwender das nutzen, im geschäftlichen E-Mail-Verkehrs müssen sie es tun.
Im "nur Text"-Modus sind viele Mails schlecht lesbar.
Dieses automatische Nachricht von Linkedin ist eher noch ein harmloses Beispiel dafür, wie schlecht lesbar HTML-Nachrichten häufig werden, wenn sie als Textnachricht dargestellt werden.
Nicht Standard aber sicher: Alle Mails als nur Text empfangen
Wer Outlook benutzt kann die Software so konfigurieren, dass sie alle empfangenen Nachrichten reine Textnachricht darstellt. Wenn der Absender das nicht bedenkt, kann die Nachricht aber leicht unlesbar werden.

Alles im Ascii-Format: Aufbau einer E-Mail

Das Format der Mail hat sich seit der ersten Standardisierung kaum verändert, zumal es flexibel genug ist, optionale Erweiterungen aufzunehmen. Die Zeichencodierung ist heute noch wie vor 40 Jahren Ascii. Der Grund dafür ist, dass Mailserver über SMTP nur in Ascii kommunizieren können. Auch Sonderzeichen, Umlaute und binäre Anhänge müssen in den simplen Zeichensatz konvertiert und decodiert werden. Diese Aufgabe übernimmt das Mailprogramm beziehungsweise der Webmail-Dienst.

Eine E-Mail besteht aus drei Teilen. Der knappe "Envelope" enthält den tatsächlichen Absender und Empfänger einer Nachricht und wird nur von den MTAs benötigt, nicht aber vom Mailprogramm. Der ausführliche "Header" einer E-Mail enthält Informationen für den Empfänger, etwa den Namen des Absenders, Antwortadresse und den zurückgelegten Pfad der E-Mail. Im "Body" ist schließlich die eigentliche Nachricht untergebracht.

Diese Aufteilung erlaubt eine schnelle Verarbeitung: MTAs, die Hunderte von Mails pro Sekunde empfangen und weiterleiten, brauchen nur die knappen Angaben im Envelope lesen und nicht den gesamten Header. Leider gab diese effiziente Einteilung auch einem unangenehmen Phänomen Auftrieb: Werbemails, Spam. Spammer konnten den Header fälschen, um frühe Spam-Filter auszutricksen, denn für die Zustellung muss nur der Envelope korrekt sein.

Durch serverseitige MTA-Erweiterungen mittels Authentifizierung über Smart-Hosts, strikten Weiterleitungsfiltern, dem Sender Policy Framework (SPF) und leistungsfähigeren Mail-Servern konnte die Spamflut eingedämmt werden.

Aufbau einer E-Mail: Aus historischen Gründen ist der Envelope mit den tatsächlichen Empfänger- und Absenderadressen vom Inhalt mit Headern und Body getrennt. Eine MTA liest nur den Envelope.
Foto: PC-Welt

Das Domain-Name-System als Adressbuch

Woher weiß ein MTA, der gerade über SMTP eine neue Mail bekommen hat, wohin diese gehen soll? Das Domain Name System spielt nicht nur beim Zugriff auf Web- oder FTP-Server eine zentrale Rolle, sondern auch beim Mailversand. Für E-Mails sind im DNS spezielle Einträge vorgesehen: Die "MX-Records" (Mail Exchange Records) identifizieren den Zielserver und dessen Adressen.

Dazu fragt eine MTA im DNS nach einer Domain und erhält eine Liste mit Servern (Mail Exchanger), die Nachrichten für die Ziel-Domain entgegennehmen. Jeder Mail Exchanger ist mit einer 16 Bit langen Priorität versehen. Der SMTP-Server versucht nun, in der Reihenfolge der Priorität dem entsprechenden Server die Nachricht zu übermitteln. Prinzipiell kann eine Nachricht über mehrere SMTP-Server laufen. Meist überquert sie aber nur zwei SMTP-Server.

Sicherheit: Verschlüsselung der Protokolle

SMTP ist leider unsicher: Die Mail Transfer Agents kommunizieren im Klartext, und dieser kann von Zwischenstationen abgehört werden. Für den sicheren Mailversand gibt es heute eine serverseitige SMTP-Erweiterung mit TLS-Verschlüsselung (Transport Layer Security). TLS ist eine Weiterentwicklung des verbreiteten SSL (Secure Sockets Layer), und moderne Mailprogramme unterstützen verschlüsseltes SMTP beim Versand der Nachrichten.

Beim Empfang über POP und IMAP besteht das zusätzliche Problem, dass sogar die Authentifizierungsdaten offen über das Internet gesendet werden, und TLS gibt es deshalb auch für POP und IMAP. Allerdings könnten direkt beteiligte Mail-Server den Mailinhalt immer noch mitlesen und auswerten, da nur das Protokoll verschlüsselt ist. Deshalb hat der Informatiker Phil Zimmermann bereits 1991 das asymmetrische Verschlüsselungsverfahren PGP (Pretty Good Privacy) entwickelt, für das es auch die Open-Source-Variante GPG gibt. Auch das kommerzielle Kryptosystem S/MIME von RSA Data Security erlaubt sicher verschlüsselte Mails. Diese Verschlüsselungsverfahren erleben derzeit, nach den Abhörskandalen der letzten Jahre, eine wahre Renaissance. (PC-Welt)